Die Klinik am See Jubiläumsbox 4 – Arztroman. Britta Winckler

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Название Die Klinik am See Jubiläumsbox 4 – Arztroman
Автор произведения Britta Winckler
Жанр Языкознание
Серия Die Klinik am See Box
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783740931711



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Astrid die Konsulswitwe energisch auf, »und dann sagen Sie mir, ob das stimmt!«

      Katharina brauchte erst gar nicht zu lesen. Sie ahnte, was da gedruckt stand. Dieser Idiot, schimpfte sie in Gedanken auf Rolf Sternau. In dieser Form hatte sie sich ihre Rache an Dr. Lindau nicht vorgestellt. Eine Lektion hatte sie ihm erteilen wollen, nicht mehr und nicht weniger. Und nun das. Von einer Sekunde auf die andere wurde ihr mit geradezu schmerzhafter Deutlichkeit klar, was sie mit ihren erregten Worten vor zwei Tagen angerichtet hatte. Trotz dieser Erkenntnis aber wehrte sie sich dagegen, jetzt klein beizugeben. Wilder Trotz meldete sich in ihr.

      »Nun, Frau Helbrecht?«, drängte Astrid ungeduldig. »Ich höre.«

      Unwillig blitzte es in Katharinas Augen auf, weil ihr diese Art der Befragung nicht behagte. »Wenn ich Ihnen nun sagen würde, dass das den Tatsachen entspricht?«, stieß sie aufgebracht hervor. »Was dann?«

      Astrid straffte sich. Böse sah sie Katharina Helbrecht an. »Dann würde ich sagen, dass Sie eine gemeine Lügnerin sind«, erwiderte sie scharf. »Sie hätten dann eine Anklage zu erwarten – wegen böswilliger Verleumdung, Rufmord und noch einiges mehr. Das verspreche ich Ihnen.« Etwas gedämpfter setzte sie hinzu: »Das kann Sie für einige Zeit hinter Gitter bringen. Denken Sie einmal daran!«

      Katharina wurde blass. In ihrem Innern war ein Chaos, ein Dilemma, das von Sekunde zu Sekunde größer wurde. Ihr war plötzlich ungeheuer elend zumute. Verwirrt, ja, fast verzweifelt starrte sie ihre Besucherin an. Sie suchte nach Worten und wusste dabei gar nicht einmal, was sie eigentlich sagen sollte. Klar war ihr nur, dass sie in eine Situation geraten war, in der sie sich wie ein gehetztes Tier vorkam. In diesen Sekunden wurde ihr bewusst, dass sie keine Chancen hatte, vor der von dieser jungen Frau angedrohten Anklage davonzukommen. Sie wusste, dass dann Aussage gegen Aussage stand. Dass man dem Chefarzt einer Klinik aber sicher eher glauben würde als ihr, wurde ihr auch klar. Was sollte sie nur tun? Wie sollte sie sich jetzt verhalten? Sie schien gar nicht zu merken, dass ihre Augen feucht wurden.

      Das aber entging Astrid nicht. Mehr noch – sie spürte, dass diese Frau mit sich kämpfte, und ein Gefühl sagte ihr, dass Katharina Helbrecht im Grunde genommen ziemlich unglücklich sein musste. Ihrer Stimme die vorherige Härte und Schärfe nehmend, redete sie fast beschwörend auf die Konsulswitwe ein. »Frau Helbrecht, ich weiß, dass Sie meinen Vater gernhaben und vielleicht lieben Sie ihn auch. Ich kann auch verstehen, wie einer Frau zumute ist, wenn ihre Liebe zurückgewiesen wird. Das ist deprimierend und auch irgendwie demütigend. Ich bin selbst eine Frau und kann das nachfühlen. Versuchen Sie doch auch, meinen Vater zu verstehen. Er hat meine Mutter sehr geliebt, und es ist ihm unmöglich, eine tiefe Zuneigung zu einer anderen Frau zu empfinden. Ich kenne ihn und weiß, dass er sich nie wieder fest binden wird. Weshalb hassen Sie ihn jetzt so sehr, dass Sie ihm etwas unterstellen …?«

      »Ich unterstelle ihm nichts«, fiel Katharina der Tochter Dr. Lindaus ins Wort. Sie war ziemlich am Ende mit ihren Nerven.

      »Aber Sie haben doch einem Reporter erzählt, dass er Sie …, dass er Ihnen nahegetreten ist«, hielt Astrid der Frau vor.

      »Nein«, fuhr Katharina auf. »Das habe ich nicht gesagt. Nichts dergleichen habe ich behauptet.«

      Sekundenlang war Astrid verwirrt. »Dann verstehe ich nicht, wie man das in der Zeitung drucken kann«, stieß sie hervor.

      Katharina kämpfte mit sich. Ihre in ihrem tiefsten Innern doch vorhandene Wahrheitsliebe, ihre Fairness blieb Sieger. »Ich …, ich … war erregt und habe etwas gefaselt, dass mir Ihr Vater etwas angetan hat.« Leise und stockend kamen die Worte über ihre Lippen. »Natürlich hat er mir etwas damit angetan, dass er mich zurückwies.« Fast flehend sah sie Astrid an. »Ich kann doch nichts dafür, dass Rolf das anders aufgefasst hat.« Sie war dem Weinen nahe.

      Irgendwie tat Astrid die Frau leid. Doch sie war erleichtert, dass Katharina Helbrecht nicht auf dem bestehen blieb, was die Zeitung schrieb. »Frau Helbrecht, ich danke Ihnen, dass Sie sich – nun ja, dass Sie sich besonnen haben. Ich hoffe, dass Sie jetzt aber auch bereit sind, offiziell eine Gegendarstellung abzugeben, die meinen Vater von diesem schrecklichen Verdacht befreit.«

      »Ja«, flüsterte Katharina.

      »Gut, und ich verspreche Ihnen, dass ich meinen Vater von einer Anzeige wegen …, nun, Sie wissen schon …, abbringen werde.« Astrid überlegte kurz. »Wichtig ist, dass Sie jenem Herrn, ich glaube, Sie nannten ihn Rolf, so schnell wie möglich dieses Missverständnis erklären, damit es morgen schon in der Zeitung steht.«

      »Ich …, ich hoffe und denke, dass Rolf heute noch zu mir …« Sie brach ab, weil es in diesem Augenblick an der Eingangstür läutete. »Vielleicht ist er das schon«, sagte sie dann und ging hinaus, um zu öffnen.

      *

      Astrid bekam runde Augen, als Katharina Helbrecht wieder hereinkam – aber in Begleitung von zwei Herren. Den einen kannte sie sehr gut. Es war ihr Vater, der zweite, jüngere, war ihr unbekannt. »Paps, was machst du denn hier?«, fragte sie überrascht.

      »Das könnte ich auch dich fragen«, gab Dr. Lindau zurück. Seine Miene war verschlossen.

      »Ich habe mit Frau Helbrecht gesprochen und …«

      »Das habe ich jetzt auch vor«, unterbrach Dr. Lindau seine Tochter. »Sehr ernsthaft sogar«, fügte er betont hinzu. »Das ist übrigens Herr Sternau, dem ich diese unangenehme Sache zu verdanken habe.« Er deutete auf den jungen Mann an seiner Seite. »Ich konnte ihn gerade noch festhalten, als er es sehr eilig hatte, die Klinik zu verlassen.«

      »Natürlich hatte ich es eilig, weil ich schnellstens mit Katha…, hm …, Frau Helbrecht sprechen wollte«, fuhr Rolf Sternau auf. »Ich sagte es Ihnen doch schon in der Klinik.«

      »Dann sagen Sie es jetzt noch einmal, hier und sofort, junger Mann! Und in Gegenwart von Frau Helbrecht!« Finster und auffordernd sah Dr. Lindau den Fotoreporter an.

      Der wandte sich auch sofort an die Hausherrin. »Was um Gottes willen hast du mir da eingebrockt, Katharina?«, fragte er mit gepresst klingender Stimme. »Du hast mich in Teufels Küche gebracht. Das kann mich meinen Job kosten.«

      »Was willst du eigentlich, Rolf?«, gab Katharina zurück. Ihr zitterten die Beine, und ihr Herz klopfte wild. »Ich habe dir nichts eingebrockt. Du hast nur falsch verstanden.«

      »Hast du mir nicht erzählt, dass Herr Doktor Lindau dir in deinem Krankenzimmer zu nahegetreten ist?« Fordernd blickte Rolf Sternau die Frau an, für die er noch vor wenigen Tagen geschwärmt hatte, die er nun aber in einem ganz anderen Licht sah.

      »Davon habe ich kein Wort gesagt«, verwahrte sich Katharina. Sie musste sich anstrengen, um nicht die Fassung zu verlieren. »Ich habe dich lediglich wissen lassen, dass …, dass …« Verlegen und beschämt wich sie den prüfenden und gleichermaßen gespannten und erwartungsvollen Blicken Dr. Lindaus aus, »… dass Dr. Lindau mir etwas angetan hat. Wenn du daraus eine Belästigung, ja fast eine versuchte Vergewaltigung in deinem Zeitungsartikel gemacht hast, dann ist das nicht meine Schuld.«

      »Augenblick, Katharina«, fuhr Rolf Sternau entrüstet auf. »Bei aller Freundschaft, aber das finde ich nicht fair, dass du mir nun den schwarzen Peter zuschieben willst. Deine Erregung und deine Worte konnten gar nicht anders aufgefasst werden.« Er sah Dr. Lindau fragend an. »Was sagen Sie dazu, Herr Doktor? Hätten Sie nicht auch so reagiert?«, wollte er wissen.

      Dr. Lindau runzelte die Stirn, warf Rolf Sternau einen nicht gerade freundlichen Blick zu und sah dann Katharina Helbrecht an. »Frau Helbrecht, ich frage Sie jetzt ernsthaft und eindringlich: Ist es so gewesen, wie Sie es eben gesagt haben? Ja oder nein?« Sein fester Blick zwang Katharina, ihn anzusehen.

      »Ja, genauso war es«, kam es ohne Zögern über ihre Lippen.

      Dr. Lindau nickte. Sein Gefühl und seine Menschenkenntnis signalisierten ihm, dass Katharina Helbrecht jetzt nicht gelogen hatte.

      »Also bin ich jetzt der Alleinschuldige«, stieß Rolf Sternau bitter hervor.

      »Der Ansicht bin ich auch«, erklärte Dr. Lindau. »Ihre Schuld besteht schon einmal darin, dass