Die Klinik am See Jubiläumsbox 4 – Arztroman. Britta Winckler

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Название Die Klinik am See Jubiläumsbox 4 – Arztroman
Автор произведения Britta Winckler
Жанр Языкознание
Серия Die Klinik am See Box
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783740931711



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sich nun Astrid, die bisher geschwiegen hatte, in das Gespräch ein, »ich habe mit Frau Helbrecht gesprochen, und sie ist bereit, dazu in aller Öffentlichkeit – damit meine ich die Zeitung – Stellung zu nehmen, um dich von dem in der Zeitung angedeuteten Verdacht zu befreien. Also bitte, Frau Helbrecht«, forderte sie diese auf. »Den Pressemann haben wir hier, und ich bin Zeugin. Sagen Sie also, was zu sagen ist!«

      Katharina wäre am liebsten vor Scham in die Erde versunken, doch sie kam der Aufforderung der jungen Frau nach. »Gut«, presste sie über die Lippen und sah Rolf Sternau fest an. »Ich distanziere mich von der Zeitungsmeldung, die aufgrund eines Missverständnisses zustande gekommen ist, und erkläre, dass ich zu keiner Zeit und nirgendwo von Herrn Dr. Lindau in keiner wie auch immer gearteten Weise belästigt worden bin, und dass sein Verhalten mir gegenüber stets korrekt gewesen ist.« Fest sah sie dann Dr. Lindau an. »Noch mehr, oder genügt das?«, fragte sie leise.

      Dr. Lindau nickte. Er verstand, was Katharina Helbrecht mit dieser Frage meinte. »Es genügt, Frau Helbrecht«, erklärte er und wandte sich an Rolf Sternau. »Sie haben es gehört, Herr Sternau«, redete er den jungen Mann an. »Jetzt liegt es an Ihnen. Mit Ihrer Redaktion habe ich bereits telefoniert und eine Frist bis morgen früh gesetzt. Sie verstehen.«

      »Ich habe verstanden, Herr Doktor, und werde mein Möglichstes tun«, versicherte er.

      »Das genügt nicht«, konterte Dr. Lindau. »Sie müssen alles tun, wenn Sie nicht ein Verfahren an den Hals gehängt bekommen wollen.«

      »Soll das heißen, dass Sie auf eine Anzeige wegen …, also, dass Sie mir dann keine weiteren Schwierigkeiten machen werden, die mich meinen Job kosten könnten?«, fragte Rolf Sternau.

      Dr. Lindau wechselte einen kurzen Blick mit seiner Tochter und antwortete dann: »Das heißt es, junger Mann.«

      Rolf Sternau atmete auf. »Danke«, murmelte er. »Ich mache mich sofort auf den Weg und verspreche Ihnen, dass Sie in der morgigen Ausgabe eine Gegendarstellung finden werden.«

      »Das hoffe ich«, brummte Dr. Lindau.

      »Rolf«, meldete sich in diesem Augenblick Katharina Helbrecht zu Wort, »mich interessiert nur noch, wie du …«

      »Ich weiß, was du wissen willst, Katharina«, fiel Rolf Sternau der Hausherrin ins Wort. »Meine Antwort: Alice, deine Tochter hat mich darauf gebracht, dass es gut ist, an deinen Worten gewisse Zweifel zu hegen. Deshalb wollte ich auch schnellstens mit dir reden. Dass ich Herrn Dr. Lindau in die Arme gelaufen bin, sehe ich jetzt sogar als eine Art Glück an.«

      Katharina atmete schwer. »Was sagst du da? Meine Tochter?«, fragte sie ungläubig. »Woher und seit wann kennst du sie denn? Alice wohnt doch in München?«

      »Zur Zeit liegt sie in der Klinik am See, und dort habe ich sie auch kennengelernt«, erwiderte Rolf.

      »Um Himmels willen, wie kommt Alice in die Klinik? Was ist mit ihr passiert?«, fragte Katharina aufgebracht. »Warum weiß ich das nicht?«

      »Alice hat einige Male bei dir angerufen, aber sie konnte dich nicht erreichen«, antwortete Rolf Sternau.

      »Aber, was fehlt ihr denn und wie geht es ihr?«, ließ Katharina nicht locker. Fassungslos sah sie von Rolf zu Dr. Lindau.

      »Das wird dir Herr Dr. Lindau sicher besser erklären können«, meinte Rolf und wandte sich zum Gehen.

      In Dr. Lindaus Gedanken hatte es geklickt, als er den Namen Alice hörte. Er erinnerte sich, dass es zurzeit nur eine Patientin dieses Vornamens gab. »Meinen Sie etwa Fräulein Alice Mangold?«, fragte er den Fotoreporter.

      »Ja, die meine ich«, bestätigte der.

      »Sie ist Ihre Tochter?«, wandte sich Dr. Lindau erstaunt fragend an Katharina Helbrecht. »Das wusste ich nicht.«

      »Wie geht es ihr?«, wollte Katharina wissen.

      »Gut, Frau Helbrecht«, versicherte Dr. Lindau und berichtete kurz.

      »Mein Gott, ich müsste sie besuchen«, flüsterte Katharina. »Aber ich habe für morgen früh schon einen Flug nach England gebucht«, fügte sie hinzu, »und werde von meiner Freundin dort erwartet.« Einen schnellen kurzen Blick auf Dr. Lindau und anschließend auf dessen Tochter werfend, murmelte sie: »Ich muss für einige Zeit weg von hier, um zu vergessen.«

      Dr. Lindau und Astrid sahen sich an. Beide verstanden sofort, was Katharina mit ihren letzten Worten zum Ausdruck bringen wollte.

      Rolf Sternau – er war schon an der Tür – drehte sich noch einmal um und rief Katharina zu: »Fliege unbesorgt, ich kümmere mich in der Zwischenzeit um Alice. Und wenn du zurückkommst, werden wir sicher etwas zum Feiern haben. Jetzt aber bitte ich um Entschuldigung, denn ich möchte schnellstens zur Redaktion.« Eine Sekunde darauf schloss sich die Tür hinter ihm, und gleich danach konnten die Zurückgebliebenen ihn davonfahren hören.

      »Feiern? Was meint er damit?«, flüsterte Katharina.

      Dr. Lindau ahnte, was Rolf Sternau meinte. »Sie kommen sicher darauf, Frau Helbrecht, wenn Sie ein wenig darüber nachdenken. Zwei junge Menschen – na, ich denke, Sie wissen, was ich meine.« Er sah auf die Uhr und nickte seiner Tochter zu. »Da wir nun Klarheit geschaffen haben, können wir wieder fahren«, sagte er an die Konsulswitwe gewandt. »Alles Gute, Frau Helbrecht, ein halbes Leben liegt noch vor Ihnen«, fügte er hinzu, winkte seiner Tochter und verließ mit ihr das Haus.

      Katharina Helbrecht hörte sie Sekunden später abfahren. Nachdenklich ließ sie sich in einen Sessel sinken und ließ die Geschehnisse der vergangenen zehn Tage vor ihrem geistigen Auge Revue passieren. Natürlich beschäftigten sich ihre Gedanken auch mit ihrer Tochter und mit dem, was Rolf von Feiern gesagt hatte. Sehr bald kam sie dahinter, was das zu bedeuten hatte. Zuerst war sie überrascht und auch ein wenig betroffen, darüber nämlich, dass ausgerechnet der Mann, der eine Zeit lang ihr Freund gewesen war, nun möglicherweise ihr Schwiegersohn werden konnte. Sonderbarerweise aber war ihr diese Vorstellung nicht einmal so unangenehm.

      Der Abend hatte sich bereits über die Landschaft gesenkt, als Katharina sich endlich aus ihrem Sessel erhob – es hätte nicht viel gefehlt und sie wäre darin eingenickt – und daran ging, ihre Koffer zu packen, die sie am nächsten Tag für den Flug nach England mitnehmen wollte. Ihr Inneres hatte sich wieder halbwegs beruhigt. Sie hoffte jetzt nur, dass sie drüben in England alles das vergessen konnte, was mit ihr und Dr. Lindau zusammenhing.

      An diesem Abend nahm sie sich aber vor, ihrer Tochter noch vor dem Abflug ein paar Blumen mit lieben Grüßen zukommen zu lassen.

      *

      Etwas furchtsam sah Alice Mangold dem Chefarzt entgegen, als der ihr Zimmer betrat. »Ist schon Visite?«, fragte sie schüchtern. »Ich habe mich noch gar nicht zurechtgemacht.«

      »Aber, aber, Fräulein Mangold, Sie befinden sich doch als Patientin in einer Klinik und nicht bei einem Schönheitswettbewerb«, scherzte Dr. Lindau und griff nach der Krankentafel. »Hm, sieht ja gut aus«, sagte er. »Wenn Sie so weitermachen, können Sie in einer Woche wieder nach Hause.«

      »Ja, wirklich?« Alice strahlte.

      »Apropos – nach Hause«, blieb Dr. Lindau bei diesem Thema. »Ich wusste nicht, dass Sie die Tochter von Frau Helbrecht sind.«

      Alice wurde verlegen. »Anfangs konnte ich das wegen meines Zustandes ja nicht sagen und …, und seit zwei Tagen schäme ich mich dafür, dass …, dass …« Sie wusste plötzlich nicht weiter.

      Dr. Lindau begriff. »Sie wissen also Bescheid?«, fragte er.

      »Ja, Rolf, Herr Sternau hat es mir erzählt«, gab Alice leise zurück. »Es tut mir auch leid, dass meine Mutter Ihnen so große Unannehmlichkeiten bereitet.«

      Dr. Lindau war gerührt. »Vergessen Sie’s!«, entgegnete er mit einem schwachen Lächeln auf den Lippen. »Ihre Mutter hat nicht das gesagt, was die Zeitung herausgebracht hat. Herr Sternau hat das missverstanden und sich selbst seinen Reim darauf gemacht.«

      »Wirklich?« Alice starrte nachdenklich vor