Quellentexte zur jüdischen Geschichte und Literatur. Julius Hoxter

Читать онлайн.
Название Quellentexte zur jüdischen Geschichte und Literatur
Автор произведения Julius Hoxter
Жанр Документальная литература
Серия Judaika
Издательство Документальная литература
Год выпуска 0
isbn 9783843800242



Скачать книгу

kannst du aber auch antworten: aus der Schöpfungsgeschichte lernte er die Reihenfolge; denn es heißt: Und Abend ward, und Morgen ward, ein Tag (Gen. 1, 5). Wie versteht man dann aber die Reihenfolge in einer später folgenden Mischna, die heißt: Das Schěma am Morgen hat zwei Lobsprüche vorher und einen hinterher, das Schěma am Abend zwei vorher und zwei hinterher? Sie müsste ja das Schěma »am Abend« zuerst nennen? Der Tanna beginnt mit »dem Abend« und spricht dann »vom Morgen«, und da er nun bei dem Morgen-Schěma angelangt ist, erklärt er zuerst alles hierzu Gehörige und wendet sich dann in seiner Erläuterung dem zum Abend-Schěma Gehörigen zu.

      (Sabbat 115a b.)

      (Mischna XVI, 1.) Alle heiligen Schriften (Tora, Propheten und Hagiographen) darf man (am Sabbat) aus einer Feuersbrunst retten, einerlei, ob man aus ihnen (am Sabbat) liest (wie z. B. die Propheten, aus denen man am Sabbat die Haftara in der Synagoge liest) oder nicht (wie die Hagiographen). Auch wenn sie in irgendeiner anderen Sprache geschrieben sind, muss man sie (am Wochentag, falls sie unbrauchbar sind) in Sicherheit bringen. Warum liest man aus ihnen (den Hagiographen, am Sabbat) nicht? Um nicht die Vorträge im Lehrhaus, (die dort über Erlaubtes und Verbotenes gehalten wurden), zu versäumen.

      (Gemara.) Es wurde gelehrt: Waren sie aramäisch geschrieben oder in irgendeiner anderen Sprache, so darf man sie, wie R. Hona sagt, bei einer Feuersbrunst nicht retten; R. Chisda aber sagt, man rette sie wohl. Nach der Ansicht desjenigen, der sagt, dass man aus ihnen lesen darf, stimmen alle überein, dass man sie (am Sabbat) auch retten darf; eine geteilte Meinung ergibt sich nur nach dem, der da sagt, dass man aus ihnen nicht lesen darf. R. Hona sagt, man rette sie nicht, da man aus ihnen nicht lesen darf, R. Chisda sagt, man rette sie wohl, weil es sonst eine Missachtung der heiligen Schriften wäre.

      In der Mischna haben wir gelernt: Alle heiligen Schriften darf man aus einer Feuersbrunst retten, einerlei, ob man aus ihnen liest oder nicht, auch wenn sie in irgendeiner anderen Sprache geschrieben sind. Meinst du nicht, dass unter den zum Lesen erlaubten Büchern die Propheten und unter denen, die nicht zum Lesen erlaubt sind, die Hagiographen zu verstehen sind, auch wenn sie in irgendeiner anderen Sprache geschrieben und sie daher zum Lesen gar nicht erlaubt wären, und dass dennoch der Tanna lehrt, man rette sie; also ist dies eine Widerlegung des R. Honal (Nein.) R. Hona kann dir erwidern: »Bist du wirklich dieser Meinung, dann erkläre den Schlusssatz ›man muss sie aufbewahren‹ – wenn man sie sogar (am Sabbat) retten darf, dann ist es selbstverständlich, dass man sie (am Wochentag) aufbewahren muss.« Vielmehr erklärt R. Hona (die Mischna) nach seiner Ansicht, und R. Chisda erklärt sie nach seiner Ansicht. R. Hona erklärt sie nach seiner Ansicht: Unter Büchern, aus denen man liest, sind die Propheten zu verstehen, unter Büchern, aus denen man nicht liest, sind die Hagiographen zu verstehen; für welchen Fall treffen diese Worte (»man rettet«) zu? Nur wenn sie in der heiligen Sprache geschrieben sind. Wenn aber in irgendeiner anderen Sprache, so rette man sie nicht; jedoch müssen sie (am Wochentag) aufbewahrt werden. R. Chisda erklärt sie nach seiner Ansicht: Unter Büchern, aus denen man liest, sind die Propheten zu verstehen, unter Büchern, aus denen man nicht liest, sind die Hagiographen zu verstehen; diese rette man, auch wenn sie in irgendeiner fremden Sprache geschrieben sind, und so meint der Tanna: Das Wurmstichige von ihnen muss aufbewahrt werden. Man wandte ein: Waren sie aramäisch geschrieben oder in irgendeiner anderen Sprache, so darf man sie bei einer Feuersbrunst retten; dies ist ja eine Widerlegung des R. Honal – R. Hona kann dir erwidern: Dieser Tanna ist der Ansicht, dass man aus ihnen lesen darf. – Komm und höre: Waren sie koptisch, medisch, iberisch, elamäisch oder griechisch geschrieben, so rette man sie bei einer Feuersbrunst, obgleich man aus ihnen nicht lesen darf; dies ist ja eine Widerlegung des R. Hona! – R. Hona kann dir erwidern: Hierüber sind Tannaim verschiedener Ansicht. Es wird nämlich gelehrt: Waren sie aramäisch oder in irgendeiner anderen Sprache geschrieben, so darf man sie bei einer Feuersbrunst retten; R. Jose sagt: Man darf sie nicht retten.

      (Baba kamma VIII, 1. 83 b-84 a.)

      (Mischna): Wer seinen Nächsten verwundet, ist verpflichtet, in fünffacher Hinsicht Zahlung zu leisten: für den Schaden, den Schmerz, die Heilung, die Zeitversäumnis und die Beschämung.

      In welcher Weise (zahlt man) den Schaden? Hat er ihm ein Auge geblendet, eine Hand abgehauen, einen Fuß gebrochen, so betrachtet man ihn (den Verwundeten) als einen Sklaven, der auf dem Markt verkauft werden soll, und schätzt, wieviel er früher wert gewesen wäre, und wieviel er jetzt wert ist.

      Schmerzensgeld (zahlt man in folgender Weise): Hat er ihm mit einem Spieß oder Nagel eine Brandwunde beigebracht, wenn auch nur auf seinem Fingernagel, einer Stelle, wo keine Wunde entsteht, so schätzt man, wieviel ein Mensch seinesgleichen fordern würde dafür, dass er einen solchen Schmerz sich zufügen ließe.

      Heilungskosten (zahlt man in folgender Weise): Hat er ihn durch Schlagen verletzt, muss er ihn heilen lassen. Sind Neubildungen (wildes Fleisch) infolge der Verletzung entstanden, so ist er verpflichtet, (ihn heilen zu lassen); sind sie aber nicht infolge der Verletzung entstanden, so ist er (von den Heilungskosten) befreit. Ist die Wunde vernarbt und wieder aufgebrochen, dann nochmals vernarbt und wieder aufgebrochen, ist er verpflichtet, ihn heilen zu lassen. War sie aber vollständig geheilt, so ist er nicht weiter verpflichtet, ihn heilen zu lassen.

      Hinsichtlich der Zeitversäumnis betrachtet man ihn, als wäre er (nur) Hüter eines Gurkenfeldes. Denn den Wert seiner Hand oder den Wert seines Fußes hat er ihm ja bereits bezahlt.

      Bei der Beschämung kommt alles auf (das Ansehen des) Beschämenden und (des) Beschämten an.

      (Gemara): Warum denn (verlangt die Mischna jenen fünffachen Schadenersatz)? »Aug um Auge« hat der Allerbarmer (die Tora) gesagt, so sage doch, das Auge ist wirklich (gemeint). – Das kann dir doch nicht in den Sinn kommen, denn es wurde eine Baraita gelehrt: Man könnte glauben, dass, wenn einer das Auge eines anderen geblendet hat, man sein Auge blendet, wenn er ihm die Hand abgehauen hat, man ihm die Hand abhaut, wenn er ihm den Fuß gebrochen, man ihm den Fuß bricht, darum heißt es (in Levit. 24, 17 ff.): »Wenn er einen Menschen erschlägt … wenn er ein Stück Vieh erschlägt …« (»hat er zu ersetzen Leben für Leben … Bruch für Bruch, Auge um Auge, Zahn um Zahn«), wie es beim Erschlagen des Viehes sich nur um (Geld)ersatz handelt, so ist auch bei Verletzung eines Menschen nur Geldersatz (gemeint). Hast du aber auch (gegen diese Folgerung) etwas einzuwenden, so siehe, es heißt doch: »Und ihr sollt kein Lösegeld nehmen für das Leben des Mörders, der des Todes schuldig ist« (Num. 35, 31). Also für das Leben des Mörders darfst du kein Lösegeld nehmen, aber du darfst Lösegeld nehmen für die wichtigen Glieder, die nicht wiederhergestellt werden können …

      Abajji sagt: Dies ist aus der Lehre der Schule Rabbi Chiskijas zu entnehmen; denn in der Schule Rabbi Chiskijas wurde gelehrt: »Auge um Auge, Leben um Leben«, nicht aber Leben und Auge um Auge. Wollte man nun (die Schriftstelle) wörtlich auffassen, dann könnte zuweilen der Fall eintreten, dass man Auge und Leben für Auge zahlt. Denn während man ihn blendet, kann er sein Leben verlieren.

      (Teilweise freie Wiedergabe.)

      Der Segen des Herrn ist der Friede; – das Siegel des Herrn ist die Wahrheit. Mĕgilla 18 a. Šabbat 55 a.

      Der Mensch kann nur den Bitten und dem Weinen eines Einzigen Gehör schenken. – Gott würde, wenn auch alle menschlichen Geschöpfe zugleich sich bittend an ihn wendeten, das Weinen und die Bitten aller hören. Jalkut 171b.

      Gott umfasst die Welt; die Welt umfasst Gott nicht.

      Alles ist in der Hand Gottes, nur nicht die Gottesfurcht. Bĕrachot 33 b.

      Wer sich mit der Sünde beflecken will,