Die Klinik am See Jubiläumsbox 4 – Arztroman. Britta Winckler

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Название Die Klinik am See Jubiläumsbox 4 – Arztroman
Автор произведения Britta Winckler
Жанр Языкознание
Серия Die Klinik am See Box
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783740931711



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      »Ursache?«, wandte sich Dr. Lindau fragend an Dr. Köhler.

      »Ich habe eine Commotio cerebri festgestellt«, antwortete der Gefragte. »Das Röntgenbild zeigt aber keine Blutungen oder Bruchstellungen. Ich vermute aber einen traumatischen Schock.«

      »Das scheint auch der Fall zu sein«, stieß Dr. Lindau hervor. »Die kühl-feuchte Haut und der kaum merkbare Puls …, ja, ja …«

      Aus dem Hintergrund tauchte plötzlich Anja Westphal, die Stellvertreterin des Chefarztes auf. Sie hatte die Bemerkungen der beiden Kollegen gehört. »Schlimm, wie?«, sagte sie.

      »Du auch hier?«, fragte Dr. Lindau verwundert.

      »Dr. Köhler hat mich verständigt, weil der Kollege Reichel nicht erreichbar ist«, erwiderte die Ärztin. »Ich übernehme also die Narkose.«

      »Ein riskantes Wagnis, Frau Kollegin«, wandte Dr. Hoff ein. »Sie wissen so gut wie ich, dass bei einem traumatischen Schock größte Vorsicht …«

      »Ich weiß, was Sie sagen wollen, Herr Hoff«, fiel die Ärztin dem Chirurgen energisch ins Wort. »Zu Ihrer Beruhigung – ich habe die Patientin vorher untersucht und bin der Meinung, dass wir es wagen können. Eine gleichzeitige Infusion wird uns dabei unterstützen.«

      »Du hast recht, Anja«, pflichtete Dr. Lindau seiner Stellvertreterin bei. »Wir müssen es sogar wagen, sonst stirbt uns die Patientin unter den Händen weg. Das Risiko einer Narkose ist nicht größer als das einer inneren Verblutung. Also …« Er sah Dr. Hoff, Anja Westphal und Dr. Köhler der Reihe nach auffordernd an, »… zögern wir nicht länger.«

      Dr. Hoff nickte nur und verließ mit Dr. Köhler den OP, um sich für den Eingriff umzukleiden.

      »In sechs Minuten, Anja«, rief Dr. Lindau der Ärztin zu und folgte den schon vorausgegangenen beiden Kollegen, während Anja Westphal sofort damit begann, die Narkose einzuleiten.

      Sie schaffte es auch in den geforderten sechs Minuten. Als die drei Ärzte, jetzt in OP-Kleidung, wieder im OP erschienen, konnte sie die Patientin zum Eingriff bereitmelden.

      Wenige Minuten nach Mitternacht begann die Operation. Etwas über eine Stunde dauerte sie. »Das war wirklich höchste Zeit«, stieß Dr. Lindau hervor. Anerkennend sah er Dr. Hoff an. »Gute Arbeit«, lobte er.

      »Danke, aber allein hätte ich es nicht geschafft«, wehrte er bescheiden ab. »Wie sieht es bei Ihnen aus, Frau Kollegin?«, fragte er die Ärztin.

      »Schwacher Kreislauf, aber stabil im Großen und Ganzen«, kam die Antwort.

      Dr. Lindau nickte zufrieden. »Die Patientin gehört dir«, rief er Anja Westphal zu. »Sie kommt auf die Intensivstation. Das weitere weißt du ja selber.«

      »Alles klar.« Anja Westphal gab den beiden OP-Schwestern einige Anweisungen, während die drei Ärzte den OP verließen, um sich wieder umzukleiden.

      Minuten später verließen sie den OP-Trakt und bald darauf auch die Klinik. Nur Dr. Lindau und Dr. Hoff natürlich, denn Dr. Köhler hatte ja noch Dienst bis zum Morgen.

      »Also dann …« Dr. Lindau verabschiedete sich mit einem Händedruck von Dr. Hoff und fuhr nach Hause – ebenso wie Dr. Hoff.

      Obwohl er leise das Doktorhaus betrat, wurde Dr. Lindau doch von seiner Tochter gehört. Im Morgenrock stand sie plötzlich vor ihm, als er die Treppe nach oben gehen wollte.

      »Nun?«, fragte sie nur.

      »Du bist noch auf, Astrid?«

      »Noch ist übertrieben«, kam die Antwort. »Schon wieder, ist besser gesagt. Also was war los, Paps?«, fragte sie gespannt.

      »Astrid, ich bin müde«, gab Dr. Lindau mit einem etwas gequält wirkendem Lächeln zurück. »Ich erzähle es dir morgen, beziehungsweise …«, er sah auf die Uhr, »… heute, denn wir haben ja schon Sonntag. Ich bin jedenfalls noch rechtzeitig in die Klinik gekommen, wenn du das wissen willst. Gute Nacht.«

      »Schlaf gut, Paps!«, gab Astrid zurück, wartete, bis ihr Vater in der oberen Etage angelangt war, löschte dann das Licht und begab sich wieder zurück ins Bett.

      Dr. Lindau hatte es ebenfalls eilig, die wohlverdiente Nachtruhe zu finden. Zehn Minuten später war er schon eingeschlafen, und das Doktorhaus lag dunkel da.

      *

      Obwohl es Sonntag war und er eigentlich etwas länger hätte schlafen können, hielt es Dr. Lindau nicht im Bett. Ihn beschäftigte die in der Nacht eingelieferte und operierte Patientin. Vollkommen angekleidet erschien er bald darauf im Erdgeschoss bei seiner Tochter und dem Schwiegersohn, die gerade mit dem Frühstück beginnen wollten. »Da komme ich ja gerade zur rechten Zeit«, sagte er. »Guten Morgen …«

      Astrid und Alexander gaben den Morgengruß zurück. »Wir dachten, dass du heute etwas länger schlafen würdest«, meinte die junge Kinderärztin. »Aber bitte, nimm Platz, es ist alles bereit!«

      »Danke.« Dr. Lindau setzte sich und frühstückte. Da er seine Tochter kannte, wartete er erst gar nicht auf deren Fragen, sondern berichtete zwischen Kaffee und Brötchen. »Der Eingriff kann als erfolgreich angesehen werden«, schloss er. »Ein wenig Sorge macht mir nur der Schock des Mädchens.«

      »Wie ist das eigentlich passiert?«, wollte Alexander Mertens wissen. »Autounfall oder …?«

      Dr. Lindau zuckte mit den Schultern. »Keine Ahnung«, erwiderte er. »Das werden wir erst erfahren, wenn die Patientin hoffentlich bald den Schock überwunden hat. Deshalb fahre ich auch jetzt anschließend in die Klinik.«

      Astrid schob ihre Tasse beiseite und sah ihren Vater fragend an. Als Ärztin war sie natürlich an den medizinischen Ausführungen ihres Vaters interessiert. Als Frau aber und als seine Tochter war sie nun neugierig, wie der gestrige Abend für den geliebten Paps verlaufen war, und sie scheute sich auch nicht, danach zu fragen.

      Dr. Lindau machte auch kein Geheimnis daraus und erzählte. Es war nur zu verständlich, dass er Katharinas Helbrechts Annäherungsversuch für sich behielt. Das ging weder seine Tochter noch deren Mann etwas an.

      »Also ein gelungener Abend«, meinte Alexander Mertens.

      »Das kann ich nicht leugnen«, bestätigte Dr. Lindau und stand auf.

      »Und weiter war nichts, Paps?« In Astrids Zügen war ein gespannter Ausdruck. »Hat die Dame denn nicht versucht, dich zu umgarnen, dich einzufangen?«, fragte sie.

      Dr. Lindau lachte verhalten. »Sehe ich so aus, als ob ich mich einfangen ließe?«, gab er fragend zurück, grüßte und ließ Tochter und Schwiegersohn allein zurück.

      Die hörten ihn wenig später wegfahren.

      Dr. Lindau begab sich gleich nach seinem Eintreffen in der Klinik direkt zur Intensivstation, wo er Dr. Bernau mit der Stationsschwester antraf. Er grüßte kurz und überflog als Erstes die Eintragungen auf der Krankentabelle.

      »Keine Änderung?«, fragte er.

      »Nein«, antwortete Dr. Bernau. »Die Patientin ist zwar wach, spricht aber nicht. Ich vermute eine Bewusstseinsstörung als Folge der Gehirnerschütterung.«

      Dr. Lindau betrachtete das Mädchen, das zwar die Augen offen hatte, aber teilnahmslos an die Zimmerdecke starrte. »Fräulein Mangold, können Sie mich verstehen?«, fragte er, bekam aber keine Antwort. Nur die offenen Augen und ein kurzes Zucken der Augenlider zeigte, dass Leben in der Patientin war. »Antworten Sie bitte, wenn Sie können!«, ließ Dr. Lindau nicht locker. »Ich möchte Ihnen helfen. Was ist geschehen?«

      Diesmal reagierte Alice Mangold ein wenig. Sie wandte den Kopf und blickte den Chefarzt an, sagte jedoch kein Wort und drehte den Kopf gleich wieder zur anderen Seite.

      Dr. Lindau seufzte verhalten. »Daran ist meiner Meinung nach nicht die Gehirnerschütterung allein schuld«, sagte er zu Dr. Bernau gewandt, »sondern der Schock, den sie durch das Erlebte erlitten hat.«

      »Wie lange kann der denn anhalten?«,