Die Klinik am See Jubiläumsbox 4 – Arztroman. Britta Winckler

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Название Die Klinik am See Jubiläumsbox 4 – Arztroman
Автор произведения Britta Winckler
Жанр Языкознание
Серия Die Klinik am See Box
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783740931711



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Patientin gerufen wurde.

      Was soll’s, fragte er sich in Gedanken. Sie ist Privatpatientin und muss wissen, was sie tut. Er war schließlich kein Kindermädchen für irgendwelche affektierten Damen, die anscheinend mit ihren Problemen nicht fertig wurden. Kopfschüttelnd folgte er der Schwester.

      *

      Zorn stand in Katharinas Augen, als sie den Pförtner anfuhr, ihr ein Taxi zu bestellen.

      »Sofort, meine Dame – in wenigen Minuten ist ein Wagen hier und …«

      Katharina hörte schon nicht mehr die Antwort des Mannes, der sich über das aufgebrachte Wesen der Frau wunderte, von der er nicht wusste, ob sie eine verspätete Besucherin war oder eine Patientin, die jetzt erst am Abend entlassen worden war.

      Katharina, die vor dem Eingang der Klinik auf das Taxi wartete, war aber mehr als aufgebracht. Ihr ganzes Innenleben hatte eine Wandlung erfahren. Es war nicht der Stoß Dr. Lindaus, der sie aufs Bett geworfen hatte, durch den sich ihre Empfindungen um 180 Grad gedreht hatten. Nein, es war die Art und Weise, wie sie von einem Mann, dem sie ihre Liebe gestanden hatte, abgewiesen worden war. Ihr klangen immer noch die Worte des Arztes im Ohr.

      »Das wird er mir büßen«, flüsterte Katharina. Sie brauchte erst gar nicht in sich hineinzuhorchen, um zu ergründen, ob da noch etwas von dem Gefühl für Dr. Lindau war. Nein, es war weg. Nichts mehr war von dem geblieben, was sie als Liebe zu diesem Mann betrachtet hatte. Etwas anderes war daraus geworden – nämlich Hass. Ja, sie hasste Dr. Lindau jetzt, und von dieser Erkenntnis bis zu dem Entschluss, sich für diese Niederlage zu rächen, war es nur ein ganz kurzer Gedankensprung. Sie würde ihm diese blamable, aber auch schmerzhafte Zurückweisung heimzahlen. Dazu war sie jetzt fest entschlossen, wenn sie auch noch nicht genau wusste, wie und in welcher Form das geschehen sollte. Auf jeden Fall sollte er merken, was er ihr angetan hatte, und er sollte es auch nie wieder vergessen. »Ungestraft darf kein Mann mich in einer solchen Art und Weise brüskieren und beleidigen«, stieß sie unbeherrscht hervor.

      Da kam auch schon das bestellte Taxi, und Katharina stieg ein. »Nach Rottach!«, rief sie dem Fahrer herrisch zu und nannte die genaue Adresse.

      Die Fahrt dahin dauerte nicht lange. Als Katharina bezahlt hatte und ausstieg, sah sie als Erstes das Auto vor ihrem Bungalow stehen. Sie kannte es, denn es gehörte Rolf Sternau. An den hatte sie in den vergangenen Tagen überhaupt nicht gedacht. Es gefiel ihr auch nicht, dass er gerade jetzt bei ihr auftauchte. Zu einem Zeitpunkt, an dem sie anderes im Kopf hatte als Zärtlichkeiten und banales Liebesgeflüster, worauf Rolf ja sicher aus war.

      »Hallo, Liebling …« Der Fotoreporter kletterte aus seinem Fahrzeug und trat auf Katharina zu. »Ich warte schon eine gestrichene halbe Stunde, weil ich mir dachte, dass du nicht allzu weit weg sein kannst, denn dein Wagen steht ja neben dem Haus.«

      Katharina gab keine Antwort, schloss die Haustür auf und begab sich ins Innere, ohne ihren jungen Freund zum Eintreten aufzufordern. Sie wusste, dass er ihr ohnehin folgte.

      Das tat Rolf Sternau auch. Erstaunt musterte er die Frau, die er als seine feste Freundin betrachtete und vielleicht sogar als seine spätere Ehefrau. Ihr aufgeregtes Wesen, das Fahrige in ihren Bewegungen, als sie sich einen doppelten Kognak einschenkte und ihn in einem Zug austrank, machte ihn stutzig. »Was ist los mit dir?«, fragte er. »Ich habe gestern einige Male bei dir angerufen, auch heute, aber du warst nicht zu Hause. Warst du verreist?« Prüfend sah er Katharina an. »Quatsch«, brummte er. »Verreist warst du nicht, denn sonst wäre dein Wagen nicht hier.«

      »Ich war in der Klinik, wenn du es schon wissen willst«, gab Katharina mehr als unwirsch zurück.

      Rolf Sternau erschrak. »Warst du krank?«, fragte er. »Weshalb bist du so durcheinander, so aufgeregt? Ist etwas passiert?«

      »Das kann man wohl sagen«, entfuhr es Katharina. »Wenn man als Frau schutzlos einem Arzt ausgeliefert ist, dann kann alles Mögliche …« Erschrocken brach sie mitten im Satz ab. Was hatte sie jetzt gesagt? Schutzlos ausgeliefert? Hinter ihrer Stirn überschlugen sich die Gedanken. Der Hass auf Dr. Lindau brach sich wieder Bahn. Wäre das nicht eine Lektion, eine Revanche für das was ihr angetan worden war?

      Ohne sich dessen richtig bewusst zu sein, hatte sie den letzten Satz mit verhaltener Stimme vor sich hin gesagt.

      Rolf Sternau hatte die Worte verstanden. »Was redest du da?« Betroffen starrte er Katharina an. »Wer hat dir was angetan?«

      »Der Chefarzt Dr. Lindau von der Klinik am See«, brach es aus Katharina hervor. »Er hat mich zutiefst gedemütigt.« Sie erlebte in diesen Sekunden noch einmal im Zeitraffertempo die Szene in dem Krankenzimmer. Von dieser Warte aus betrachtet, entsprachen ihre Worte auch in gewissem Sinne der Wahrheit – von ihrem Standpunkt aus gesehen.

      Für Rolf Sternau jedoch bekamen Katharinas Andeutungen einen völlig anderen Sinn. Da er die Zusammenhänge ja nicht kannte, ließen Katharinas Worte für ihn nur einen einzigen Schluss zu. Katharinas aufgebrachtes Wesen, ihre augenblickliche Zerfahrenheit und ihr verhaltenes Seufzen schienen ihm nur noch eine Bestätigung für das zu sein, was er annahm. »Was genau hat er dir angetan, dieser Dr. Lindau?«, fragte er beschwörend.

      »Bitte erspare mir Details!«, fuhr Katharina auf.

      »Schon gut, ich habe verstanden.« Wütend blitzte es in den Augen des jungen Mannes auf. »Diesen Leuten, die sich als Götter in Weiß aufführen, muss man das Handwerk legen«, knurrte er. »Willst du Anzeige erstatten?«, wandte er sich fragend an Katharina, die sich ein zweites Glas Kognak eingeschenkt hatte.

      »Anzeige?«, wiederholte Katharina und wurde sich plötzlich der Bedeutung und der Tragweite dieses Wortes bewusst. »Wozu und was würde ich damit erreichen?«

      »Na, erlaube mal«, fuhr Rolf Sternau entrüstet auf. »Ich meine …«

      »Rolf«, fiel Katharina dem jungen Mann unbeherrscht ins Wort, »ich möchte darüber nicht mehr sprechen. Lass mich bitte jetzt allein!«

      »Aber …«

      Katharina ließ Rolf gar nicht aussprechen. »Geh jetzt!« Fast herrisch, wie ein Befehl klang es, wie sie das sagte.

      Rolf Sternau schluckte. Einerseits verstand er wohl, dass Katharina jetzt allein sein wollte, um das von ihr angedeutete Erlebte zu verarbeiten, andererseits aber war er irgendwie verwirrt. Eines jedoch wusste er jetzt schon sehr genau. Er war schließlich ein Pressemann und war in diesen Sekunden entschlossen, diese Sache auch pressemäßig zu bearbeiten. Nicht allein deshalb, um der Öffentlichkeit ein Warnsignal zu geben, sondern auch, um Katharina eine Art Genugtuung zu verschaffen. Ja, gleich morgen wollte er das tun. »Ist schon gut, Liebling, ich geh ja schon«, sagte er. »Ich melde mich wieder.« Mit nachdenklicher Miene verließ er den Bungalow. Erst als er in seinem Wagen saß und abfuhr, fiel ihm erstaunt ein, dass er von Katharina weder einen Kuss zur Begrüßung noch einen zum Abschied bekommen hatte. Auf irgendeine Art gefiel ihm das nicht. Energisch aber lenkte er seine Gedanken in eine andere Richtung – auf das, was er sich für den kommenden Tag vorgenommen hatte, nämlich sich diesen Chefarzt der Klinik am See einmal anzusehen und möglicherweise auch ein Foto von ihm zu machen.

      Rolf Sternau wusste jedenfalls, was er sich als junger strebsamer Fotoreporter schuldig war. Sich und der Öffentlichkeit.

      *

      Lächelnd begrüßte Dr. Lindau seine augenblickliche Sorgenpatientin Alice Mangold. Er hatte sie sich bis zum Schluss der Visite aufgehoben.

      »Ich glaube, unsere junge Dame ist überm Berg«, meinte die ihn begleitende Ärztin Dr. Westphal.

      Der Chefarzt überflog die Eintragungen auf der Krankentabelle und nickte zufrieden. »Der Meinung bin ich auch«, pflichtete er der Kollegin bei. »Aber hören wir unsere Patientin doch an«, wandte er sich an Alice. »Nun, wie fühlen Sie sich, Fräulein Mangold?«, fragte er. »Haben Sie noch Erinnerungslücken?«

      »Nein, Herr Doktor«, erwiderte Alice. »Ich weiß jetzt alles.«

      »Darf man es hören?«, fragte Dr. Lindau.

      Einen Augenblick zögerte Alice,