Die Klinik am See Jubiläumsbox 4 – Arztroman. Britta Winckler

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Название Die Klinik am See Jubiläumsbox 4 – Arztroman
Автор произведения Britta Winckler
Жанр Языкознание
Серия Die Klinik am See Box
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783740931711



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      »Aha … Na, dann grüß ihn schön!« Dr. Lindau startete und fuhr davon. Bis nach Rottach war es nicht allzu weit, und von da waren es nur noch wenige Fahrminuten bis zu Katharina Helbrechts Haus. Ihre Beschreibung des Weges war so klar gewesen, dass Dr. Lindau sich sehr gut zurechtfand. Fast auf die Minute genau langte er zur verabredeten Zeit vor dem imposanten Bungalow der Konsulswitwe an und stieg aus dem Wagen. Anerkennend betrachtete er den Wohnsitz seiner Privatpatientin, wie er Katharina Helbrecht für sich immer noch bezeichnete, obwohl die Behandlung inzwischen abgeschlossen war. Er war beeindruckt von dem, was er sah.

      »Da steckt Geld dahinter«, murmelte er vor sich hin.

      »Sie sind sehr pünktlich«, klang es in diesem Augenblick vom Haus her. In der geöffneten verglasten Eingangstür stand die Dame des Hauses. Lächelnd bat sie Dr. Lindau ins Haus. »Wir haben noch ein paar Minuten Zeit«, sagte sie, »und können uns noch einen Drink genehmen.« Fragend sah sie ihren Besucher an. »Whisky? Kognak? Ginfizz?«

      »Wie bitte? Ach so.« Dr. Lindau fuhr aus seinen Gedanken hoch. Hatte ihn schon der feudale Bungalow von außen beeindruckt, so war er nun von der Eleganz im Innern überrascht. Dazu kam noch die Erscheinung der Hausherrin, die ein raffiniert geschnittenes Abendkleid trug, das ihre fraulichen Attribute ungemein vorteilhaft zur Geltung brachte. »Ja, dann bitte ich um einen Kognak«, sagte Dr. Lindau.

      Er bekam ihn sehr schnell. Katharina Helbrecht zog einen Ginfizz vor. »Auf einen schönen und genussreichen Abend«, sagte sie und trank Dr. Lindau zu.

      Sekundenlang war Schweigen zwischen den beiden festlich Gekleideten. »Sie wohnen wirklich sehr schön hier, gnädige Frau«, ergriff Dr. Lindau schließlich wieder das Wort und versuchte, den fordernden und verheißungsvollen Blicken Katharina Helbrechts auszuweichen, was ihm aber nur zum Teil gelang. Der Duft ihres Parfüms stieg in seine Nase und verwirrte ihn ein wenig.

      »Ich möchte Sie um etwas bitten«, kam es leise und weich über die Lippen der Konsulwitwe.

      »Ja?«, fragte Dr. Lindau und setzte hinzu: »Wenn ich Ihre Bitte erfüllen kann …« Er sprach nicht weiter und sah Katharina Helbrecht nur fest an.

      »Sie können Sie sogar sehr leicht erfüllen«, entgegnete die Dame des Hauses lächelnd. »Nennen Sie mich nicht immer gnädige Frau!«

      Überrascht hob Dr. Lindau die Augenbrauen an. In irgendeinem Winkel seines Kopfes schien plötzlich ganz leise, kaum vernehmbar eine Art Alarmsignal anzuschlagen. »Wie sonst?«, fragte er mit etwas gepresst klingender Stimme und trat einen Schritt zurück.

      »Wie wär’s mit Katharina?«, fragte die Frau. »Das ist mein Vorname, wie Sie sicher wissen.« Ein eigenartiger Glanz war in ihren Augen. Das Zurückweichen des Mannes, den sie für sich gewinnen wollte, war ihr nicht entgangen. Sie deutete es auch richtig, aber es beeindruckte sie nicht sonderlich und änderte schon gar nichts an ihrem einmal gefassten Entschluss, ihr Ziel zu erreichen. Diesen Mann wollte sie haben, und sie redete sich ein, dass ihr das auch gelingen würde. Bisher hatte sie noch nie Schwierigkeiten gehabt, einen Mann, der ihr gefiel, zu erobern. Unwillkürlich musste sie lächeln, als sie zurückdachte, nämlich daran, dass die Herren der Schöpfung sich immer einbildeten, dass sie es seien, die eine Eroberung gemacht hätten, und nicht umgekehrt. Es war für sie immer leicht gewesen. In diesem Fall allerdings räumte sie ein, dass es doch ein wenig komplizierter sein würde. Dr. Lindau war aus einem anderen Holz geschnitzt. Sie hatte bereits erkannt, dass er sich keineswegs leicht von weiblichen Reizen beeindrucken und einfangen ließ. Wahrscheinlich war es nicht zuletzt auch das, was sie umso mehr an diesem Mann reizte. In den vergangenen zwei Tagen hatte sie die Erkenntnis gewonnen, dass sie Dr. Lindau liebte. Sicher – so war es auch bei den anderen Männern gewesen, die nach dem Tode ihres Mannes vorübergehend in ihr Leben getreten waren. Da hatte sie sich auch eingebildet, sie zu lieben, bis sich dann aber herausgestellt hatte, dass es immer nur eine Art Sinnesrausch gewesen war, der wahrscheinlich ihrem Verlangen entsprungen war, nachzuholen, was sie während der Ehe mit ihrem älteren Mann entbehrt hatte. Jetzt, bei diesem Arzt, war sie sich aber sicher, dass es sich nicht nur um einen Rausch handelte, der zeitlich begrenzt war. Nein, diesmal war es mehr, viel mehr, war es ernst. Sie fühlte, dass sie nur mit Dr. Lindau ihr ersehntes, etwas verspätetes Glück würde finden können.

      »Ist das Ihr Ernst?«, fragte Dr. Lindau in die Gedanken Katharina Helbrechts hinein.

      »Ja«, antwortete sie leise und sah Dr. Lindau tief in die Augen. »Würde Ihnen das denn so schwerfallen?«, fragte sie.

      Dr. Lindau wand sich etwas. Ihm schien der Hemdkragen plötzlich zu eng zu werden. »Schwerfallen zwar nicht, aber es ist für mich ungewohnt«, stieß er hervor. »Ich, der Arzt, und Sie, meine Patientin …«

      »Wir sind jetzt doch völlig privat«, fiel Katharina dem Arzt ins Wort. Sie griff nach ihrem Glas, trat dicht vor Dr. Lindau hin. »Also?« Nur dieses eine Wort kam fragend über ihre Lippen, und ihr Blick ließ den Dr. Lindaus nicht los.

      Dem wurde es plötzlich warm. Es war schwer, sich der Ausstrahlung dieser Frau zu entziehen. Aber das wollte, musste und würde er. Er nahm es sich in dieser Sekunde fest vor. Natürlich räumte er ein, dass Katharina Helbrecht eine wirklich reizvolle und liebenswerte Frau war, die einen Mann mit allem, was sie zu bieten hatte – von ihrem Geld dabei einmal ganz abgesehen – durchaus glücklich machen konnte, und dass bestimmt viele Männer, wären sie jetzt in seiner Lage gewesen, ohne zu überlegen zugegriffen hätten. Nur er konnte es nicht. Katharina Helbrecht war ihm gewiss sehr sympathisch, und ihre Gesellschaft empfand er auch als angenehm. Mehr aber nicht. Sein Innerstes wollte da einfach nicht mithalten. Im gleichen Augenblick aber sagte er sich, dass er sich eigentlich nichts vergab, wenn er ihrer Bitte nachkam und sie beim Vornamen nannte. Letztlich lag es ja auch an ihm, die Distanz zu wahren. Dazu war er nun aber entschlossen. Um Katharina Helbrecht nicht vor den Kopf zu stoßen, ging er also auf ihr Verlangen ein. »Ja, dann also – trinken wir auf den bevorstehenden Abend …, Katharina«, sagte er und trank das Glas leer.

      Katharina tat es ihm nach. »Ich nehme doch an, dass ich Sie auch Hendrik nennen darf. Oder?«, gab sie zurück, leise und beinahe flüsternd.

      Dr. Lindau stutzte und fragte sich, woher Katharina seinen Vornamen wusste. Eine entsprechende Frage versagte er sich aber, weil er erkannte, dass es keine Schwierigkeit war, seinen Vornamen zu erfahren. Es gab ja Adressbücher, Telefonbücher und nicht zuletzt auch das Namensschild an der Tür zu seinem Sprechzimmer. »Ich glaube, es wird Zeit zu fahren, wenn wir pünktlich in der Oper sein wollen«, sagte er stattdessen.

      »Sie haben recht, Hendrik«, entgegnete Katharina, griff nach ihrem Umhang und ihrer eleganten Theatertasche. »Fahren wir also.«

      Dr. Lindau schluckte. Sekunden später verließ er mit seiner attraktiven Begleiterin den Bungalow, half ihr galant beim Einsteigen in den Wagen und setzte sich dann hinter das Steuer, startete und fuhr los – Richtung München.

      Bei Holzkirchen, 35 km vor der Stadtgrenze, da, wo die von München kommende Bundesstraße 13 die Straße kreuzte, auf der er sich befand, musste er kurz anhalten, um einige in Richtung Süden fahrende Wagen erst vorbeizulassen, ehe er weiter konnte. Unter den Vorbeifahrenden war auch ein kleiner weißer Fiat, der in etwas gemäßigtem Tempo vorbeifuhr.

      Katharina Helbrecht stutzte plötzlich, als dieser Fiat vorbeirauschte. Er erregte deshalb ihre Aufmerksamkeit, weil er eine dunkle Abgaswolke hinter sich ließ. Doch das war nicht der eigentliche Grund dafür, dass sie stutzte. Ihr war es lediglich vorgekommen, als hätte sie in der Beifahrerin in diesem kleinen Fiat ihre Tochter Alice erkannt. Ehe sie aber noch genauer hinblicken konnte, war es schon zu spät. Von dem Fiat war nur das das stumpfe Heck zu sehen, umhüllt von einer Abgaswolke.

      Vielleicht habe ich mich nur geirrt, mich durch eine Ähnlichkeit täuschen lassen, dachte sie. Minuten später, Dr. Lindau fuhr gerade die Ausfahrt zur Schnellstraße hinauf, hatte sie das schon wieder vergessen und lenkte ihre Gedanken den Stunden zu, die vor ihr und Hendrik Lindau lagen.

      *

      »Ist was?«, fragte Peter Steinach und steuerte seinen schon etwas altersschwachen Fiat die über Weyarn, Miesbach und Hausham nach Schliersee und weiter führende