Quellentexte zur jüdischen Geschichte und Literatur. Julius Hoxter

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Название Quellentexte zur jüdischen Geschichte und Literatur
Автор произведения Julius Hoxter
Жанр Документальная литература
Серия Judaika
Издательство Документальная литература
Год выпуска 0
isbn 9783843800242



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seien im Namen Gottes; liebe Gott und fürchte ihn. Tritt voll Ehrfurcht und Freude an alle Gebote heran; lass dich nieder vor den Alten und neige dein Ohr, um ihre Worte zu hören, und dein Ohr höre willig auf die Worte deiner Genossen. Antworte nicht voreilig; sei achtsam, um auf die Dinge ihrem Inhalte nach zu antworten: das Erste zuerst und das Letzte zuletzt. Bekenne dich zur Wahrheit und sprich nicht in Gegenwart dessen, der größer an Weisheit ist als du.

      Willst du die Tora lehren, so sage nicht von dem, was du nicht verstehst: Ich verstehe es. Fragt man dich etwas, dessen du nicht kundig bist, so schäme dich nicht zu sagen: Ich weiß es nicht. Wurdest du über etwas belehrt und du verstandest es nicht, so schäme dich nicht zu sagen: Lehre es mich nochmals, und sei nicht nachsichtig mit dir, statt zu sagen: Ich habe es nicht verstanden. Rede die Worte um deswillen, was sie bewirken sollen, und rede in reiner Absicht; mache sie (die Tora) nicht zur Krone, um dich damit zu schmücken, und nicht zum Spaten, um damit zu graben. Nimm auf dich die Worte der Tora, auch im Leiden, doch fordere deine Demütigung nicht heraus. Es gibt (bei Gott) ein edles Bedenken und eine gute Festzeit, es gibt eine Verheißung, und es gibt eine Wahrheit. Liebe die Tora und ehre sie, liebe die Geschöpfe und ehre sie, liebe die Rechtschaffenheit, die Zurechtweisung und die Aufrichtigkeit.

      (Midrasch = Forschung; Sammlung meist haggadischer Auslegungen der Bibel, 3.–11. Jahrhundert n.)

      1. Mechilta (Erkl. z. II. B. Mos.) Abschnitt Jitro, Par. 2.

      Der wahrhafte Richter fördert die sittliche Weltordnung. (27)* »Und es war am andern Morgen, da saß Mose, um das Volk zu richten (dem Volke Recht zu sprechen), und das Volk stand um Mose vom Morgen bis zum Abend« (II. Mos. 18, 13). »Am andern Morgen«, das war am Morgen nach dem Versöhnungstag. »Vom Morgen bis zum Abend«; hat Mose wirklich vom Morgen bis zum Abend Israel Recht gesprochen? Die Richter haben ja nur bis zur Stunde der Mahlzeit Recht zu sprechen, was soll der Ausdruck sagen: »Vom Morgen bis zum Abend?« Das will dich lehren, dass jeder, der einen richtigen wahrhaften Urteilsspruch nach seiner (der ihm innewohnenden) Wahrheit fällt, als Mitarbeiter Gottes am Werke der Schöpfung zu betrachten ist (eigentl. dies rechnet ihm die Schrift so an, als wäre er mit dem Heiligen, gelobt sei er, am Werke der Schöpfung beteiligt). Wie es nämlich hier heißt: »Vom Morgen bis zum Abend«, so heißt es ebenfalls beim Schöpfungswerke: »Es ward Abend und ward Morgen.«

      Heiligung Gottes. (3 a)

      Es heißt III. Mos. 19, 2: »Und der Ewige redete zu Mose also: Rede zu der ganzen Gemeinde der Kinder Israel und sage ihnen: Heilig sollt ihr sein.« Diese Worte lehren, dass der Abschnitt in der Versammlung vorgetragen ward, und warum ward er in der Versammlung vorgetragen? Weil die meisten Hauptvorschriften der Tora darin enthalten sind. »Heilig sollt ihr sein«, d. h. enthaltsam sollt ihr sein. »Denn heilig bin ich, der Ewige, euer Gott«, das will sagen: Wenn ihr euch selber heiligt, so rechne ich es euch so an, als ob ihr mich geheiligt hättet; wenn ihr euch selber nicht heiligt, so rechne ich es euch so an, als ob ihr mich nicht geheiligt hättet. Oder heißt es vielleicht nur: Wenn ihr mich heiligt, bin ich geheiligt, wo nicht, bin ich nicht geheiligt? Darüber belehrt dich das Wort: »Denn heilig bin ich; ich bin in meiner Heiligkeit, ob man mich heiligt oder ob man mich nicht heiligt …«

      Liebe zu Gott. (27 a)*

      »Du sollst lieben den Ewigen, deinen Gott«, d.h. tue (alles) aus Liebe. Die Schrift macht einen Unterschied zwischen dem, dessen Tun auf Liebe beruht, und dem, dessen Tun aus Furcht geschieht. Der, dessen Tun auf Liebe beruht, wird doppelt und vielfach belohnt. Es heißt in der Schrift (V. Mos. 10, 20): »Den Ewigen, deinen Gott, sollst du fürchten, ihm sollst du dienen und ihm anhangen.« Wer sich vor seinem Nächsten fürchtet, wird, wenn dieser ihn bemüht, ihn verlassen und davongehen. Du aber handle aus Liebe; denn wo Furcht ist, da ist keine Liebe, und wo Liebe ist, da ist keine Furcht; Gott allein gegenüber kann beides vereint sein.

      Oder: »Du sollst lieben den Ewigen, deinen Gott« heißt: Mache Gott bei allen Menschen beliebt, wie dein Vater Abraham getan, von dem die Schrift sagt (I. Mos. 12, 5): »Und die Seelen, die sie in Haran gemacht.« Wenn aber alle Menschen auf Erden zusammen kommen, um eine Fliege hervorzubringen und ihr eine Seele einzuhauchen, vermöchten sie es nicht. Wie kann es also heißen: »Und die Seelen, die sie in Haran gemacht?« Das will sagen, dass unser Vater Abraham sie bekehrt und zur Erkenntnis und Liebe des einzigen Gottes geführt hat.

      1. Midrasch Tanchuma.

      (3. jüngste Rezension, Seder Bereschit S 7, fol. 9 a b. Genannt nach Rabbi Tanchuma bar Abba um die Mitte des 4. Jahrhunderts n.)

      Nachdem Hadrian, König von Edom (Römischer Kaiser), die ganze Welt bezwungen, kehrte er nach Rom zurück und sagte zu seinen Palastbeamten: »Da ich die ganze Welt bezwungen, verlange ich von euch, dass ihr mich zum Gott erkläret.« Man antwortete ihm: »Noch hast du Gottes Stadt und Tempel nicht bewältigt.« Er ging nun hin, und es gelang ihm, den Tempel zu zerstören und Israel in Verbannung zu führen. Nach Rom zurückgekehrt, sprach er zu ihnen: »Jetzt, da ich sein Haus verwüstet, seinen Tempel verbrannt und sein Volk in Verbannung geführt, jetzt erklärt mich für einen Gott.« Drei Philosophen, sagte R. Berachja, hatte er um sich. Der eine antwortete ihm: »Es empört sich niemand gegen den Kaiser, während er in dessen Palast ist, sondern nur außerhalb desselben; tritt erst aus Gottes Palast, dann kannst du Gott werden. Himmel und Erde hat er geschaffen, tritt heraus aus ihnen und dann kannst du Gott werden.« Der zweite sagte: »Du kannst nicht Gott werden, denn längst hat er zu seinen Propheten gesprochen: ›Also saget zu ihnen: Götter, welche Himmel und Erde nicht geschaffen haben, werden von der Erde und hinweg von diesem Himmel vertilgt werden‹« (Jerem. 10, 11). Der dritte sagte zu ihm: »Bitte, stehe mir bei in dieser Stunde.« Da fragte er: »Inwiefern?« Er antwortete: »Ich habe ein Schiff im Meere treiben, es ist über drei Meilen von hier, mein ganzes Vermögen ist auf ihm.« »Ich will«, sprach Hadrian, »meine Legionen und Schiffe dahin schicken, die sollen es retten.« »Mein Herr«, sprach er, »was brauchst du Legionen und Schiffe dorthin zu bemühen? Schicke etwas ruhigen Wind, dann rettest du es.« »Ja, woher habe ich denn Wind, den ich schicken könnte?« sprach der Kaiser. »So, also nicht einmal Wind vermagst du zu schicken, und du willst ein Gott sein? ›So spricht Gott, der Ewige‹, heißt es Jesaia 42, 5, von ihm, ›der den Himmel geschaffen und ausgespannt, der die Erde ausgebreitet und ihre Sprösslinge, der Odem gibt dem Volk auf ihr und Geist (Ruach bedeutet auch Wind) denen, die auf ihr wandeln!‹« Erzürnt ging er (Hadrian) nach Hause. Da sagte seine Gattin zu ihm: »Diese da haben dich getäuscht, indem sie sagen, dass du dich zum Gotte machen kannst. Du bist gewiss ein großer, mächtiger König, alles ist in deiner Hand. Ich will dir etwas anderes sagen: Gib ihm sein Pfand zurück, und dann mache dich zum Gott.«

      »Was ist denn sein Pfand?« fragte er. »Sein Pfand ist die Seele«, antwortete sie ihm. »Ja«, sprach er, »wenn meine Seele entschwindet, was kann ich denn da noch tun?« Da sprach sie: »Über die Seele, die in dir ist, hast du keine Gewalt, wie es ja auch heißt: ›Kein Mensch hat die Macht, den Geist zurückzuhalten, und keine Herrschaft gibt es am Tage des Todes.‹ (Pred. Sal. 8, 8.) Wie also willst du dich zum Gotte machen, du aber bist ein Mensch und kein Gott!«

      (rabba = groß, ursprünglich auf Rabbi Oschaja im I. Satz, später auf die ganze Sammlung bezogen.)