Название | Die Klinik am See Staffel 2 – Arztroman |
---|---|
Автор произведения | Britta Winckler |
Жанр | Языкознание |
Серия | Die Klinik am See Staffel |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783740939724 |
Angela las in den Augen des Arztes, daß es ihm ernst war. Da siegte ihre Vernunft. »Wie ich hörte, haben Sie sehr viel für Patrick getan. Ich werde daher darauf verzichten, Herrn Frehner von Ihrem ungehörigen Benehmen in Kenntnis zu setzen. Ich wollte dem Kind nur eine Freude machen. Leider verhinderte dies Ihre Frau. Bitte, würden Sie Patrick nun den Teddybär geben?« Mit einer heftigen Bewegung gab Angela dem Arzt ihr Geschenk, dann verließ sie das Zimmer, ohne Patrick oder Astrid noch eines Blickes zu würdigen.
»Das darf doch nicht wahr sein«, murmelte Astrid, dann bemühte sie sich jedoch weiter um Patrick. Er hörte auch gleich auf zu weinen, trotzdem blieb sie bei ihm. Sie sorgte selbst dafür, daß er genügend zu Abend aß, und freute sich, als sie seinen guten Appetit bemerkte.
*
Angela hielt sich noch immer in der Nähe der Klinik auf. Sie mußte irgend etwas unternehmen, wußte jedoch nicht, was. Klein beigeben und abreisen kam überhaupt nicht in Frage. Wieder einmal übersah sie dabei die Tatsachen. Sie bildete sich ein, ihrem Ziel bereits sehr nahe gewesen zu sein. Wäre Patricks Erkrankung nicht gekommen, hätte Ingo sicher erkannt, daß er sie brauchte. Schließlich und endlich war auch er nur ein Mann. Sie war nahe daran gewesen, ihn von ihren Reizen zu überzeugen.
In der Nähe des Klinikeinganges setzte sie sich auf eine Bank. Angela Frehner – das hörte sich gut an. Dafür mußte man auch einige Unannehmlichkeiten in Kauf nehmen können. Der Flirt mit Andy war ja ganz nett gewesen, aber auf die Dauer nicht befriedigend. Sie gestand sich ein, daß Andy es war, der sich zurückgezogen hatte. Jedenfalls zog es sie nicht auf den Hof zurück. Sie beobachtete das Treiben vor der Klinik in der Hoffnung, daß Ingo auftauchen würde. Mit der Zeit begann sie sich zu langweilen. Viele Menschen gingen vorbei, alle schienen es eilig zu haben, keiner beachtete sie. Da fiel Angela eine Frau auf. Sie ging langsam, blieb immer wieder stehen. Sie schien Zeit zu haben. Angela sprang auf. Sie hatte das Gefühl gehabt, Ingos Auto zu sehen. Enttäuscht stellte sie jedoch fest, daß sie sich geirrt hatte. Ihr Blick fiel wieder auf die Frau. Sie stand da und starrte zur Klinik hin. Obwohl die Sonne bereits am Untergehen war, trug sie eine große Sonnenbrille. Angela wandte sich ab, sie ging bis zum Seeufer, kehrte dann wieder um. Von Ingo noch immer keine Spur. Sollte sie bei ihm anrufen? Sie mußte sich entscheiden. Sie ging auf die Telefonzelle zu, die sich direkt neben dem Klinikeingang befand, und da sah sie die Frau wieder. Bis auf wenige Schritte hatte sie sich dem Eingang genähert, verharrte jetzt jedoch wieder. In Angela wuchs die Überzeugung, daß mit der Frau etwas nicht in Ordnung war. Bisher hatte sie von ihr nur den Rücken gesehen. Sie beschloß, dicht an ihr vorbeizugehen und einen Blick in ihr Gesicht zu werfen.
Angela befand sich nur noch wenige Meter hinter der Frau, als dieser die Handtasche entglitt. Sie machte einige rasche Schritte, bückte sich und hob die Tasche auf. So war sie der Frau zuvorgekommen.
»Hier!«
»Oh, danke! Wie dumm von mir!« Die Frau nahm die Handtasche entgegen.
»Warten Sie auf jemanden?« fragte Angela neugierig.
»Warten… nein. Ich wollte nur… ich muß in die Klinik.« Plötzlich schien es die Frau eilig zu haben.
»Was haben Sie?« rief Angela ärgerlich hinter ihr her.
Die Frau blieb stehen, wandte den Kopf. »Entschuldigen Sie! Es war sehr freundlich von Ihnen. Ich muß mich jetzt jedoch beeilen.« Auf dem blassen Gesicht erschien ein gequältes Lächeln. Dann drehte die Frau sich wieder um. Beinahe wäre sie gestolpert.
Unwillkürlich sah Angela ihr nach. Der Haltung nach hatte sie die Frau für älter gehalten, der Blick in ihr Gesicht hatte ihr jedoch gezeigt, daß sie noch jung war. Im Eingang wandte sie sich noch einmal um, und da fiel bei Angela der Groschen. Das war doch die Frau, die Andy und sie in die Klinik gebracht hatten, die Frau, die dann einfach verschwunden war! Zweimal war die Polizei ihretwegen auf dem Hof von Andys Vater gewesen. Nun war es Angela, die unbeweglich dastand und auf den Eingang starrte, in dem die Frau inzwischen verschwunden war.
*
Nun stand Susanne in der Halle der Klinik. Sie wollte nicht auffallen, sie wollte nur ihr Kind sehen. Sie mußte sich davon überzeugen, daß es ihrer Manuela gutging. Nur einen Blick wollte sie auf das Kind werfen, dann wollte sie für immer aus seinem Leben verschwinden. Sie würde nach München zurückkehren und nie wieder nach Auefelden kommen.
Die Portiersloge war nicht besetzt und die Tür zur Aufnahme geschlossen. Vom Bahnhof aus hatte Susanne angerufen und erfahren, daß keine Besuchszeit mehr war und Dr. Lindau zur Zeit nicht in der Klinik war.
Susanne sah sich um. Nun bereute sie es, nicht den Hintereingang gewählt zu haben. Durch diesen hatte sie vor kurzem die Klinik ungesehen verlassen. Dort war ein Lift, da die Treppe. Susanne entschied sich für die Treppe. Sie hatte diese noch nicht erreicht, als Angela ihr nachkam.
»Warten Sie, ich komme mit!«
»Danke, ich finde mich schon allein zurecht.«
»Kennen Sie mich nicht?« Angela vertrat Susanne den Weg. »Sie müßten sich eigentlich bei mir bedanken. Ich habe dafür gesorgt, daß Sie in die Klinik gebracht wurden.«
»Der kleine Junge… er gehörte zu Ihnen?« Susanne sah unsicher auf die Frau. Sie konnte sich an ihr Gesicht nicht erinnern, aber die Stimme, sie hatte sie jetzt wieder deutlich im Ohr. Jetzt erinnerte sie sich genau, da war auch ein junger Bursche gewesen. Er hatte ihr geholfen, während dieses Mädchen nur hämische Bemerkungen gemacht hatte.
»Was hat dem kleinen Jungen denn gefehlt?« fragte sie. »Ein süßes Kind, doch plötzlich wurde sein ganzer Körper von einem heftigen Krampf geschüttelt. Ich wollte helfen…«
»Das hätten Sie lieber bleiben lassen sollen! Wir hatten dann alle Hände voll zu tun. Sie kippten einfach um. Unverantwortlich war das von Ihnen! In Ihrem Zustand mischten Sie sich noch in die Angelegenheiten fremder Leute.« Endlich hatte Angela jemanden, an dem sie ihren Ärger auslassen konnte. Diesem Mädchen gegenüber fühlte sie sich überlegen.
»Das Kind brauchte doch Hilfe.« Susanne fuhr sich unsicher ins Haar, dabei bemerkte sie, daß sie die Sonnenbrille noch trug. Sie nahm sie ab. Wenn dieses Mädchen sie erkannt hatte, dann würde auch die Ärztin sie erkennen. »Ich muß jetzt gehen«, murmelte sie.
»Mit Ihnen stimmt doch etwas nicht«, höhnte Angela. »Wissen Sie, daß die Polizei Sie sucht?«
»Die Polizei? Aber ich habe doch nichts getan. Ich habe inzwischen Arbeit gefunden. Für die Krankenhauskosten werde ich aufkommen, nur für das Kind…« Noch kannte niemand ihren Namen. Sie würde Dr. Lindau noch einmal anrufen, sie würde alles auf Heller und Pfennig zurückzahlen und sie würde ihn bitten, für ihr Kind Eltern zu suchen. Sicher kannte er Ehepaare, die keine Kinder bekommen konnten, sich aber welche wünschten. Sie vertraute Dr. Lindau. Er wurde sicher die richtige Wahl treffen.
Sie sah sich um. Inzwischen war die Halle nicht mehr leer, doch noch beachtete niemand die beiden Frauen am Fuß der Treppe.
»Ich muß jetzt gehen.«
»Wollen Sie mir nicht sagen, warum die Polizei Sie sucht? Sie wollten nicht in die Klinik.« Angela glaubte zu begreifen. »Sie waren damals bereits polizeilich registriert. Ich habe ja gleich gewußt, daß mit Ihnen etwas nicht stimmt. Andy wollte es natürlich nicht einsehen. Er mußte ja helfen! Was haben Sie denn verbrochen? Sind Sie eine Betrügerin?«
»Ich… nein!«
»Mir brauchen Sie nichts vorzumachen. Sie wollten nicht, daß wir Sie in die Klinik bringen.«
»Das stimmt! Ich wollte auch nicht mehr in die Wohnung zurück.«
»Warum werden Sie von der Polizei gesucht?« fragte Angela erneut. »Haben Sie eine Bank ausgeraubt?« Spöttisch lächelte sie. »Wen haben Sie bestohlen?«
»Ich bin doch keine Diebin!« Sekundenlang