Die Klinik am See Jubiläumsbox 4 – Arztroman. Britta Winckler

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Название Die Klinik am See Jubiläumsbox 4 – Arztroman
Автор произведения Britta Winckler
Жанр Языкознание
Серия Die Klinik am See Box
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783740931711



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Patientinnen. Der Vormittag verging mit den verschiedensten Untersuchungen, die Dr. Lindau zusammen mit Dr. Reichel und mit Dr. Bernau vornahm.

      Er war richtiggehend erleichtert, als der Arbeitstag vorüber war und er an die Heimfahrt denken konnte. Der vergangene Tag hatte ihn doch ein wenig ermattet.

      »Sie können dann auch Feierabend machen, Frau Stäuber«, rief er seiner Sekretärin zu, als er eine halbe Stunde später an ihr vorbeiging und bald darauf die Klinik verließ und nach Hause fuhr. An diesem Abend hielt er sich auch nicht sehr lange in der Wohnung seiner Tochter und seines Schwiegersohnes auf. Er nahm nur einen kleinen Imbiss zu sich und zog sich dann zurück.

      »Paps braucht wirklich etwas Abwechslung«, sagte Astrid zu ihrem Mann. Sie hatte ihm von der Einladung der Konsulswitwe erzählt und freute sich, dass er ihre Ansicht teilte.

      »Da kommt ein Opernbesuch mit anschließendem Essen gerade recht«, gab Alexander Mertens zurück. »Und das noch dazu mit einer schönen Frau«, fügte er feixend hinzu.

      »Kennst du sie denn?« Forschend sah Astrid ihren Mann an.

      »Nein …«

      »Woher weißt du dann, dass sie schön ist?«, bohrte Astrid weiter.

      »Von dir, mein Schatz«, erwiderte Dr. Mertens lächelnd. »Du hast es mir erzählt. Ich an Vaters Stelle würde eine solche Einladung nur zu gern annehmen.«

      Astrid funkelte ihren Mann an. »Erstens bist du nicht an Vaters Stelle, und zweitens würde ich mir verbitten, dass du dich von anderen Frauen einladen lässt.«

      »Aber, aber, mein Liebes …« Alexander Mertens schmunzelte. »Du bist doch nicht etwa eifersüchtig?«

      »Bin ich nicht«, gab Astrid mit blitzenden Augen zurück, »sondern nur vorsichtig.«

      Alexander gab keine Antwort. Er nahm nur seine Frau in die Arme und küsste sie zärtlich. »Ich habe ja Einladungen von anderer Seite gar nicht nötig«, flüsterte er dann seiner hübschen Frau ins Ohr. »Ich habe ja dich.« Sanft strich er Astrid über das Haar. »Heute gehen wir aber etwas früher zu Bett«, sagte er mit leiser Stimme.

      »Soll ich das nun auch als eine Art Einladung auffassen?«, fragte Astrid ebenso leise, und in ihre Augen trat ein samtener Glanz.

      Alexander nickte nur wortlos und zog seine geliebte Frau fest an sich.

      *

      Das gleißende Licht der Operationslampe trieb winzige Schweißperlen auf die Gesichter der beiden Operateure. Immer wieder musste Schwester Sylvia, eine der drei OP-Schwestern, die Stirn von Dr. Hoff und vom Chefarzt abtupfen.

      »Klammer …«

      »Tupfer …«

      »Ist geklammert …«

      »Schere …«

      »Tupfer …«

      Nur diese kurz hervorgestoßenen Worte der beiden Ärzte waren zu hören. Und das leise Klirren der in eine Ablageschale fallenden gebrauchten Instrumente.

      Dr. Lindau und Dr. Hoff arbeiteten Hand in Hand. Jeder wusste, was er zu tun hatte, und beide wussten, worum es in diesem Fall ging. Sie waren ein gut eingearbeitetes Team, das schon unzählige Operationen erfolgreich ausgeführt hatte. Bei ihnen gab es keine falsche Handbewegung und keine Unsicherheiten.

      »Das war knapp«, meinte Dr. Hoff, als er ebenso wie der Chefarzt nach gelungener Operation die Kleidung wechselte.

      »Das haben wir doch schon oft genug erlebt«, meinte Dr. Lindau und lächelte sparsam. Er wollte noch etwas hinzufügen, schluckte es aber hinunter, weil in diesem Augenblick das Telefon im Vorraum des OP läutete und er abhob.

      Es war seine Sekretärin, die ihm meldete, dass Frau Helbrecht ihn sprechen möchte. »Sind Sie erreichbar, oder soll ich …?«

      »Ich nehme an«, unterbrach Dr. Lindau die Sekretärin. »Stellen Sie bitte durch!«

      »Sofort …« Es knackte in der Leitung, und dann war die Stimme von Katharina Helbrecht zu hören.

      »Hallo, Dr. Lindau, ich bin es und möchte nur gern wie abgesprochen Ihre positive Antwort wissen. Ich hoffe doch sehr, dass Sie meine Einladung nicht ablehnen und mir keinen Korb geben.«

      Dr. Lindau schluckte. An seine früher Privatpatientin Katharina Helbrecht hatte er gar nicht mehr gedacht. Was noch schlimmer war – er hatte sich trotz des Zuredens seitens seiner Tochter noch nicht endgültig entscheiden können. Nun aber musste er sich entschließen. Ja oder nein?

      »Nun, was bekomme ich zu hören?«, fragte Katharina Helbrecht in das sekundenlange Schweigen hinein.

      Dr. Lindau wandte sich um zu Dr. Hoff. Der aber hatte sich bereits entfernt. »Tja, also«, setzte er zu einer Antwort an, während sich hinter seiner Stirn die Gedanken überschlugen, »… ich habe es mir überlegt, gnädige Frau. Weshalb sollte ich Ihre gut gemeinte Einladung nicht annehmen?«, fuhr er fragend fort und brauchte fast die gleichen Worte wie Astrid.

      »Sie sagen also ja? Das freut mich.« Man konnte auch tatsächlich die Freude aus den Worten heraushören.

      »Mich auch, gnädige Frau«, gab Dr. Lindau höflich zurück. Er wusste schließlich, was sich gehörte. Ganz sicher war er sich allerdings nicht, ob er sich wirklich über diesen bevorstehenden Samstagabend so sehr freute. Aber nun hatte er es gesagt. »Wann und wo darf ich Sie abholen?«, fragte er.

      »Ich würde sagen, morgen um achtzehn Uhr bei mir zu Hause«, kam die Antwort durch die Leitung. »Dann schaffen wir es gut bis zum Beginn der Oper. Sie wissen, wo ich wohne?«

      »Ich kenne Ihre Adresse, gnädige Frau, und werde schon hinfinden«, erwiderte Dr. Lindau.

      *

      Mit glänzenden Augen musterte Astrid Mertens am folgenden Samstagabend ihren Vater, der an diesem Tag die Klinik schon etwas früher verlassen hatte, weil er sich für den Abend noch ein wenig vorbereiten wollte. Da er annahm, dass es ein etwas längerer Abend sein würde, hatte er sich noch ein wenig hingelegt und war dabei tatsächlich eingenickt. Astrid hatte ihn kurz vor vier Uhr geweckt. Nun stand er vor seiner Tochter. Umgekleidet und fertig zur Abfahrt.

      »Du siehst fantastisch aus, Paps«, rief Astrid begeistert aus. »Der Smoking sitzt wie angegossen.«

      Dr. Lindau lächelte etwas gequält und überlegte, wann er diese festliche Kleidung das letzte Mal getragen hatte. Auf jeden Fall war es schon ziemlich lange her. Fast ebenso lange war es aber auch her, dass er sich einen Freizeitgenuss, wie es ein Opernbesuch nun einmal war, gegönnt hatte. »Ich kann mich also deiner Meinung nach durchaus in der Öffentlichkeit sehen lassen«, gab er scherzend zurück.

      »Das will ich meinen«, erwiderte Astrid mit Betonung. »Du bist der bestaussehendste Mann, und ich kann dir versichern, dass sogar jüngere Semester – ich meine weibliche – auf dich fliegen würden.«

      »Danke für die Blumen«, murmelte Dr. Lindau. Er wäre kein Mann gewesen, wenn er sich nicht über dieses Kompliment seiner Tochter gefreut hätte. Unwillkürlich registrierte er dabei aber auch noch eine andere gedämpfte Freude – nämlich die auf den vor ihm liegenden Abend. Ja, es war tatsächlich so, dass diese Freude auf den Opernbesuch seine noch bis zum vergangenen Tag vorhandene Skepsis gegenüber Katharina Helbrechts wirklichen Motiven für die Einladung überwand.

      »Wie ich Frau Helbrecht einschätze, wird sie sicher ziemlich stolz darauf sein, mit einem so gut aussehenden Mann, wie du es bist, in der Öffentlichkeit gesehen zu werden«, erklärte Astrid ihrem Vater.

      Der winkte verlegen ab. »Nun übertreibe nicht«, entgegnete er. Nach einem raschen Blick auf die Uhr setzte er hinzu: »Es wird Zeit zum Fahren, denn ich möchte nicht unpünktlich sein.«

      »Ich wünsche dir einen schönen Abend, Paps.« Astrid gab ihrem Vater einen Kuss auf die Wange und begleitete ihn bis vor die Haustür.

      »Wo ist eigentlich dein Mann?«, fragte Dr. Lindau noch, als er in seinen Wagen stieg.