Die Klinik am See Jubiläumsbox 4 – Arztroman. Britta Winckler

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Название Die Klinik am See Jubiläumsbox 4 – Arztroman
Автор произведения Britta Winckler
Жанр Языкознание
Серия Die Klinik am See Box
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783740931711



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spalten.«

      »Wann?«, fragte Dr. Reichel.

      Dr. Lindau überlegte kurz. »Ich denke an morgen oder spätestens übermorgen«, erklärte er. »Wir besprechen das morgen bei der Ärztekonferenz mit dem Kollegen Hoff. Ich möchte keine Zeit verlieren.«

      »Sie befürchten Komplikationen?«

      »Die sind nicht auszuschließen«, antwortete Dr. Lindau. »Ich denke dabei auch an die erhöhte Wahrscheinlichkeit von Speiseröhrenkrebs. Lassen Sie also die vorhin entnommene Gewebeprobe darauf besonders untersuchen und analysieren, und zwar noch heute!«, bat er Dr. Reichel.

      »Ich veranlasse das gleich«, versprach der.

      In diesem Augenblick schrillte das Telefon im Stationszimmer. Schwester Marianne, die dem Pflegepersonal der Station vorstand, meldete sich und reichte dann Dr. Lindau den Hörer. »Für Sie, Herr Chefarzt«, sagte sie. »Frau Stäuber ist am Apparat.«

      Dr. Lindau drückte den Hörer ans Ohr. »Ja, was gibt es?«, fragte er.

      »Die Frau Konsulin ist hier und wartet auf Sie«, meldete die Sekretärin. »Sie hat ja heute einen Behandlungstermin.«

      Dr. Lindau verzog das Gesicht. Daran hatte er gar nicht gedacht.

      »Ich bin schon auf dem Wege«, gab er zurück. »Im Übrigen, Frau Stäuber – betiteln Sie Frau Helbrecht nicht immer mit Konsulin! Sie ist nur die Witwe des Konsuls. Sagen Sie ihr also, dass ich in wenigen Minuten unten bin!« Ohne eine Erwiderung abzuwarten, legte er auf und wandte sich wieder an Dr. Reichel. »Wir sind uns also einig«, meinte er.

      »Vollkommen«, bestätigte Dr. Reichel.

      »Ja, dann also bis später …« Dr. Lindau entfernte sich aus dem Stationszimmer und fuhr mit dem Aufzug ins Erdgeschoss.

      »Sie sitzt schon bei Ihnen drin«, empfing die Sekretärin ihren Chef, als der das Vorzimmer betrat. »Ich meine Frau Helbrecht«, fügte sie betont hinzu. »Die Krankenakte habe ich bereits auf Ihren Schreibtisch gelegt.«

      Dr. Lindau feixte verstohlen, als er merkte, dass sein vorheriger Hinweis auf den Konsul-Titel Marga Stäuber anscheinend ein wenig zu schaffen machte. Er kannte seine Sekretärin. Sie war eine verlässliche Kraft und kannte sich in ihrem Metier wirklich gut aus. Aber für sie war eben die Frau eines Konsuls die Frau Konsul, ebenso wie die Gattin eines Arztes oder eines Professors eben die Frau Doktor oder die Frau Professor war. »Danke, Frau Stäuber«, murmelte er und betrat sein Zimmer, das Büro und Sprechzimmer in einem war.

      »Entschuldigen Sie die kleine Verspätung, gnädige Frau«, begrüßte er Katharina Helbrecht, die mit übereinandergeschlagenen Beinen auf dem Stuhl saß und ihn lächelnd ansah. Mit einem Händedruck begrüßte er die attraktive, rassige Frau, die als Privatpatientin seit knapp drei Wochen von ihm behandelt wurde. Ein eigenartiges Gefühl durchströmte ihn, als Katharina Helbrecht seine Hand einige Sekunden länger festhielt. Hastig zog er sie zurück und trat hinter seinen Schreibtisch.

      »Das macht doch nichts, Herr Doktor«, gab Katharina Helbrecht zurück, stand auf und trat dicht neben den Chefarzt. Der Blick, mit dem sie den Klinikleiter ansah, sprach eine ziemlich deutliche Sprache.

      Dr. Lindau entging das natürlich nicht. Es war nicht das erste Mal, dass diese Frau ihn so ansah, und er wusste auch, was das bedeutete. Katharina Helbrecht ließ nur zu deutlich erkennen, dass sie etwas für ihn übrig hatte. Er gestand sich ein, dass ihm das sogar ein wenig schmeichelte, denn schließlich war er nicht nur Arzt, sondern auch ein Mann in den besten Jahren, der gegen weibliche Reize einer schönen Frau nicht unbedingt immun war.

      »Bekomme ich jetzt wieder meine Injektion?«, unterbrach Katharina in diesem Moment die Gedanken des Chefarztes und lächelte verheißungsvoll.

      Diese Frage brachte Dr. Lindau wieder zu Bewusstsein, dass er der Arzt war und diese Frau seine Patientin. »Nein, gnädige Frau«, erwiderte er mit etwas rau klingender Stimme. »Das ist nicht mehr nötig.«

      »Weshalb nicht?« Verwundert sah Katharina den Arzt an.

      »Weil ich Ihre Behandlung vorläufig als abgeschlossen betrachten kann«, antwortete Dr. Lindau, griff nach der Krankenakte und schlug sie auf. »Das vor zwei Tagen durchgeführte Elektrokardiogramm zeigt, dass Ihr Herzrhythmus wieder in Ordnung, also vollkommen regelmäßig ist. Es liegt jetzt nur an Ihnen, dass das auch so bleibt«, fuhr er erklärend fort. »Meiden Sie auf jeden Fall übermäßigen Genuss von Alkohol, Kaffee und Nikotin, dann wird das Herzjagen kaum noch auftreten.«

      Katharina war sekundenlang ein wenig fassungslos. Ihr wurde blitzartig klar, was die Worte Dr. Lindaus bedeuteten. Mit Worten ausgedrückt hieß das, dass sie nicht mehr wie bisher jeden dritten Tag in die Klinik zur Behandlung zu kommen brauchte. Damit war dann auch der persönliche Kontakt mit Dr. Lindau vorbei. »Wollen Sie damit sagen, dass die Behandlung vorbei ist, Herr Doktor Lindau?«, fragte sie mit zitternder Stimme.

      »So ist es, gnädige Frau«, bestätigte Dr. Lindau.

      »Ich soll also nicht mehr hierherkommen?«

      Dr. Lindau nickte. »Sie brauchen es nicht, denn die Behandlung ist abgeschlossen«, erklärte Dr. Lindau. »Als Arzt gibt es für mich in diesem Fall nichts mehr zu tun. Seien Sie doch froh darüber!«

      »Ich bin aber gern hergekommen«, stieß Katharina heftig hervor.

      Dr. Lindau konnte sich eines feinen Lächelns nicht enthalten. »Da gehören Sie aber wirklich zu den wenigen Menschen, die wegen eines Leidens gern zum Arzt gehen«, meinte er.

      Hinter Katharinas Stirn überschlugen sich die Gedanken. Wie sollte sie sich nun verhalten? Sollte sie aufgeben und versuchen, ihre Zuneigung für den Arzt zu unterdrücken? Dagegen wehrte sich alles in ihr. Nein, schien ihr eine innere Stimme zuzuraunen, du liebst ihn doch und willst ihn haben. Ergreife also die Initiative. Nur Bruchteile von Sekunden dauerten diese Überlegungen, dann hatte sich Katharina wieder gefasst. Ein Lächeln umspielte ihre vollen Lippen. »Ja, natürlich bin ich froh, dass Sie mich als gesund und aus der Behandlung entlassen, Herr Doktor«, ergriff sie das Wort. »Ich bin Ihnen auch sehr dankbar dafür.« Sie verstand es vortrefflich, sich keine Enttäuschung anmerken zu lassen und schlug nun eine andere Taktik ein. »Erlauben Sie mir aber, mich ein wenig dankbar zu zeigen.«

      »Sie bekommen die Honorarforderung per Post zugestellt, gnädige Frau«, entfuhr es Dr. Lindau.

      »Selbstverständlich, aber das meinte ich nicht damit«, entgegnete die Konsulwitwe.

      »Sondern?« Fragend und dabei ein wenig misstrauisch sah Dr. Lindau die Patientin, die ja ab sofort gar keine mehr war, an. Er hatte plötzlich das Gefühl, dass etwas Unbekanntes auf ihn zukam, gegen das er sich nicht wappnen konnte. Was konnte das nur sein?

      Er erfuhr es auch sofort.

      »Ich möchte Sie gern zu etwas einladen, Herr Dr. Lindau«, kam es leise und beinahe zärtlich über Katharinas Helbrechts Lippen. »Zu einem Opernbesuch und einem anschließenden Essen in München. Ich habe bereits zwei Karten für die Oper«, fuhr sie fort. »La Traviata wird gegeben, und das anschließende Essen betrachte ich als eine Art kleiner Feier aus Anlass meiner Genesung, die ich Ihnen verdanke. Am kommenden Sonnabend wäre das. Bitte geben Sie mir jetzt keinen Korb!« In ihren Augen funkelte es, als sie Dr. Lindau bittend ansah.

      Der schluckte. Diese Einladung überraschte ihn und machte ihn auch etwas verlegen. Wie sollte er sich jetzt verhalten? Sicher – La Traviata hätte er sich ganz gern angesehen, und gegen ein Essen mit dieser schönen Frau war im Grunde genommen ja auch nichts einzuwenden. Dennoch wehrte sich in ihm etwas dagegen.

      »Nun?«, unterbrach Katharina das eingetretene sekundenlange Schweigen.

      Dr. Lindau straffte sich. »Was soll ich Ihnen antworten, gnädige Frau?«, brachte er hervor. »Natürlich ehrt mich Ihre Einladung«, fügte er hinzu. »Aber ich glaube doch, dass ich abschlagen muss.«

      »Weshalb das?«, fragte Katharina mit gedämpfter Stimme. »Haben Sie an mir etwas auszusetzen?«

      »Selbstverständlich