Die Klinik am See Jubiläumsbox 4 – Arztroman. Britta Winckler

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Название Die Klinik am See Jubiläumsbox 4 – Arztroman
Автор произведения Britta Winckler
Жанр Языкознание
Серия Die Klinik am See Box
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783740931711



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schon dabei«, unterbrach Dr. Lindau seine Tochter, die Sekunden später die Tür hinter sich zuzog.

      Die Anschlussnummer der Zeitung fand Dr. Lindau im Impressum und wählte sie.

      »Redaktion der Tegernseer Nachrichten …«

      »Dr. Lindau, Chefarzt der Klinik am See in Auefelden«, stellte sich der Chefarzt vor. »Ich will es kurz machen«, fuhr er fort. »Es betrifft den infamen Artikel mit meinem Foto in Ihrer Zeitung. Wer ist dieser Schmierfink, dem ich das zu verdanken habe? Ich möchte ihn sprechen und zwar sofort.«

      Sekundenlang war Schweigen auf der anderen Seite. »Da muss ich Sie leider enttäuschen, Herr Doktor«, kam dann eine andere Stimme, »der dafür verantwortliche Reporter ist zurzeit außer Haus.«

      »Dann finden Sie ihn!«, schnaubte Dr. Lindau zornig. »Außerdem verlange ich eine Korrektur oder einen Widerruf oder wie immer Sie das nennen mögen, der diesen ungeheuerlichen Verdacht von mir nimmt. Ich wünsche, dass das schon in der morgigen Ausgabe zu lesen ist, samt einer formellen Entschuldigung.«

      »Hören Sie mal …«

      »Nein, Sie hören mir zu«, fiel Dr. Lindau dem Sprecher hart ins Wort. »Wenn ich morgen keine zufriedenstellende Berichtigung lese, bekommt Ihre Zeitung noch am gleichen Tag ein Verfahren wegen Rufmord, Verleumdung und Beleidigung angehängt. Ebenso jener Reporter. Was das heißt, können Sie sich ja denken. Guten Tag.« Wütend warf Dr. Lindau den Hörer auf die Gabel.

      Von diesem Augenblick an war Dr. Lindau nicht mehr ansprechbar. Schweigsam verrichtete er seinen Dienst und reagierte auch kaum auf diese und jene Loyalitätsversicherung Dr. Hoffs und Dr. Reichels, die in der Zwischenzeit ebenso wie verschiedene andere vom Personal von dem auf ihrem Chefarzt lastenden Verdacht Kenntnis bekommen hatten. Dafür hatte schon – ob bewusst oder unbewusst – Marga Stäuber gesorgt.

      *

      Die offizielle Besuchszeit in der Klinik am See hatte noch gar nicht richtig begonnen, da fuhr Rolf Sternau schon auf den Parkplatz neben der Klinik. Mit einem Blumenstrauß bewaffnet betrat er die Halle. Beinahe wäre er bei der Pförtnerloge mit einer jungen Dame zusammengestoßen, die im Begriff war, die Klinik zu verlassen. Murmelnd entschuldigte er sich und hörte noch den Pförtner rufen: »Auf Wiedersehen, Frau Doktor.«

      Dass diese Frau Doktor die Tochter des Mannes war, den er in der Zeitung eines unkorrekten Verhaltens einer Patientin gegenüber angeprangert hatte, wusste er natürlich nicht. Ebenso wenig wie die Kinderärztin Astrid Mertens ahnte, dass dieser junge Mann, mit dem sie fast zusammengeprallt war, derjenige war, der diesen schändlichen Artikel in die Zeitung gesetzt hatte und dessentwegen sie jetzt nach Rottach zu jener Katharina Helbrecht fahren wollte, um das Ansehen ihres Vaters vor noch größerem Schaden zu bewahren.

      Rolf Sternau selbst dachte in diesen Minuten gar nicht mehr an das, was er mit seinem Foto und dem kurzen Artikel ins Rollen gebracht hatte. Seine Gedanken beschäftigten sich mit der reizenden Alice Mangold, die er für die Tochter Katharinas gehalten hatte und die er nun wie versprochen besuchen wollte. Die halbe Nacht hatte er über dieses Mädchen nachgedacht und hatte sich schließlich eingestanden, dass er verliebt war. Von seiner leidenschaftlichen Zuneigung zu Katharina war kaum noch etwas übrig geblieben. Irgendwie war er auch zufrieden, dass Alice nicht Katharinas Tochter war, wie sie ihm ja selbst gesagt hatte. Komplikationen konnten also kaum entstehen. Es wäre ja auch etwas fatal gewesen, wenn er, der Liebhaber der Mutter, nun zu deren Tochter überlief.

      Anscheinend war er einer der ersten Besucher an diesem frühen Nachmittag, aber er hatte es eben nicht erwarten können, Alice wiederzusehen. Wenig später stand er vor deren Zimmer, holte noch einmal tief Atem, klopfte und trat ein.

      »Da bin ich«, rief er freudestrahlend Alice zu, die aufrecht im Bett saß und in einem Magazin blätterte. »Haben Sie mich erwartet?«, fragte er.

      Alice lächelte. Man sah ihr an, dass sie sich über den Besuch sehr freute. Auch sie hatte sich am Abend zuvor noch lange Gedanken über diesen sympathischen jungen Mann gemacht, und auch sie gestand sich ein, dass sie sich in ihn verliebt hatte. »Erwartet?«, gab sie auf Rolf Sternaus Frage zurück. »Ich habe es gehofft, und ich freue mich, dass Sie Wort gehalten haben.«

      »Das macht mich ja fast glücklich«, bekannte Rolf, stellte die Blumen in eine Vase, zog sich einen Stuhl heran und setzte sich.

      »Fast?« Alice sah ihren Besucher forschend an. »Denken Sie dabei an meine …, hm …, an Ihre Freundin Katharina?«, fragte sie.

      Rolf sah das hübsche Mädchen offen ab. »Nein«, bekannte er. »Das ist für mich zu Ende.«

      »Aber für sie nicht, oder?« Alice wartete gespannt auf die Antwort.

      Rolf winkte lässig ab. »Sie wird es akzeptieren müssen«, entgegnete er. »Außerdem dürfte ihr das nicht so schwerfallen.«

      »Weshalb nicht?«, wurde Alice neugierig.

      »Nun, weil ich Grund zur Annahme habe, dass sie irgendeinen anderen Mann beglücken möchte«, erwiderte Rolf. »Ihr Verhalten in den vergangenen zwei Wochen mir gegenüber lässt mich das vermuten.«

      Alice verzog ein wenig das Gesicht. Obwohl sie wenig, fast gar keinen Kontakt mit ihrer Mutter hatte und ihr deren Lebenswandel nicht sonderlich gefiel, störte es sie doch ein wenig, wenn über sie in einer solchen abwertenden Art gesprochen wurde. Sinnend sah sie ihren Besucher an.

      Der war noch nie schüchtern gewesen. Er ergriff die Gelegenheit beim Schopf. Tief und eindringlich sah er Alice in die Augen. »Ich bin sehr froh, dass Sie mir über den Weg gelaufen sind, Fräulein Mangold«, sagte er mit weicher Stimme.

      Alice wich dem Blick nicht aus. Eine wohlige Wärme durchströmte sie. »Über den Weg gelaufen? Ich?« Sie lachte verhalten. »Das waren doch Sie, denn ich saß ja auf der Bank. Im Übrigen – sagen Sie ruhig Alice zu mir!«

      »Nichts lieber als das, Alice«, gab Rolf zurück. »Meinen Vornamen habe ich Ihnen ja schon gesagt.«

      »Ja – Rolf«, kam es über Alices Lippen.

      Da wurde Rolf forsch. Er neigte sich vor. »Darauf ein Küsschen«, flüsterte er, und ehe Alice noch etwas darauf erwidern konnte, spürte sie auch schon Rolfs Lippen auf ihrem Mund. Nicht wild und fordernd, sondern sanft und zärtlich. Ein wohliger Schauer lief über ihren Rücken.

      Insgeheim hatte Rolf eine Abwehrbewegung gefürchtet. Doch die blieb aus. Strahlend sah er Alice an. »Es ist schön, dass es dich gibt«, flüsterte er. »Noch schöner aber ist es, dass ich mich in dich verliebt habe. Nein, mehr noch – ich glaube, ich liebe dich.«

      »Glaubst du es nur oder …?«

      »Ich weiß es jetzt«, versicherte Rolf.

      »Ich gestehe, dass auch ich dich nicht nur sehr gut leiden kann, sondern dass ich dich sehr lieb habe«, raunte Alice und wehrte sich nicht, als sie zum zweiten Mal Rolfs Mund auf ihren Lippen fühlte. Plötzlich aber fiel ihr etwas ein. »Aus welchem Grunde warst du gestern überhaupt hier in der Klinik?«, fragte sie neugierig. »Hattest du einen Besuch gemacht oder warst du zu einer Behandlung oder Untersuchung hier?«

      »Weder noch«, erwiderte Rolf. »Ich habe ein Foto vom Chefarzt gemacht. Für eine kurze Reportage, die diesem sauberen Arzt bestimmt an die Nieren gehen wird.«

      »Sprichst du von Dr. Lindau?« In Alices Augen trat ein wachsamer Ausdruck.

      »Ja. Du kennst ihn?«

      »Natürlich, denn er hat mir das Leben gerettet und behandelt mich«, antwortete Alice. »Er ist ein fantastischer Arzt.«

      »Na, ich weiß nicht, ob das Wort fantastisch ganz angebracht ist«, entgegnete Rolf. »Ich weiß etwas anderes von ihm«, fügte er hinzu.

      »Und was?«, wollte Alice wissen. Ein eigenartiges Gefühl überkam sie. In ihr wehrte sich etwas gegen solche abwertenden Worte, wie Rolf sie eben von sich gegeben hatte. Über ihrem Gesicht lag plötzlich ein leichter Schatten. Ihr Lächeln war verschwunden. Auffordernd und ernst sah sie Rolf an.

      Der