Es gibt keine Wiederkehr. John Mair

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Название Es gibt keine Wiederkehr
Автор произведения John Mair
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783939483649



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sollten lieber heimgehen und sich hinlegen; wir werden den Rest des Tages auch ohne Sie schaffen. Schlimmer, falls Sie hinfällig bleiben, wenn der Abgabetermin näher rückt. Ich bitte Miss Prestwood, Ihnen ein Taxi zu rufen.»

      Desmond protestierte nur halbherzig, denn zu seinem eigenen Schrecken fühlte er sich tatsächlich krank, und er war froh, als man ihn in ein Taxi setzte. Ein paar Minuten später ging es ihm wieder besser, und als er zu Hause ankam, war er nahezu vollständig wiederhergestellt. Ähnlich wie Anna bewohnte auch er eines von mehreren Apartments in einem umgebauten Wohnhaus. Während er die Treppe hinaufstieg, schien ihm, als sei seine Wohnungstür ins Schloss gefallen. Er eilte die letzten Stufen hinauf und traf auf einen großen, kräftigen Mann, der eine Hand auf den Türklopfer legte.

      «Wollen Sie mich sprechen?»

      Der Mann wandte sich langsam um. Sein Gesicht wirkte weich, als rasierte er sich dreimal täglich; die Augen spielten ins Grünliche und standen ungewöhnlich weit auseinander. Seine Stimme klang belegt.

      «Wohnt hier Mr. George Williamson?»

      «Nein, tut mir leid.»

      «Dann entschuldigen Sie mich; ich werde mich in der Adresse geirrt haben.»

      Der Mann lüftete seinen schwarzen Hut und stieg die Treppe hinab, ohne eine Spur von Enttäuschung. Desmond zuckte die Achseln und trat ein.

      Mrs. Fletcher, seine Haushaltshilfe, hatte an diesem Morgen offenbar sehr gründlich geputzt, denn Desmond fiel auf, dass alle Dinge, selbst seine Bücher, ein klein wenig anders standen als sonst. Zum Glück lag Annas Tagebuch an einem sicheren Ort; als Nächstes musste er die Pistole loswerden. Er inspizierte die Taschen des Anzugs, den er am letzten Abend getragen hatte. Ja, sie war immer noch da.

      Bei Dunkelheit nahm er die Pistole an sich, er eilte zur Waterloo Bridge und warf sie über die Brüstung. Das war’s, so Gott will!

      VIERTES KAPITEL

      I. O.

      NIEDERSCHRIFT EINER AUSSERORDENTLICHEN SITZUNG

      DES ZENTRALKOMITEES FÜR WESTEUROPA

      Anwesend: A (Vorsitzender); B, C (für die Sektion Osteuropa); D, E, F, G (Schriftführer)

      Ort: Londoner Zentrale

      Termin: 22.30 Uhr am 17. dieses Monats

      Die Teilnehmer verständigen sich darauf, dass die Sitzung in englischer Sprache abgehalten wird. B wird für D übersetzen; E übersetzt für F.

      Auf Vorschlag des Sitzungsleiters wird die Niederschrift der letzten Sitzung als bekannt vorausgesetzt.

      Vorsitzender: Ich habe diese außerplanmäßige Sitzung so kurzfristig einberufen, weil ein Ereignis eingetreten ist, das die Zukunft unserer gesamten Organisation gefährden könnte. Ich will mich kurz fassen. Anna Raven, unsere wichtigste Agentin und Kontaktperson in diesem Land, wurde von Unbekannten ermordet, und man hat ihre Kontaktliste entwendet.

      B: Oh Gott, war das die Gestapo? Was sollen wir tun?

      E: Gestapo? Vermutlich eher der britische Geheimdienst. Ihr Deutschen denkt immer nur an eure Gestapo.

      B: Sie würden die Gestapo nicht so leichtfertig abtun, wenn Sie sie so erlebt hätten wie ich! Ich habe mitangesehen, wie sie die Menschen abholen; ich war selbst bei einem Verhör zugegen. Sie werden auf meinen Namen stoßen und mich fassen. Ich muss sofort aufbrechen.

      C: Haltet ihn auf, sonst gefährdet er uns alle!

      Es entwickelt sich eine hitzige Debatte, die auf Anweisung des Vorsitzenden aus dem Protokoll gestrichen wird. Der Vorsitzende ruft die Versammlung zur Ordnung.

      Vorsitzender: Meine Herren, meine Herren, bitte fassen Sie sich; die Situation ist nicht ganz so hoffnungslos, wie Sie vielleicht glauben. Mr. Foster, ein Kontaktmann von Mrs. Raven, hat die Angelegenheit untersucht und wartet draußen, um Ihnen zu berichten. Ich schlage vor, ihn anzuhören, bevor wir weiter beratschlagen.

      Mehrere Stimmen: Einverstanden.

      Mr. Foster wird hereingebeten und gibt folgende Erklärung ab.

      Mr. Foster: Am Montagabend sollte Raven mich um neun Uhr aufsuchen, um letzte Details wegen der Übertragung ihrer Aufgaben auf mich zu besprechen; anschließend wollte sie abreisen, um ihre neue Position einzunehmen. Um viertel vor zehn war sie noch immer nicht eingetroffen, daher rief ich sie in ihrer Wohnung an. Weil sich niemand meldete, wurde ich unruhig; ich fuhr höchstpersönlich mit zwei Assistenten dorthin, um nach dem Rechten zu sehen. Ins Haus gelangte ich mit meinem Duplikatschlüssel, im Treppenhaus ist mir niemand begegnet. Ich fand die Wohnungstür offen; jemand hatte das Schloss mit zwei Schüssen zerstört. Im Wohnzimmer entdeckte ich Ravens leblosen Körper auf dem Boden; sie ist mit ihrem eigenen Halstuch erwürgt worden, offenbar nach einem kurzen Handgemenge. Bei meinem Eintreffen war sie noch nicht lange tot. Jemand hatte das Apartment durchsucht, alles war in Unordnung; die Kontaktliste und ein Geldbetrag waren verschwunden, ansonsten war noch alles an seinem Platz. Ich habe einige Beweisstücke an mich genommen und die Wohnung in den frühen Morgenstunden wieder verlassen.

      Vorsitzender: Gibt es dazu Fragen?

      C: Woraus genau besteht diese Kontaktliste?

      Mr. Foster: In diesem Fall enthält sie eine kurze Darstellung unserer Ziele, Hinweise auf besondere Eigenheiten unserer britischen Kontaktpersonen, detaillierte Instruktionen zur Kontaktaufnahme mit führenden Vertretern unserer Organisation in anderen Ländern und gewisse Bemerkungen über die Mitglieder dieses Komitees.

      B: Gütiger Gott, wir sind verloren!

      Mr. Foster: Das Buch ist allerdings in einem speziellen Code abgefasst, und ich habe Grund zu der Annahme, dass die Personen, die es entwendet haben, bislang nicht in der Lage sein dürften, ihn zu entschlüsseln.

      D: Woher wollen Sie das wissen?

      Vorsitzender: Beantworten Sie diese Frage bitte nicht. Es tut mir leid, meine Herren, aber im Augenblick liegt es, glaube ich, in unser aller Interesse, so wenig wie möglich in diese Details einzusteigen. An Tagen wie diesen ist es nötig, selbst unter …

      B: Was unterstellen Sie da? Wie können Sie es wagen, uns mit dieser Art von Anschuldigungen zu behelligen!

      Vorsitzender: Herrr B.! Nichts, was ich sagte, war auf eine der anwesenden Personen gemünzt; ich wollte lediglich andeuten, dass diese ganze Angelegenheit äußerst verdächtig wirkt und dass es bis zur vollständigen Aufklärung am sichersten scheint, niemandem mehr anzuvertrauen als absolut unumgänglich. Und ich denke, daran sollten auch Sie sich halten, auch wenn Sie hier unter Freunden sind, die den Grund für Ihre Erregung verstehen.

      B: Es tut mir leid. Verzeihen Sie mir. Ich weiß nicht, was in mich gefahren ist. Es ist manchmal schwer, zwei Herren zu dienen.

      E: Mr. Foster, haben Sie denn irgendeinen Hinweis auf den Mörder gefunden?

      Mr. Foster: Im Aschebehälter in der Küche habe ich ein Telegramm entdeckt, das auf den gleichen Nachmittag datiert war und in dem eine Person, die mit D.T. unterzeichnet hat, ein Treffen um halb acht abends fordert. Meine Recherchen ergaben, dass der Anruf aus den Büros von International Features kam, einer wichtigen Nachrichtenagentur. Ich konnte nur zwei Angestellte mit diesen Initialen ermitteln, über beide habe ich Erkundigungen eingeholt. Über den einen erfuhr ich nichts von Belang; im Apartment des anderen fand ich eine vollautomatische Pistole, die zum Kaliber der Kugeln passt, die ich aus Ravens Tür entnehmen konnte. Selbstverständlich habe ich mich sofort über diesen Herrn informiert und ein kleines Dossier angelegt.

      Vorsitzender: Bitte lassen Sie hören.

      Mr. Foster: «Desmond Thane; um die dreißig; blasse Gesichtsfarbe, dunkles Haar, etwa einsachtzig groß. Bei International Features als Redakteur angestellt. Verheiratet, lebt aber von seiner Frau getrennt. Interessen und Vorlieben außerhalb seiner Arbeit sind nicht bekannt,