Die Klinik am See Jubiläumsbox 4 – Arztroman. Britta Winckler

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Название Die Klinik am See Jubiläumsbox 4 – Arztroman
Автор произведения Britta Winckler
Жанр Языкознание
Серия Die Klinik am See Box
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783740931711



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zusammen mit der Post für Dr. Lindau auf dessen Schreibtisch. Ihrer Gewohnheit folgend blätterte sie danach die Tageszeitungen durch. Man musste schließlich wissen, was sich in der Welt tat, obwohl sie sich für politische Ereignisse nur am Rande interessierte.

      »Gewalt, Krieg …, du meine Güte, wie ist die Welt doch schlecht geworden«, murmelte sie und griff nach der zweiten Zeitung – es waren die TEGERNSEER NACHRICHTEN – schlug sie auf und stutzte. »Na, so etwas, das ist doch unser Chef«, stieß sie erstaunt hervor. Interessiert betrachtete sie das ein wenig unscharfe Foto Dr. Lindaus. »Keine gute Aufnahme«, murmelte sie. »In Wirklichkeit sieht er viel besser aus.« Neugierig las sie den Text unter dem Schwarz-Weiß-Foto. Es war nicht viel, aber es reichte, um Marga Stäuber vor Zorn dunkelrot im Gesicht anlaufen zu lassen.

      »Das …, das … ist doch … unerhört«, brach es sich über ihre Lippen. »Eine Frechheit, eine Gemeinheit, dem Chef etwas Derartiges zu unterstellen«, schnaubte sie empört. »Frau Wendler«, rief sie laut nach Dr. Lindaus Assistentin. »Frau Wendler …!«

      »Sie haben mich gerufen?« Bettina Wendler erschien im Vorzimmer. »Was gibt es denn?«

      »Hier.« Die Sekretärin schob der jungen Frau die Zeitung hin und deutete auf das Foto des Chefarztes. »Lesen Sie mal!«

      Verwundert folgte die Assistentin dieser Aufforderung. Es erging ihr ebenso wie Marga Stäuber – sie war empört über diesen kurzen Artikel. Fassungslos starrte sie die Sekretärin an. »Das gibt es doch nicht«, entrüstete sie sich. »Unser Chef soll eine Patientin belästigt haben. Das ist doch lachhaft.«

      »Es ist eine Gemeinheit, so etwas überhaupt von ihm zu denken«, regte sich Marga Stäuber auf.

      »Was für eine Patientin soll das denn …«

      »Es ist kein Name genannt«, unterbrach Marga Stäuber die Assistentin. »Eine Privatpatientin steht hier nur.« In ihre Augen trat ein wildes Funkeln. »He, Bettina«, rief sie aufgebracht aus, »wir haben oder hatten in der letzten Zeit nur eine einzige Privatpatientin, nämlich diese Helbrecht aus Rottach. Nur die kann damit gemeint sein. Wie kommt dieses Frauenzimmer dazu, eine solche Behauptung aufzustellen? Das ist doch die Höhe.«

      »Wir müssen sofort den Chefarzt informieren«, schlug Bettina vor.

      »Der ist jetzt im OP und operiert«, entgegnete Marga Stäuber.

      »Aber seine Tochter, Frau Dr. Mertens, werde ich anrufen«, fügte sie nach blitzschnellen Überlegungen hinzu und griff auch schon nach dem Telefon, wählte die Nummer der Kinderabteilung und hatte Glück – Astrid Mertens meldete sich sofort.

      »Was gibt es, Frau Stäuber?«

      »Frau Doktor, kommen Sie bitte sofort zu mir!«, bat die Sekretärin.

      »Ist etwas geschehen?«, kam die bange Frage der Kinderärztin. »Mit meinem Vater etwa?«

      »Das kann man wohl sagen«, erwiderte Marga Stäuber.

      »Ich bin schon unterwegs«, war Astrids Antwort.

      Es dauerte auch nur wenige Minuten, da war sie schon zur Stelle. »Wo ist mein Vater?«, fragte sie aufgeregt. »Ist ihm etwas zugestoßen?«

      »Ihr Vater ist bei einer Operation«, klärte Marga Stäuber die Tochter des Chefs auf. »Aber lesen Sie bitte das hier!« Sie reichte der Kinderärztin die aufgeschlagene Zeitung.

      Astrid las den kurzen Artikel und wurde blass. »Das darf doch nicht wahr sein«, rief sie entrüstet. »Mein Vater und …« Wild schüttelte sie den Kopf. »Das ist doch absurd. Niemals würde Paps sich so verhalten.«

      »Dieser Ansicht sind wir auch, Frau Wendler und ich, und ich weiß, dass andere auch so denken«, versicherte die Sekretärin. »Ich frage mich nur, was diese Frau Helbrecht damit bezweckt.«

      Erstaunt sah Astrid die Sekretärin an. »Wie kommen Sie auf Frau Helbrecht?«, fragte sie verwundert.

      »Weil sie in letzter Zeit die einzige Privatpatientin in unserer Klinik war, und hier steht ja etwas von einer Privatpatientin«, erklärte Marga Stäuber resolut.

      In Astrids Gesicht zuckte es. Ihr fiel wieder der Samstagabend ein, aber auch das vermutliche Bemühen der Konsulswitwe, ihren Vater zu umgarnen, was dem allerdings gar nicht sehr gepasst hatte. Eine geradezu schockierende Ahnung wurde in ihr wach. Sollte diese Frau etwa aus verletztem Stolz und gekränkter Eitelkeit …? Astrid dachte nicht weiter, weil ihr das absurd vorkam. Andererseits jedoch, sinnierte sie weiter, gab es genügend Beispiele dafür, dass eine Liebe, die abgewiesen wurde, sehr oft in Hass und in Rachegefühle umgeschlagen waren. Konnte das nun auch bei der Konsulswitwe der Fall sein?

      »Man muss dagegen etwas tun«, unterbrach Bettina Wendler die Überlegungen der Kinderärztin.

      »Ja, und zwar schnell und sehr energisch«, meinte Marga Stäuber.

      Astrid nickte. »Ich werde mit meinem Vater reden«, sagte sie. »Er soll entscheiden, was …« Sie brach ab, weil in diesem Augenblick ihr Vater den Raum betrat.

      »Was ist denn hier los?«, fragte er lächelnd. »Eine Versammlung? Oder gar eine Verschwörung?«, fügte er scherzend hinzu. Sofort aber wurde er ernst, als er die Gesichter der drei Frauen sah, denen die Aufregung anzumerken war. »Also?«, fragte er. »Was ist geschehen, dass ihr so betretene Gesichter macht?«

      »Das hier.« Astrid reichte ihrem Vater die Zeitung.

      Dr. Lindau betrachtete sein Konterfei und las den darunterstehenden Text. Sein Körper versteifte sich. In seinen Augen blitzte es zornig auf, und in seinen Zügen zuckte es. »Das ist eine Infamie«, stieß er hervor. Im Gegensatz zu seiner Tochter brauchte er erst gar nicht zu überlegen. Er war sich sofort klar darüber, wem er diesen rufschädigenden Artikel zu verdanken hatte. Deshalb also das Foto, das der aufdringliche junge Mann am Vortage von ihm gemacht hatte. Klar war ihm aber auch, dass hinter alldem nur Katharina Helbrecht steckte, wenn er auch nicht wusste, in was für einer Art Verbindung diese zu dem Fotoreporter stand. Doch das war im Augenblick nicht so wesentlich. Dr. Lindau war sich aber auch sofort darüber im Klaren, was dieser verleumderische Artikel für Folgen haben konnte – für ihn persönlich und damit auch zwangsläufig für die Klinik. »Komm mit, Astrid!«, sagte er zu seiner Tochter und stürmte in sein Sprechzimmer.

      Astrid folgte ihrem Vater. »Dagegen musst du etwas unternehmen, Paps«, erklärte sie mit fester Stimme. »Das ist Rufmord.«

      »Das werde ich auch«, gab Dr. Lindau energisch zurück. »Lass dir aber erst erklären, was wirklich geschehen ist …«

      »Paps, du brauchst mir nichts zu erklären«, fiel Astrid dem Vater ins Wort. »Ich weiß – und nicht nur ich – dass diese Verdächtigung eine einzige Lüge ist, und ich kann mir auch gut vorstellen, wer dahintersteckt.«

      »Ich auch«, entgegnete Dr. Lindau. »Dennoch will ich dir sagen, wie es war.« Mit knappen Worten berichtete er seiner Tochter von dem massiven Annäherungsversuch der Konsulswitwe, als er in ihrem Zimmer gewesen war. »So ist es gewesen«, schloss er.

      »So ähnlich habe ich mir das auch gedacht, wenn auch nicht gerade in einem Krankenzimmer unserer Klinik«, gab Astrid zurück. Sie hätte dieser Frau Helbrecht die Augen auskratzen können, wenn sie jetzt hier gewesen wäre. »Was willst du nun unternehmen?«, fragte sie leise.

      Dr. Lindau gab keine Antwort. Er griff nach dem Telefon, blätterte kurz in seinem Merkkalender und wählte dann eine Nummer. Es war die von Katharina Helbrecht. Gespannt lauschte er. Das Freizeichen ertönte zwar, aber niemand meldete sich am anderen Ende der Leitung. »Entweder ist sie nicht zu Hause oder aber sie hebt nicht ab«, brummte er.

      Astrid wusste, wen er damit meinte. Ein Gedanke meldete sich plötzlich bei ihr. Diese Frau musste man energisch zur Rede stellen, aber nicht per Telefon, sondern persönlich, Auge in Auge. Von dieser Erkenntnis war es nur ein ganz kleiner Sprung zu dem Gedanken, das selbst zu tun. Und zwar sehr bald, von Frau zu Frau. Ja, redete sich Astrid in Gedanken zu, ich werde zu der Dame hinfahren und sie zwingen, ihre ungeheuerliche Behauptung zurückzunehmen und zwar in aller Öffentlichkeit, also