Die Klinik am See Jubiläumsbox 4 – Arztroman. Britta Winckler

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Название Die Klinik am See Jubiläumsbox 4 – Arztroman
Автор произведения Britta Winckler
Жанр Языкознание
Серия Die Klinik am See Box
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783740931711



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Hoff versprach, ihrem Mann sofort Bescheid zukommen zu lassen.

      »Danke.« Dr. Köhler seufzte verhalten und wählte die Nummer des Chefarztes. Wieder hatte er insofern Pech, als sich nicht Dr. Lindau meldete, sondern seine Tochter, die Leiterin der Kinderstation. »Bei Dr. Lindau, Astrid Mertens am Apparat …«

      »Frau Kollegin, wir haben einen Notfall eben eingeliefert bekommen«, berichtete Dr. Köhler der Kinderärztin. »Ich brauche den Chef.« Mit wenigen Worten erklärte er.

      »Tut mir leid, aber mein Vater ist nicht da«, erwiderte Astrid und sah auf die Uhr. Sie war schon im Bett gewesen, als der Anruf kam. »Ich werde aber versuchen, ob ich ihn erreichen kann«, gab sie Dr. Köhler zu verstehen.

      »Bitte tun Sie das!«, bat der aufgeregt. »Es ist wirklich dringend, und ich selbst fühle mich in diesem Fall überfordert.«

      »Ich tue, was ich kann, Herr Köhler«, versicherte sie und legte mit einem leisen Gruß auf. Was aber konnte sie wirklich tun? Wie und wo konnte sie jetzt, da es schon langsam auf Mitternacht zuging, ihren Vater erreichen? Sie wusste nur, dass er nach der Oper mit Frau Helbrecht irgendwo essen wollte. Aber wo?

      »Was ist denn, Liebling? Wer hat angerufen? Die Klinik?« Es war Alexander Mertens, der das fragte und vom Bett aus durch die offen stehende Schlafzimmertür zu seiner Frau hinsah.

      »Ja, es war die Klinik – Dr. Köhler«, antwortete Astrid und berichtete mit wenigen Worten. »Wo soll ich Papa jetzt finden?«, fügte sie fragend hinzu. »Ob er mit der Konsulswitwe noch in irgendeinem Restaurant sitzt?«

      »Na, vielleicht ist er bei ihr zu Hause«, meinte Alexander lächelnd. Es sollte ein Scherz sein.

      Astrid stutzte. »Gar nicht so verkehrt gedacht, mein Lieber«, stieß sie hervor. »Wie ich die Dame einschätze, ist das gar nicht so unwahrscheinlich. Paps hat sie nach Hause fahren müssen, und da wäre es eigentlich durchaus denkbar, dass er von ihr noch zu einem Drink eingeladen wurde. Ja, so könnte es sein. Ich versuche es …«

      »Was denn?«, fragte Alexander erstaunt.

      »Ich werde bei Frau Helbrecht anrufen«, erklärte Astrid und griff auch schon nach dem Telefonbuch. Hastig blätterte sie darin. Sekunden später fand sie tatsächlich das, was sie suchte – die Telefonnummer von Katharina Helbrecht.

      »Das ist sie«, murmelte sie und wählte auch schon die Anschlussnummer.

      *

      Ein wirklich angenehmer und genussreicher Abend lag hinter Dr. Lindau. Das gestand er sich ehrlich ein. Die gelungene La Traviata-Aufführung hatte ihn sogar vorübergehend vergessen lassen, dass die attraktive Katharina es auf ihn abgesehen hatte. Ihr bisheriges Verhalten ihm gegenüber war jedenfalls danach gewesen. Mit Zufriedenheit hatte er aber registriert, dass sie während des ganzen Abends – weder während der Opernaufführung noch in dem Restaurant, in dem sie nach der Oper gegessen hatten – mehr als die charmant plaudernde Gesellschafterin gewesen war und keinerlei Anstalten einer Annäherung gemacht hatte. Sollte er sich etwa geirrt haben? War seine Skepsis unbegründet gewesen? Jedenfalls hatte er es nicht bereut, die Einladung angenommen zu haben. Irgendwie fühlte er sich innerlich gelöst.

      Dass Katharina ihre Absicht, den Chefarzt der Klinik am See für sich zu gewinnen, keineswegs aufgegeben hatte, wusste er natürlich nicht. Katharina war klug genug, um zu erkennen, dass man bei Dr. Lindau nicht mit der Tür ins Haus fallen durfte. Drei Dinge erschienen ihr zur Erreichung ihres Zieles wichtig zu sein – der richtige Zeitpunkt in der richtigen Umgebung in der richtigen Stimmung. Deshalb hatte sie sich auch während des ganzen Abends zurückgehalten und ihre Gefühle für Hendrik Lindau etwas gebremst.

      Das wiederum hatte bei Dr. Lindau zur Folge, dass er nicht ablehnte, als er nach der Heimfahrt von Katharina noch zu einem abschließenden Drink in ihr Haus gebeten wurde.

      »Fühlen Sie sich wie zu Hause, Hendrik!«, hatte sie gleich nach dem Betreten des Hauses lächelnd gesagt. »Ich kleide mich nur rasch etwas um und bin gleich wieder zurück.«

      Vor wenigen Minuten war das gewesen.

      Nun stand sie wieder vor Dr. Lindau. Statt des Abendkleides trug sie jetzt ein raffiniert geschnittenes Hauskleid.

      »Ich habe eine Flasche Sekt kaltgestellt.« Katharina reichte Dr. Lindau die Flasche. »Wollen Sie sie bitte aufmachen?«, bat sie.

      Dr. Lindau schluckte. Unwillkürlich versteifte er sich ein wenig, und in seinem Innern meldete sich wieder eine Stimme, die ihn zur Vorsicht riet.

      Geschickt öffnete er die Flasche aber und schenkte die beiden Gläser voll, die ihm Katharina hinhielt.

      »Also dann …« Katharina trat dicht vor Hendrik Lindau hin und stieß mit seinem Glas an. »Trinken wir auf …« Fragend sah sie den Arzt an. »Ja, auf was eigentlich?«

      Dr. Lindau zwang sich zu einem Lächeln. »Ich würde sagen, auf den schönen Abend, den wir hinter uns haben, und ich möchte mich dabei gleichzeitig dafür bedanken«, erwiderte er.

      »Einverstanden«, gab Katharina zurück, »aber auch auf …«, sie sah Dr. Lindau fest und tief in die Augen, »das, was wir lieben.«

      Leise klirrten die Gläser aneinander. Dr. Lindau wurde plötzlich warm. Die Nähe dieser Frau, ihr Duft und ihre verlangenden Blicke irritierten ihn. Ihr Gesicht kam dem seinen näher, und ihre Hand legte sich auf seine Schulter.

      »Hendrik, es war ein schöner Abend«, flüsterte Katharina, »und ich wünsche mir, dass noch viele solcher Abende …« Sie sprach nicht weiter, denn in diesem Augenblick läutete das Telefon. Sie zuckte zusammen. Über ihrer Nasenwurzel bildete sich eine kleine Unmutsfalte. Ausgerechnet jetzt, wo sie sich schon fast am Ziel ihrer Wünsche glaubte, musste jemand anrufen. Wer konnte das sein? Rolf etwa? Oder Alice, ihre Tochter? Wer auch immer es sein mochte – sie hatte keine Lust, sich zu melden.

      Doch da läutete es schon wieder und es klang irgendwie fordernd.

      »Das Telefon«, sagte Dr. Lindau. »Wollen Sie nicht rangehen?«

      »Wozu?«, gab Katharina zurück. »Ich bin einfach nicht zu Hause.«

      »Es könnte aber vielleicht wichtig sein«, wandte Dr. Lindau ein. »Ein Anruf zu dieser Zeit …«

      »Ja, schon gut, Hendrik«, fiel Katharina ihrem Gast unwillig ins Wort. Sie spürte, dass die romantische Stimmung dahin war, ging zum Telefon und meldete sich. Sekundenlang lauschte sie und hielt dann Dr. Lindau den Hörer hin. »Für Sie, Hendrik«, stieß sie hervor. »Es ist Ihre Tochter.«

      »Meine Tochter?« Nichts Gutes ahnend griff Dr. Lindau nach dem Hörer und meldete sich. »Astrid, was ist los? Ist etwas geschehen?«, fragte er. Was er in der nächsten Minute zu hören bekam, gab seinen Zügen einen gespannten, aber auch entschlossenen Ausdruck. »Danke, Astrid«, beendete er das kurze Gespräch. »Ruf in der Klinik an und gib Bescheid, dass ich sofort losfahre! In spätestens zwanzig Minuten bin ich dort. Köhler soll Dr. Hoff kommen lassen und OP-Alarm geben.« Beinahe sanft legte er den Hörer auf und wandte sich an Katharina. »Ich muss sofort in die Klinik, Katharina«, sagte er. »Tut mir leid, aber ein Notfall wurde eingeliefert, und wir müssen schnellstens operieren.«

      »Aber …, aber …«, stotterte die Dame des Hauses fassungslos, »… Sie können mich jetzt doch nicht allein lassen.«

      »Ich muss«, betonte Dr. Lindau. »Oder haben Sie vergessen, dass ich Arzt bin?«

      Katharina wollte noch etwas sagen, aber da schloss sich schon die Tür hinter Dr. Lindau. Sekunden später vernahm sie das Geräusch des abfahrenden Wagens. Wütend starrte sie die Sektflasche und die beiden Gläser an. Unbeherrscht griff sie nach einem Glas und warf es an die Wand. Mit leisem Klirren zerbrach es, und die Scherben fielen auf den Teppich.

      *

      Fast zur gleichen Minute wie Dr. Lindau traf auch Dr. Hoff in der Klinik ein. Im Operationssaal ließen sie sich von Dr. Köhler kurz berichten und sahen sich die Röntgenaufnahmen an.

      »Sieht nicht gut aus«, meinte Dr. Lindau. »Wir