Das ist nicht nur sinfonisch Gedichtetes, es handelt sich dabei in erster Linie ausgewiesen um ein Buch sowohl für Alle als auch für Keinen. Derart umfassend, widersprüchlich, zugespitzt und auch verallgemeinernd erscheint Nietzsches Philosophie darin, dass sie gleichzeitig feurige Bewunderer gefunden hat, wie auf kategorische Ablehnung gestoßen ist. Woran liegt das? Nun, es geht schlicht um bewegend nach dubiosen Sternen greifende Themenstellungen: um Übermenschen, um das ewig Gleiche, um die Umwertung dessen, was als werthaltig angesehen wird, und nicht zuletzt um das Streben nach der Macht. Wie geschaffen dafür ist der Übermensch, der vernichten muss, um zu kreieren. Er hat der Eigenliebe abgeschworen, verweigert Knechtschaft und erstickt aufkeimende Wehmut in ihrem Kern, er liebt das Leben und vertraut auf seine Fähigkeiten. Allein der Wille führt ihn oft ans Ziel, wobei er mutig-hart auftritt und nicht zu Kompromissen neigt. In dieser Konzeption ist für die zarte Damenwelt nur wenig Platz. Nietzsches viel beschworene Peitsche, die er zur Vorbereitung auf ein Stelldichein einsteckt, stößt ab, jedoch auch auf eine gewisse Art der Berechtigung, wenn man seinen Gedankengängen zu folgen bereit ist. Unreflektierte Rezeption führt nur zum plakativen Äußern von Parolen, deren Gehalt man kaum verstanden hat.
Zueignung. Ihr naht euch wieder, schwankende Gestalten, Die früh sich einst dem trüben Blick gezeigt. Versuch ich wohl, euch diesmal festzuhalten? Fühl ich mein Herz noch jenem Wahn geneigt? Ihr drängt euch zu! nun gut, so mögt ihr walten, Wie ihr aus Dunst und Nebel um mich steigt; Mein Busen fühlt sich jugendlich erschüttert Vom Zauberhauch, der euren Zug umwittert....
Josef K. fühlt sich ausgeliefert, weiß nur nicht, wem. Am Tage seines 30. Geburtstags wird der Prokurist bei einer Bank für verhaftet erklärt, aber nicht festgehalten. Weder ist eine Anklage formuliert, noch wären Richter und Gericht greifbar. Es tagt jedoch geradewegs auf dem Dachboden und verurteilt ihn schließlich zum Tod. Ein Jahr lang soll es dauern, bis Josef K. verschleppt, und zwar mit der gebotenen Höflichkeit, aber ohne viel Federlesens erstochen wird. Die eigene Wohnsituation als bedrohlich zu empfinden, ist einem dokumentierten Erlebnis aus Kafkas Kindheit geschuldet. Als er bei Nacht um Wasser bat, schreibt er sich erinnernd an den Vater, wurde er in die Kälte verbannt. Das prägende Ereignis hat Kafka wiederholt literarisch verarbeitet. Auch in seiner Verwandlung spielen häusliche Ausgrenzungen eine tragende Rolle, in Kafkas Prozess gewinnen die empfundene Übermacht und Nichtswürdigkeit eine neue Dimension. Es ist wohl an der Zeit, sich darüber zu erheben, eine nicht näher fassbare Sünde aber lastet so schwer auf ihm, dass er sich seiner Schuldgefühle nicht entledigen kann und die verdient geglaubte Strafe hilflos annimmt. Eine ererbte Bürde zitieren manche in diesem Zusammenhang, als Motiv durchgängig erhalten bleibt in Kafkas Schaffen eine von etwas Unergründbarem ausgehende Faszination, die ihn bannt.
Es ist ein Werk, das zu ein paar Dutzend Verfilmungen Anlass gab, zum ersten Mal 1907, zuletzt 2012 in der Musical-Version. Victor Hugo hat es in seinem Exil auf der Kanalinsel Guernsey verfasst, in idyllischer Abgeschiedenheit zum dramatischen Geschehen, es wurde auch unmittelbar nach Abschluss der Arbeiten verlegt. Und zwar dort, wo der Zentralpunkt dessen liegt, was hier so ergreifend zusammengestellt worden ist und seitdem seinen Siegesszug zum Aufwühlen der Gemüter rund um den Erdball angetreten hat. Unhaltbare Zustände im Zusammenhalt der französischen Gesellschaft im Zeitraum von der napoleonischen Epoche bis hin zum Wirken Louis Philippes, dem Bürgerkönig, werden darin geschildert. Es handelt sich um ein flammendes Plädoyer für mehr Menschlichkeit und auch dafür, eine Besserung herbeizuführen. Mit den Mitteln der Romantik geht der französische Dichter dabei vor, er kontrastiert das Elend Einzelner mit Entwicklungen, die dafür verantwortlich zu sein scheinen. Ausgangspunkt ist das Schicksal von einem, der von den anderen ausgegrenzt worden ist und dagegen aufbegehrt. Jean Valjean hat bald zwei Jahrzehnte im Kerker zugebracht, weil er ein Stück Brot genommen hatte und wiederholt versuchte, seiner Strafe zu entgehen. Er trug schwer an einer Schuld, deren Sühnung gravierend der Verhältnismäßigkeit entbehrt.
Es ist ein Jammer. Da wird nur eine einzige, aussichtsreiche Stelle ausgeschrieben, und schon hagelt es Bewerbungsschreiben. Zu Tausenden trudeln sie umgehend, auch verspätet ein, um in erster Linie aussortiert zu werden. Es hapert an auffälligen Kleinigkeiten, die auf den ersten Blick ins Auge fallen und damit die Chance verbauen, dass ihr Inhalt wahrgenommen wird. Aufmerksame Sekretärinnen müssen so vorgehen angesichts der Flut dessen, was begutachtet werden soll, um schon im Vorfeld die Spreu vom Weizen zu trennen. Welch eine Verschwendung! Zu Dutzenden landen hochwertige Bewerbungsmappen im Papierkorb, als hätte man sich kaum die Mühe machen müssen, sie überhaupt zu erstellen. Dabei kostet es einen nicht unerheblichen Aufwand, doch alles Eifern war vergebens, weil etwas nicht stimmt, das auch bei sorgfältigem Aufbau leicht zu übersehen ist. Es macht alles andere zunichte, selbst wenn sich dahinter der ideale Bewerber verbergen sollte. Dessen Lebensleistung wird auf einen Federstrich reduziert, der einen schlechten Eindruck macht und ihm alle Möglichkeiten dazu nimmt, ein gesichertes Auskommen anzustreben. Und weiter geht die gnadenlose Selektion. Hier passt dies nicht, dort jenes, mal liegt es an der fehlenden Sympathie, ein andermal an der Aufdringlichkeit, mit der sich jemand zu erkennen gibt. Am Ende bleibt nur eine Handvoll solcher Kandidaten übrig, die vielleicht grundsätzlich nicht geeignet sind, was sich aber erst später herausstellt. Und dann dreht sich das Karussell aufs Neue, der Bewerbungsmarathon geht in die zweite Runde. Personaler haben es weiß Gott nicht leicht, sie stehen unter hohem Druck.
Kann das denn angehen – reich werden, ohne viel dafür zu tun? Wenn Sie über einen ansehnlichen Besitz in der richtigen Lage verfügen, schon. Sie brauchen nichts weiter zu tun, als darauf zu warten, dass die Mieten steigen. Den Verwaltungsaufwand überlassen Sie jemandem, der das günstig und zuverlässig für Sie erledigt, und Sie können in aller Ruhe die Früchte Ihrer lohnenden Investition genießen. Noch einfacher ist es, wenn Sie Immobilien günstig erwerben, um sie zu veräußern, wenn ihr Wert ordentlich angewachsen ist. Setzen Sie nur auf eine interessante Gegend, die kurz vor ihrer Entwicklung zu neuer Blüte steht, wovon aber außer Ihnen niemand weiß. Wie Sie sich diese Information beschaffen, ist freilich eine andere Frage, Sie können sich ebenso gut auf Ihren untrüglichen Riecher verlassen, mit dem Sie allen anderen ein gutes Stück voraus sind. Hilfreiche Hinweise aus der Planungsabteilung einflussreicher Gemeinden können dabei auch von Nutzen sein, doch sie sind gemeinhin nicht für ein Butterbrot zu haben. Nun ja; man muss in jedem Falle erst einmal in die Tasche greifen, bevor man richtig absahnen kann. Beansprucht Ihr Informant einen Teil des Gewinns für sich, dann sichern Sie ihm das doch zu.
Mit 50 Milliarden, meint ein Wirtschaftsforschungsinstitut, würde die angelaufene Flüchtlingswelle die bundesdeutschen Kassen in diesem und im nächsten Jahr belasten, und das ist keine Kleinigkeit, wird hiervon doch die Hauptlast getragen werden müssen. Aufkeimende Hoffnungen, die Wirtschaft könnte auch entlastet werden, werden durch Befürchtungen erstickt, dass die Sozialsysteme arg zu leiden haben. Schon jetzt werden Umschichtungen vorgenommen, die ungeahnte Folgen heraufbeschwören, die Auswirkungen auf den europäischen Zusammenhalt sind ebenfalls nicht abschätzbar. Die befürchtete Spaltung ist bislang ausgeblieben, doch ernste Anzeichen dafür sind nicht zu übersehen. Von der Totalverweigerung bis zur Modifikation nach eigenem Gutdünken reichen die Reaktionen auf das, was eingefordert werden soll. Hat schon die Abschottung Einzelner ein bedenkliches Ausmaß angenommen, sind weitere Abwendungen von einem möglichen Konsens nicht auszuschließen. Europa macht dicht, nach außen wie nach innen, dennoch bleibt Hoffnung, das alles sich zum Guten wendet. Doch das sollte nicht mehr allzu lange auf sich warten lassen. Zu verhalten ist die Anzahl der Befürworter, als dass sich ein möglicher Umschwung zuverlässig vermeiden ließe. Wenn die Eurozone dabei auseinander bricht, sind alle schon getätigten Investitionen in der Absicht, Ausstiegskandidaten davon abzuhalten, auf Sand gebaut. Deutlicher Unmut macht sich breit, ein Aufruhr erscheint nicht mehr unmöglich.
Wir wollten ja alle schon einmal groß und stark werden und haben einiges dafür getan, doch nicht immer hat es auch gefruchtet. Der eine fühlt sich nur stark, ohne es zu sein, der andere meint fortwährend, endlich stärker werden zu müssen, dabei ist er es schon längst. Wo seine wahre Stärke liegt, bringt mancher niemals in Erfahrung, andere halten sie für eine vermeintliche Schwäche. Im fairen Zweikampf zeigt sich schnell, wer von beiden der Stärkere ist, obwohl er auch deswegen unterliegen kann. Den anderen gewinnen zu lassen – darin liegt eine besondere Stärke, die nicht von jedem als solche empfunden wird. Als allgemein anerkannt gelten in Sportlerkreisen die Muskelmasse und andere messbare Leistungen, dabei kann die Ausdauer für den Erfolg ebenso entscheidend sein oder kluges Taktieren und die Zurückhaltung aus Gründen der Vernunft. Wer wild drauflos powert, rennt schnell vor die Wand und erspart sich damit den Jubel über den gegnerischen Sieg. Was stark ist und was schwach, liegt im Ermessen des Betrachters. Bei der eigenen Beurteilung kommt es darauf an, die vorhandenen Anlagen maximal zu nutzen. Doch vorerst gilt es, sie erst einmal zu entdecken. Mitunter ist der Blick verstellt.
Spektakuläre Erfolge beeindrucken schwer, es fragt nicht nur, welche Opfer dafür zu bringen sind. Die Reduzierung von Kohlenhydraten bei der Nahrungsaufnahme ist fraglos ein Mittel dafür, Gewicht zu verlieren, doch der zu zahlende Preis ist hoch. Wer abnehmen will, muss nicht zwangsläufig hungern, es ist nur ein Gefühl, das sich währenddessen leicht vertreiben lässt. Wird hier vorgegaukelt, was tatsächlich nicht erreicht werden kann? Die Low Carb Diät hat fast ebenso viele Befürworter gefunden wie kritische Stimmen auf den Plan gerufen, sie widersprechen einander in wesentlichen Punkten. Doch selbst ernst zu nehmende Warnungen werden schnell in den Wind geschlagen, wenn Überragendes die Aufmerksamkeit fesselt, noch dazu, wenn es sich ansprechend präsentiert. 18 Kilo weniger, die man nicht mehr mit sich herumschleppen muss, innerhalb kürzester Zeit – das versetzt manchen dermaßen in Erstaunen, dass er alle Vernunft fahren lässt und sich begierig darauf stürzt. Angesichts der offensichtlichen Umstrittenheit einer womöglich bedenklichen Methode hilft das aber wenig. Ratsam ist es, sich auf die Fakten zu konzentrieren, anstatt dem schönen Schein und seiner blendenden Wirkung unreflektiert zu erliegen. Unliebsame Auswirkungen, die kaum noch rückgängig zu machen sind, sollten tunlichst vermieden werden. Auf dem Spiel steht die Gesundheit.
Ganz klassisch kommt daher, was gegen ein Verbot aufbegehren wollte. Mit einem seiner früheren Werke war der Philosoph vor der erhöhten Warte einer Hamburger Kanzel derart in Ungnade gefallen, dass entscheidende Passagen nicht veröffentlicht werden durften. Im Grunde deshalb betritt Nathan als reicher Kaufmann aus Jerusalem die Bühne. Sein Erscheinen soll zur Aufklärung von etwas beitragen, das von anderer Seite her im Dunkeln zu halten war. Der weise Nathan ist Lessings Spätwerk, es ist an Reife nicht zu überbieten, Kernstück die Suche nach der einzig seligmachenden Religion. Die Frage kristallisiert in der berühmt gewordenen Ringparabel, umringt von bewährten Elementen der Dramatik. Dazu zählen neben seinem Aufbau in fünf Akten Rhetorisches, Sprecher, die sich abwechseln und abgebrochene Sätze. Stellenweise zu lustig, um eine Tragödie zu sein, andererseits aber zu versöhnlich, um einen tragischen Ausgang nehmen zu können, wird hierin der Zeitraum des Waffenstillstands während des Dritten Kreuzzugs einen besonderen Sinn ergebend erhellt und auf seine Bedeutung für die weitere Entwicklung hin abgeklopft. Es ist ein Lehrstück, das sich Grundsatzfragen widmet, zugleich ein flammendes Plädoyer dafür, bestehende Gräben zuzuschütten und Mauern einzureißen, an denen mancher sein gewaltsames Ende fand, weil er sich zu seinem Glauben bekannte.