Название | Es gibt keine Wiederkehr |
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Автор произведения | John Mair |
Жанр | Языкознание |
Серия | |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783939483649 |
(Es half nichts; er musste Anna wiedersehen und dazu bringen, ihre Pläne zu ändern – oder sie musste ihm zumindest verraten, wohin sie reisen würde. Diese verdammte eiskalte Schlampe. Nein, seine eigene dumme Vernarrtheit sollte verdammt sein. Nicht, dass er sich das Geringste aus ihr machte, natürlich nicht …)
«‹Ich bin nicht gekommen, um mir die Hämorrhoiden Ihres Vaters anzuschauen›, flüsterte er sanft. ‹Ich bin wegen etwas viel Interessanterem hier – um mit Ihnen zu reden!› Mein Herz pochte so laut, dass ich glaubte, er müsse es hören, aber als ich antwortete, klang meine Stimme so ruhig und spöttisch, dass ich sie selbst kaum erkannte. ‹Oh Doktor›, sagte ich, wobei ich mich zum Spiegel wandte und mir übers Haar strich, wie ich es bei Claudette Colbert im Kino gesehen hatte. ‹Ist das nicht ziemlich unprofessionell? …›»
Um viertel nach vier konnte Desmond es nicht länger ertragen. Er konnte sich aber nicht dazu durchringen, Anna persönlich anzurufen; eine kindische Hoffnung riet ihm, dass ein Telegramm mit seiner dringlichen Aufrichtigkeit Eindruck machen würde. Er gab also telefonisch ein Telegramm auf, wobei er sich gleichzeitig albern und verzweifelt vorkam: KOMME HEUTE ABEND SIEBENDREISSIG VORBEI – SOLLTEST MICH IM EIGENEN INTERESSE EMPFANGEN – DT.
Schon als er den Hörer auflegte, war ihm bewusst, dass der Text auf dümmliche Weise melodramatisch klang, und er überlegte, wie er diese Worte ihr gegenüber rechtfertigen sollte. Die Kälte eines solchen Fernschreibens jedoch dürfte selbst Anna ein wenig imponieren, und die passenden Worte würden ihm bei der Begegnung schon noch einfallen. Es musste doch irgendetwas geben, womit man sie anrühren konnte! Liebe womöglich, aber die empfand er ja gar nicht: Hass und Entschlossenheit mussten deren Stelle einnehmen. Was, wenn sie anrief und ihm absagte? Er wandte sich an seine Sekretärin: «Miss Hedley, falls irgendjemand – egal wer – mich heute nachmittag anruft: Ich bin außer Haus und komme heute auch nicht zurück. Bitte seien Sie sehr bestimmt, egal, wer am Apparat ist und wie dringend die Angelegenheit auch klingt.»
Sofort fühlte er sich entspannter, und instinktiv war er sich sicher, dass er mit seiner Redegewandtheit, die ihn noch nie im Stich gelassen hatte, Anna zu irgendeinem Kompromiss verleiten könnte. Inzwischen wollte er sie gar nicht mehr bei sich behalten, er wollte sie einfach nur ganz allmählich verlassen, nach seinem eigenen Zeitplan. Beinahe euphorisch wandte er sich wieder seiner Arbeit zu:
«‹Aber das darfst du nicht, Liebling! Das – das ist ungehörig.› Er lachte und presste mich noch enger an sich. ‹Du herrliches kleines Ding›, flüsterte er. ‹Ich werde dich niemals verlassen, ganz gleich, was die bärtigen alten Herren der Medizinischen Fakultät davon halten. Zerbrich dir nicht dein süßes kleines Köpfchen; es ist wahr, Liebe findet immer einen Weg, und für eine Stunde in deinen Armen würde ich mich mit dem alten Hippokrates höchstpersönlich anlegen.› Seine Küsse durchzuckten mich wie flüssiges Feuer, und die grauen Wände der Krankenhausapotheke lösten sich auf, bis die bunten Medizinflaschen sich in tropische Früchte verwandelten, und es schien mir, als seien wir zwei ganz allein auf einem Atoll inmitten des Pazifik …»
ZWEITES KAPITEL
Als er Anna an jenem Abend aufsuchte, fiel ihm nichts ein, was er ihr hätte sagen können. Ihn überraschte das gar nicht – er kannte ihre Gabe, ihn vollkommen verstummen zu lassen, so wie das Rampenlicht einem nervösen Schauspieler die Sprache raubt. Ungewöhnlich war lediglich seine eigene Gleichgültigkeit ihr gegenüber; während er auf der Schreibtischkante saß und mit den Beinen wippte, fühlte er sich unbeteiligt und überlegen wie ein Biologe, der das natürliche Verhalten seiner Versuchstiere beobachtet. Nach einer kurzen, beiläufigen Begrüßung schwieg er; in blasierter Selbstzufriedenheit summte er leise die Melodie eines altmodischen Tanzliedes.
Anna beendete die Stille.
«Warum bist du hergekommen?»
«Ach, nur eine gesellschaftliche Pflichtübung. Manche Leute haben religiöse Verpflichtungen, ich habe gesellschaftliche, und denen komme ich in angemessener Demut nach.»
«Was hatte dein Telegramm denn zu bedeuten?»
«Nichts, überhaupt nichts. Findest du nicht auch, Postämter sollten Schmuckblätter für schlechte Nachrichten bereithalten, ähnlich wie für Grußtelegramme? Die Todesnachrichten aus dem Kriegsministerium kämen dann auf einem Papier in Schwarz und Silber, an den Rändern eine Girlande aus Totenköpfen, Kreuzen, Urnen und geborstenen Säulen. Ich bin mir sicher, Witwen und Waisen wären begeistert über eine künstlerische Wertschätzung ihres Opfers, die sie einrahmen und an die Wohnzimmerwand hängen können.»
Anna unterbrach ihn ungeduldig.
«Wenn du mir etwas zu sagen hast, sag es bitte jetzt. Ich werde in ein paar Tagen ins Ausland reisen und wahrscheinlich nicht zurückkehren.»
«Ins Ausland? Wie schön für dich. Aber bitte nicht mit einer Reisegruppe: Habe ich mal mitgemacht, aber es stellte sich heraus, dass zu viele Hähne im Korb waren und zu wenig Hennen.» Er kicherte aufdringlich.
Anna fuhr scharf dazwischen:
«Wenn du dich weigerst, vernünftig zu reden, tu, was du nicht lassen kannst. Ich habe jedenfalls gleich einen Termin. Bitte entschuldige, ich muss mich umziehen.»
Er entließ sie mit gnädiger Handbewegung, als sie sich resolut umdrehte und im Schlafzimmer verschwand. Durch einen Spalt im Vorhang über der Tür sah sie sein selbstzufriedenes Lächeln, während er seine Fingernägel begutachtete. Sie fühlte sich ein wenig unbehaglich. Sie hatte ihre Erfahrungen mit Männern und glaubte auch Desmond zu durchschauen; in dieser Stimmung hatte sie ihn freilich nie zuvor erlebt. Ihr fiel auf, dass seine Gesten auf eine fast unmerkliche, aber doch spürbare Art außer Kontrolle schienen, als wäre er betrunken. Seine Beine wippten ein klein wenig zu kräftig, er sprach laut, und Kopf oder Hände blieben unablässig in Bewegung. Dabei wusste sie, dass er vollkommen nüchtern war, denn seine Augen blickten kalt und unbeteiligt und etwas angestrengt, als starre er auf einen weit entfernten Punkt. Erneut schaute sie zu ihm herüber, und jetzt erst, zum ersten Mal an diesem Abend, sah auch er sie an, als wolle er sich ihr Gesicht in Erinnerung rufen oder ihr Gewicht abschätzen. Während er zu ihr herüberschaute, knetete er weiterhin seine Hände und tastete seine Fingernägel ab. Das erschien geradezu unnatürlich; sein Körper wirkte auf unangenehme Weise wie ein wachsames Tier, das ein eigenes Leben führt, losgelöst vom Verstand.
Desmond musterte Anna mit jener aufdringlichen Neugierde, die man normalerweise nur Eingeborenen entgegenbringt. Wie sie da halb entblößt vor ihrer Ankleidekommode kauerte, schien sie ihm älter als sonst, und die Struktur ihrer Kehle und der Gesichtshaut wirkten mit einem Mal rau gegenüber der Zartheit ihrer Schultern. Ihr Nacken schien allmählich kräftig zu werden, und Desmond vermutete jetzt sogar, die aufrechte Haltung des Rückens müsse das Ergebnis bewusster Anstrengung sein. Kaum erinnerte er sich noch daran, dass sie zu alledem auch Verstand und Persönlichkeit besaß: Für ihn war sie jetzt eine klug konstruierte Puppe, gekrönt mit einer hübsch glänzenden Perücke. Seine Gedanken nahmen eine Wendung ins Hämische, und er überlegte, wie er sie wohl verletzen könnte.
Es war jetzt acht Uhr abends, die Dunkelheit brach an. Anna trat ins Zimmer. Sie strich sich übers Haar und drängte:
«Ich muss bald aufbrechen. Zum letzten Mal: Hast du mir irgendetwas zu sagen?»
«Nichts, was dich interessieren könnte.»
Sie hob ihre Stimme: «Sag jetzt, was du zu sagen hast; ich werde dich nicht wieder fragen.»
«Sprich nicht so laut. Geh, wenn du willst: Ich halte dich nicht auf.»
Seine Ferse stieß gegen den Rand des Tisches und brach einen Splitter aus dem polierten Holz, aber er schien das nicht zu bemerken. Gegen das schwindende Licht im Fenster nahmen sich seine Konturen mit den hängenden