Detektiv Dagobert. Balduin Groller

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Название Detektiv Dagobert
Автор произведения Balduin Groller
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783962818814



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was han­delt es sich? frag­te er.

      Sie ha­ben da einen jun­gen Mann im Kon­tor, er­wi­der­te ich, – na, wie heißt er doch nur? Ich habe so ein scheuß­li­ches Na­mens­ge­dächt­nis! Tut üb­ri­gens nichts; wer­de schon drauf­kom­men. Also ein auf­fal­lend großer jun­ger Mann mit lie­bens­wür­di­gen Ma­nie­ren – sonst hät­te er Ih­nen nicht ge­fal­len, mei­ne Gnä­digs­te –, mit ei­nem schö­nen schwar­zen Bart und gu­ten Zäh­nen. Abends bringt er ge­wöhn­lich dem Chef –

      Ach, das ist ja un­ser Se­kre­tär Som­mer! un­ter­brach mich der Di­rek­tor.

      Som­mer, na­tür­lich Som­mer! Dass mir der Name ent­fal­len konn­te! Se­hen Sie, lie­ber Di­rek­tor, Som­mer ist ja ein ganz be­gab­ter Mensch, aber er ist in der Kanz­lei, bei der Kor­re­spon­denz nicht am rich­ti­gen Plat­ze. Es fehlt die letz­te Ge­nau­ig­keit und Ex­akt­heit bei der Ar­beit. Da­ge­gen müss­te er sich vor­treff­lich ver­wen­den las­sen für den Ver­kehr mit den Par­tei­en. Ich weiß, dass Sie schon ge­rau­me Zeit nach ei­ner ge­eig­ne­ten Per­sön­lich­keit su­chen zur Lei­tung der Ver­kaufs­fi­lia­le in Graz. Wäre das nichts für Som­mer?

      Der Di­rek­tor schlug sich mit der Hand auf die Stir­ne.

      Don­ner­wet­ter, das ist eine Idee! Da su­chen wir uns die Au­gen aus dem Kop­fe und ha­ben den Mann in nächs­ter Nähe! Na­tür­lich ist Som­mer wie ge­schaf­fen da­für! Sie üben da nicht Pro­tek­ti­on an ihm, son­dern er­wei­sen uns einen Dienst mit Ihrem Vor­schlag. Er geht nach Graz. Die Sa­che ist ab­ge­macht.

      »Sie se­hen, mei­ne Gnä­digs­te, ich war glück­lich ge­nug, ein we­nig Vor­se­hung spie­len zu kön­nen.«

      »Aber Da­go­bert, wie konn­ten Sie die Be­haup­tung ris­kie­ren, dass der jun­ge Mensch nicht fürs Büro tau­ge?«

      »Da war nichts ris­kiert da­bei. Ich ver­ließ mich auf mein biss­chen Psy­cho­lo­gie. Der rich­ti­ge Bü­ro­mensch ist im­mer mehr oder min­der – bis zu ei­nem ge­wis­sen Gra­de – Pe­dant. Er wird es durch sei­ne Be­schäf­ti­gung, die un­aus­ge­setz­te mi­nu­zi­öse Ge­nau­ig­keit er­for­dert. Ein Pe­dant ist un­ser Freund nicht. Der rich­ti­ge Bü­ro­mensch beißt die Spit­zen der Zi­gar­ren nicht mit den Zäh­nen her­un­ter, son­dern er schnei­det sie säu­ber­lich ab mit dem Fe­der­mes­ser oder mit ei­ner be­son­de­ren Ma­schi­ne­rie, die er si­cher bei sich trägt, wenn er Zi­gar­ren­rau­cher ist. Und noch et­was tut der rich­ti­ge Bü­ro­mensch nicht. Er legt Zi­gar­ren­stum­mel nicht auf Mar­mor­ka­mi­ne. Er be­müht sich viel­mehr zum Aschen­be­cher und de­po­niert den Rest dort, im­mer be­strebt, dar­auf zu ach­ten, dass nicht et­was von der Asche da­ne­ben gehe. Un­ser sorg­lo­ser jun­ger Freund, der es mit ei­nem Zi­gar­ren­stum­mel nicht so ge­nau nimmt, wird es wahr­schein­lich auch mit der Bü­ro­ar­beit nicht gar zu ge­nau neh­men. Er hat’s nicht in sich!«

      »Und dar­aus ha­ben Sie dann gleich ge­schlos­sen, dass er der rich­ti­ge Mann für den Par­tei­en­ver­kehr ist?«

      »Nicht nur dar­aus, son­dern auch aus der Be­vor­zu­gung, die Sie ihm ha­ben zu­teil wer­den las­sen, mei­ne Gnä­digs­te. Er muss ein sehr an­ge­neh­mes Mund­werk ha­ben, wird wohl auch ein klei­ner Schwe­re­nö­ter sein. Das al­les ist ganz vor­treff­lich, wenn man mit der Kund­schaft in per­sön­li­che Berüh­rung zu tre­ten hat.«

      »Ei­nes müs­sen Sie mir noch auf­klä­ren, Da­go­bert. Sie ha­ben sich be­müht, den jun­gen Mann weg­zu­brin­gen, weil Sie um mei­ne Tu­gend be­sorgt wa­ren?«

      »Aber, Frau Vio­let! Sie wis­sen doch, wel­ches Ver­trau­en ich in Sie set­ze! Da ich aber wuss­te, dass die ab­gän­gi­gen Zi­gar­ren durch Ihre Hän­de ge­gan­gen wa­ren, und Sie dar­aus Ihrem Man­ne ge­gen­über ein Ge­heim­nis mach­ten, muss­te der Rau­cher not­wen­di­ger­wei­se ver­schwin­den. Das muss­te sein!«

      »Ein Ge­heim­nis! Da steckt ja die Un­ge­schick­lich­keit von mir. Ich hat­te es mei­nem Man­ne nicht gleich ge­sagt; hat­te nicht dar­an ge­dacht, und als er dann eine Af­fä­re dar­aus mach­te, da wäre es so merk­wür­dig her­aus­ge­kom­men. Es wäre mir pein­lich ge­we­sen.«

      »Gera­de­so habe ich es auf­ge­fasst, gnä­di­ge Frau … Für mich dürf­te üb­ri­gens der Wa­gen vor­ge­fah­ren sein. Soll­te der jun­ge Mann noch kom­men, sich zu ver­ab­schie­den, dann bie­ten Sie ihm zur Ab­wechs­lung eine Zi­gar­re von ei­ner an­de­ren Sor­te an, und dann wird die­se wich­ti­ge Af­fä­re für alle Zeit er­le­digt sein.«

      An­dre­as Grum­bach hat­te ei­gent­lich im­mer ein recht zu­rück­ge­zo­ge­nes Le­ben ge­führt. Sei­ne Ehe mit der Schau­spie­le­rin Moor­lank hat­te sich, ent­ge­gen der ur­sprüng­li­chen An­nah­me der ab­ra­ten­den Freun­de, zu ei­ner durch­aus un­ge­trüb­ten und glück­li­chen ge­stal­tet. Die blon­de Frau Vio­let führ­te das Haus­we­sen mit ta­del­lo­ser Sorg­falt und Ge­schick­lich­keit, und Grum­bach fühl­te sich zu Hau­se so wohl, dass er an be­son­de­re ge­sell­schaft­li­che Zer­streu­un­gen gar nicht dach­te, ob­schon viel­leicht Frau Vio­let nicht ab­ge­neigt ge­we­sen wäre. Sie war aber zu klug, da auf Än­de­run­gen zu drin­gen, wo oh­ne­dies al­les zu all­sei­ti­ger Be­frie­di­gung sich ab­wi­ckel­te.

      Tags­über hat­te Grum­bach ge­nug zu ar­bei­ten, und da war es ihm doch am liebs­ten, wenn er die Aben­de in sei­nem Heim ver­brin­gen konn­te, das ihm Frau Vio­let mit al­ler Um­sicht, mit Takt und Ge­schmack ganz in sei­nem Sin­ne ein­ge­rich­tet hat­te. Ein­mal in der Wo­che be­such­te er sei­nen Klub, das war er sich schul­dig; und für einen Abend in der Wo­che hat­te er eine Loge in der Oper, das war er Frau Vio­let schul­dig. Sonst aber blie­ben sie fein zu Hau­se, wo es nach sei­ner Auf­fas­sung doch am schöns­ten war.

      Gäs­te sa­hen sie sel­ten bei sich. Da­go­bert Trost­ler, der ge­dien­te Le­be­mann, der im ru­hi­gen Ge­nus­se sei­ner Ren­ten jetzt nur noch sei­nen Lieb­ha­be­rei­en leb­te, der zähl­te kaum mit. Er konn­te kom­men und ge­hen, wann er woll­te. Man war auf den al­ten Freund des Hau­ses im­mer vor­be­rei­tet, und er ge­hör­te so­zu­sa­gen zum Hau­se. Sei­ne großen Pas­sio­nen wur­den ja viel­fach be­lä­chelt, aber er war zu sehr Phi­lo­soph, um sich das son­der­lich an­fech­ten zu las­sen.

      Für Grum­bachs war er ge­ra­de­zu un­ent­behr­lich ge­wor­den, schon durch die Macht der Ge­wohn­heit; aber auch sonst. Er war ein treu­er und sorg­li­cher Freund, auf den man sich in al­len Le­bens­la­gen un­be­dingt ver­las­sen kann­te. Er war aber auch der Mitt­ler für die Au­ßen­welt; er brach­te die Neu­ig­kei­ten des Ta­ges ins Haus, sorg­te da­für, dass man in Sa­chen der Kunst aus dem lau­fen­den blieb und wuss­te in ei­nem­fort al­ler­lei Räu­ber­ro­ma­ne und Kri­mi­nal­ge­schich­ten zu er­zäh­len, bei de­nen man sich auch ganz gut un­ter­hal­ten konn­te.

      Die­ses Idyll hat­te aber nun ein Ende ge­fun­den, und Grum­bachs wur­den mit ei­nem Male hin­ein­ge­ris­sen in den Wir­bel des ge­sell­schaft­li­chen Le­bens der Reichs­haupt- und Re­si­denz­stadt, sehr ge­gen die Nei­gung des Man­nes, nicht so auch ge­gen die von Frau Vio­let, die da fand, dass sie nun erst die Rol­le spie­le, die ihr ei­gent­lich und von Rechts we­gen schon lan­ge ge­bührt hät­te.

      Das war so ge­kom­men: Frei­herr Fried­rich von Eichs­tedt, der Chef der alt­be­rühm­ten Fir­ma Eichs­tedt & Rausch, war der ei­gent­li­che Be­grün­der des Klubs der In­dus­tri­el­len