Gezaubert wird hier auch, doch unter anderen Umständen. Es sind wiederum die Anfänge der Industrialisierung, die Charles Dickens dazu veranlassen, etwas Licht in dieses finstere Zeitalter zu bringen. Schule und Gefängnis sind kaum voneinander zu unterscheiden, der böse Stiefvater trübt das junge Glück zu dritt derart, dass er die Mutter quält, bis sie ihre Lebensgeister aufgibt. Doch erst einmal mischt sich zur Geisterstunde ein erstes, schon deutlich vernehmbares Babygeschrei unter die voluminösen Glockenklänge, dem ein illustres Figurenkabinett im Laufe seines Lebens begegnen soll. David hält durch, was immer auch geschieht, und steht am Ende als Sieger da. Doch der Weg dahin ist lang und mit spitzen Steinen gepflastert – ein einziger Aufschrei, der dem Autor selbst entfahren sein könnte. Dickens hat viel von sich selbst mitgeteilt, wobei freilich nicht alles auf die Goldwaage zu legen ist. Ganz so drastisch kann es im wahren Leben gar nicht zugehen, auch so berührend und mitreißend nicht, in der Rückschau verklärt sich doch manches, und Zuschauer haben ohnehin ihre eigene Perspektive. Sie können nicht eingreifen, wenngleich sie das wohl gerne täten. Da möchte man die Stimme erheben und beizeiten einschreiten, um das Schlimmste zu verhindern. Ersteres ist auch erlaubt, alles andere unmöglich.
Wenn Platons Politik macht, wird daraus die Theorie des idealen Staatsgebildes, wobei der Umgang mit Gerechtigkeit im Mittelpunkt steht. Sein Werk Politeia, auch als der Staat in Bücherform gehandelt, zielt in der lateinischen Übersetzung des Titels auf die Belange der Öffentlichkeit ab. Die umfangreichen Überlegungen sind insofern in eine literarische Gestalt gekleidet, als seine beiden Brüder und sein Lehrer Sokrates als Redner auftreten, die gelegentliche Zwischenrufe dulden, der Großteil des versammelten Publikums aber schweigt. Sobald die Philosophie sich in die Politik einmischt, kann es schwierig werden, nichtsdestoweniger aber sehr nachhaltig sein. Noch im vergangenen Jahrhundert stritten sich engagierte Theoretiker darüber, ob Begriffe wie Feminismus, Totalitarismus und Kommunismus in Platons Dialogen ihren Ursprung finden könnten. Marxisten zogen Platons Konzept in Zweifel, auch Sozialisten und Liberale. Zu bemängeln ist für viele die erkennbare Polemik, darüber hinaus steht der Wirklichkeitsbezug in der Kritik.
Sie sind sein Erstling als Dramatiker und hatten gleich überragenden Erfolg, der alles nach ihm Kommende in seinen Schatten stellen sollte. Ist das heute auch noch so? Sofern von Terrorismus die Rede ist und nicht von einer Ideologie, sondern vom Idealismus, schon. Wenn Macht missbraucht wird, ist das beste Mittel dagegen nicht unbedingt die Auswanderung, solange das noch möglich ist, es lässt sich auch dann die Initiative ergreifen, wenn man im Lande bleibt. Doch anstatt todesmutig auf die Barrikaden zu gehen, kann Übles durchaus kunstvoll verarbeitet sein und aufbereitet werden. Es muss nicht gleich zum Amoklaufen führen, was einem sauer aufstößt, da sind uns die Kölsche Jeck schon lieber. Viele junge Leute können Schillers Räubern wenig abgewinnen, dagegen hilft auch nicht, dass er bei seiner Kreation in ihrem Alter war. Sie haben ihre eigenen Probleme damit, sich der Freiheit anzunähern, und dass sie eins der höchsten Güter ist, begreift man oft erst dann, wenn man sie verloren hat. Für etwas frei zu sein, heißt nicht, dass man sich von allen Zwängen lösen müsste; die rudimentäre Familie ist zu allen Zeiten aktuell, es fragt sich, was man daraus macht. Nicht schaden kann es, Defizite aus der Kindheit später wettzumachen.
Du bist wie ein offenes Buch – wer das von sich sagen hört, muss nicht unbedingt begeistert sein. Jeder mit einem ausreichenden Gespür dafür kann sehen, wie man sich fühlt, spontane Reaktionen sind gut erkennbar, auch wenn sie vielleicht besser unterblieben wären. Wer seine Mimik nicht im Griff hat, sieht sich schonungslos der Umwelt ausgeliefert, macht aber einen ehrlichen und warmherzigen Eindruck. Andere bemühen sich krampfhaft, ihrem Gegenüber keinerlei Anhaltspunkte über ihr bewegtes Gefühlsleben zu liefern, doch können sie mit dieser Absicht auch scheitern. Wer jemanden gut kennt, weiß schon, was derjenige denkt, ohne dass es ausgesprochen werden müsste. Bei Fremden fallen Einschätzungen dieser Art wesentlich schwerer, dennoch gibt es eine ganze Reihe typischer Verhaltensweisen, die keinen Zweifel aufkommen lassen. Zu leicht verrät man sich, auch wenn man das nicht möchte, sofern der Gesprächspartner oder ein unbeteiligter Zuschauer die Signale der Körpersprache zu deuten versteht. Das ist längst nicht so kompliziert, wie man meinen könnte, das Grundwissen ist schnell vermittelt. Dabei lernt man, seine Antennen darauf auszurichten und wichtige Botschaften aufzuschnappen, die einem sonst wohl entgehen würden. Mancher begreift von Natur aus, was Haltungen ausdrücken, andere müssen sich dieses Wissen mühsam aneignen, weil sie selbst unsicher sind.
Gemüse ist gesund, das weiß doch jedes Kind. Was ihm damit aber sonst noch aufgetischt wird, sollte ihm weniger gut bekommen. Dass Feldfrüchte einer Frischekur unterzogen werden, wenn sie zum Verkauf stehen, war ja schon immer so. Früher hat man sich jedoch manches Mal mit Wasser begnügt, anstatt zu noch mehr Chemikalien zu greifen. Sie sind von der Schale meist nicht mehr zu entfernen, es sei denn, man schmeißt sie weg. Und unmittelbar darunter sitzt doch oft das Beste. Wer Zitronenschalen mit verkochen möchte, kann gar in arge Gewissensnöte geraten. Wie unbespritzt Biogemüse wirklich ist, avanciert zu einer Glaubensfrage, doch die im Zweifelsfall konsumierte Dosis wird den nicht immer nachvollziehbar festgelegten Grenzwert schon nicht überschreiten. Ebenso wie die damit behandelten Pflanzen entwickelt auch der Mensch auf Dauer eine beachtliche Resistenz gegen Pestizide und anderes Unkraut, zumal dann, wenn das vermeintliche Allheilmittel oft genug gewechselt wird. Was nicht allzu schwerfällt angesichts der großen Auswahl, andererseits sind Großbestellungen aber günstiger. Und je weiter weg unser Gesundheitscocktail gemixt wird, desto ungewisser scheint die Wirksamkeit der Überwachungsmechanismen zu sein. Da empfiehlt es sich doch, in der heimischen Region Angebautes einzukaufen, was auch nicht immer daher stammen muss.
Elon Musk hat wesentlich mehr erreicht, als andere jemals für sich verbuchen können. Der US-amerikanische Unternehmer, der vorwiegend außergewöhnliche Wege geht, hat bereits acht Milliarden angehäuft und ist noch längst nicht am Endpunkt angelangt. Mit PayPal machte er Furore, jetzt greift er nach den Sternen. Musk steht kurz vor dem Start zu seiner ganz persönlichen Mars-Mission, doch das kann ihn nicht davon abhalten, mit beiden Beinen fest auf Mutter Erde zu stehen, um sie musikalisch erzittern zu lassen. Hat er durch die revolutionäre Entwicklung von Tesla schon die Autoproduktion auf den Kopf stellen können, versucht er es jetzt mit eindringlichen Tönen. Was man bislang von ihm gewöhnt ist, lässt erwarten, dass es damit, wenn überhaupt, ein sehr überraschendes Ende nehmen wird. Denn im Prinzip rollt immer weiter, was er erst einmal angestoßen hat, und so wird es auch mit seinen neuen Rhythmen sein. Ashley Vance, einem der führenden Wirtschaftsjournalisten in Amerika, hat der Selfmademan ein Exklusiv-Interview gewährt, das zusammengenommen mehrere Tage Zeit in Anspruch genommen hat. Vance führte außerdem rund 200 Einzelgespräche im Familienkreis und mit denen, die Musk beim Erreichen seiner Ziele zur Hand gehen. Herausgekommen ist ein umfassendes Porträt von jemandem, der in keine Schublade passt.
Wie es zu Ende gehen sollte, weiß man nicht so genau, ebenso wenig, wann mit den Vorarbeiten begonnen worden ist. Büchners Woyzeck ist etwas Halbfertiges, es strebt nach individueller Vollendung. Das macht es umso spannender, sich damit auseinanderzusetzen. Woyzeck, der brave Soldat, muss seinem Hauptmann die tägliche Rasur angedeihen lassen und das mit der gebotenen Sorgfalt. Es mache sich nicht gut, mit Blessuren aufzutreten, sagt der, das spräche kaum für einen untadeligen Lebenswandel.
Ein Trend muss erst einmal entdeckt sein, bevor ihm viele folgen können. Er lässt sich zwar schmackhaft machen, doch über seine Beständigkeit entscheidet der überprüfbare Gehalt neuer Wunderdinge. Sie können ruhig unscheinbar sein und dafür eine umso größere Wirkungskraft entfalten. Nährstoffreichem könnte man unterstellen, dass es zum Abnehmen weniger geeignet ist, doch bei den Chiasamen ist das anders. Sie liefern eigentlich alles, was man so braucht, wenn man auf Wesentliches verzichten muss. Darin steckt viel mehr als einst gedacht, vor allem Überzeugungskraft. Wer sich mit ihnen eingelassen hat, kann kaum noch davon lassen.
Es ist ein Werk, das zu ein paar Dutzend Verfilmungen Anlass gab, zum ersten Mal 1907, zuletzt 2012 in der Musical-Version. Victor Hugo hat es in seinem Exil auf der Kanalinsel Guernsey verfasst, in idyllischer Abgeschiedenheit zum dramatischen Geschehen, es wurde auch unmittelbar nach Abschluss der Arbeiten verlegt. Und zwar dort, wo der Zentralpunkt dessen liegt, was hier so ergreifend zusammengestellt worden ist und seitdem seinen Siegesszug zum Aufwühlen der Gemüter rund um den Erdball angetreten hat. Unhaltbare Zustände im Zusammenhalt der französischen Gesellschaft im Zeitraum von der napoleonischen Epoche bis hin zum Wirken Louis Philippes, dem Bürgerkönig, werden darin geschildert. Es handelt sich um ein flammendes Plädoyer für mehr Menschlichkeit und auch dafür, eine Besserung herbeizuführen. Mit den Mitteln der Romantik geht der französische Dichter dabei vor, er kontrastiert das Elend Einzelner mit Entwicklungen, die dafür verantwortlich zu sein scheinen. Ausgangspunkt ist das Schicksal von einem, der von den anderen ausgegrenzt worden ist und dagegen aufbegehrt. Jean Valjean hat bald zwei Jahrzehnte im Kerker zugebracht, weil er ein Stück Brot genommen hatte und wiederholt versuchte, seiner Strafe zu entgehen. Er trug schwer an einer Schuld, deren Sühnung gravierend der Verhältnismäßigkeit entbehrt.
Ist das wieder peinlich! Der neue Kollege scheint vom Fußball nicht das Geringste zu verstehen. Da wäre wohl ein Grundkurs fällig, doch dafür reichen die knapp bemessenen Unterbrechungen der täglichen Routine kaum aus. Soll er doch erst mal seinen Einstand geben, dann sehen wir weiter. – Wie überbrückt man ein plötzlich auftretendes, bedrückendes Schweigen und lässt dabei keine Verlegenheit aufkommen? Die üblichen Floskeln sind schnell ausgetauscht, der Wetterbericht gibt auch nicht immer viel her, gemeinsame Interessen lassen sich auf Anhieb schlecht finden. Jetzt könnte ein Frontalangriff helfen, manche bringen es zu wahrer Meisterschaft darin. Sie plaudern drauflos, was das Zeug hält, und machen einen Scherz daraus, wenn sie ins Fettnäpfchen treten. Es ist freilich eine undankbare Rolle, die sie damit übernehmen, dass sie derart in die Bresche springen. Zwar wird ihr Einsatz mit einem Lächeln quittiert, doch später tuschelt man hinter vorgehaltener Hand über sie. Ein wenig mehr Reserviertheit könnte ja auch nicht schaden, meinen die, denen es schwerfällt, über ihren Schatten zu springen.