Quellentexte zur jüdischen Geschichte und Literatur. Julius Hoxter

Читать онлайн.
Название Quellentexte zur jüdischen Geschichte und Literatur
Автор произведения Julius Hoxter
Жанр Документальная литература
Серия Judaika
Издательство Документальная литература
Год выпуска 0
isbn 9783843800242



Скачать книгу

erwiderte ihm: »Ich bin Toraschreiber.« Da sprach er zu mir: »Mein Sohn, sei vorsichtig bei deiner Arbeit; denn sie ist eine Gottesarbeit. Wenn du nur einen Buchstaben auslässt oder einen Buchstaben zuviel schreibst, zerstörst du die ganze Welt.« (Er könnte dadurch eine Gotteslästerung begehen.)

      (Kohelet rabba II, 18.)

      R. Meïr war ein ausgezeichneter Toraschreiber und verdiente als solcher wöchentlich drei Selaim. Davon verwandte er einen auf seinen Unterhalt, einen auf seine Kleidung und einen zur Unterstützung der Rabbinen …

      (Sanhedrin 24 a und Erubin 13b.)

      Wer R. Meïr im Lehrhause sah, dem kam es vor, als ob einer Berge entwurzele und einen mit dem andern riebe.

      R. Acha ben Chanina sagte: Offenbar und bekannt ist es dem, durch dessen Wort die Welt erschaffen wurde, dass im Zeitalter R. Meïrs niemand war, der ihm gleichkam. Nur deshalb setzten sie die Halacha nicht nach ihm fest, weil seine Genossen nicht in die Tiefe seiner Gedanken zu dringen vermochten. Er erklärte nämlich das Unreine als rein und begründete es und ebenso das Reine als unrein und begründete es.

      Es wird gelehrt: Er hieß nicht R. Meïr, sondern R. Nehorai, und nur deshalb wird er R. Meïr genannt, weil er die Augen der Weisen in der Halacha erleuchtete (meïr).

      (Běrachot 10a; Midrasch Mischle Kap. 3i, 10 und Jalkut Mischle Ende.)

      In der Nachbarschaft des R. Meïr wohnten nichtswürdige Leute, die ihm viele Kränkungen zufügten. Da flehte R. Meïr ihretwegen (zu Gott), dass sie sterben möchten. Seine Frau Beruria aber sprach zu ihm: »Was kommt dir in den Sinn? Du stützest dich wohl auf den Schriftvers (Ps. 10 4, 35): ›Die Sünden mögen schwinden.‹ Heißt es denn: die Sünder? Es heißt doch: die Sünden. Und beachte ferner das Ende des Verses: ›Und die Frevler sind nicht mehr.‹ Sobald die Sünden vergehen, sind auch die Frevler nicht mehr da. Bitte daher für sie um Erbarmen, dass sie Buße tun, ›so sind die Frevler nicht mehr.‹« Hierauf flehte er für sie um Erbarmen, und sie taten Buße.

      R. Meïr saß einmal am Sabbatnachmittag im Lehrhaus und hielt einen Vortrag. Während dieser Zeit waren seine zwei Söhne gestorben. Was tat ihre Mutter? Sie legte beide auf das Bett und breitete ein Tuch über sie aus. Am Ausgange des Sabbats kam R. Meïr aus dem Lehrhause. Er fragte sie: »Wo sind meine beiden Söhne?« »Sie sind ins Lehrhaus gegangen«, gab sie zur Antwort. Er sprach zu ihr: »Ich habe im Lehrhaus nach ihnen Umschau gehalten und sie nicht gesehen.« Sie reichte ihm darauf den Becher der Habdala, und er machte Habdala. Da wiederholte er seine Frage: »Wo sind meine beiden Söhne?« Sie sprach: »Beide sind nach dem und dem Orte gegangen, und jetzt kommen sie.« Sie trug ihm nun Speise auf. Nachdem er gegessen und den Segen gesprochen hatte, sagte sie: »Rabbi, ich habe eine Frage an dich zu stellen.« »Frage«, entgegnete er. Sie sprach: »Rabbi, vor einiger Zeit kam ein Mann und gab mir etwas zur Aufbewahrung, jetzt kommt er, um es wiederzuholen. Sollen wir es ihm zurückgeben oder nicht?« »Meine Tochter«, versetzte der Rabbi, »wer etwas zur Aufbewahrung erhalten hat, muss der es seinem Eigentümer nicht zurückgeben?« Da sprach sie: »Rabbi! Ohne dein Wissen hätte ich es ihm nicht wiedergegeben.« Was tat sie nun? Sie erfasste seine Hand und führte ihn hinauf in das Gemach, brachte ihn an das Bett und zog das Tuch von ihnen hinweg; nun sah er beide tot auf dem Bett liegen. Da fing er an zu weinen und rief: »Meine Söhne, meine Söhne! Meine Lehrer, meine Lehrer! Meine Söhne – nur nach irdischer Ordnung, doch: meine Lehrer, weil sie meine Augen in der Tora erleuchtet haben.« In diesem Augenblick sprach sie zu ihm: »Rabbi, hast du mir nicht gesagt, dass wir das Aufbewahrte seinem Eigentümer wieder zustellen müssen? Hat nicht Hiob (I, 21) gesagt: ›Der Ewige hat gegeben, der Ewige hat genommen, der Name des Ewigen sei gelobt‹ …« Auf diese Weise tröstete sie ihren Mann und beruhigte ihn.

      (Geb. um 135 n., gest. nach 200, wirkte in Tiberias, Bet Schearim und Sepphoris, Redaktor der Mischna, meist »Rabbi«, auch »Rabbenu Hakadosch« genannt. Über Juda Hanassi und Kaiser Antoninus vgl. XIV f., über die Entstehung der Mischna vgl. XX, 3. Ausspruch vgl. XII, e.)

      Von den Tagen Moses bis auf Rabbi herab finden wir nicht Tora (Gesetzeskenntnis) und Größe (Ansehen und Reichtum) an einem Orte (in einer Person) vereinigt. (Sanhedrin 36 a.)

      R. Simon ben Menasja … sagte: Schönheit, Kraft, Reichtum, Ehre, Weisheit, Alter, Greisenhaupt, Kindersegen sind eine Zierde der Frommen und eine Zierde für die Welt … Diese sieben Eigenschaften, die die Weisen den Frommen zuerteilen, sind sämtlich in Rabbi und seinen Kindern zur Verwirklichung gelangt. (Abot VI, 8 u. 9.)

      … Bei Rabbi kamen die Züchtigungen durch ein Ereignis und gingen durch ein Ereignis fort. Durch welches Ereignis kamen sie? Einst wurde ein Kalb zum Schlachten geführt; da versteckte es den Kopf in den Rockzipfel Rabbis und weinte (schrie). Da sprach er zu ihm: »Geh, dazu bist du ja erschaffen worden.« Darauf sprach man (im Himmel): »Weil er kein Mitleid hatte, so sollen Züchtigungen über ihn kommen …« Und durch ein Ereignis gingen sie wieder fort. Eines Tages fegte die Magd Rabbis das Haus und fegte junge Wiesel, die da lagen, mit fort. Da sprach er zu ihr: »Lass sie, es heißt Ps. 145, 9: ›Sein Erbarmen erstreckt sich auf alle seine Werke.‹« Darauf sprach man (im Himmel): »Weil er Mitleid hatte, wollen wir mit ihm Mitleid haben.« (Baba mezia 85 a.)

      Am Tage, an dem Rabbi seinem Ende entgegenging, ordneten die Rabbinen ein Fasten an und flehten um Erbarmen. Sie bestimmten: Wer da sagt, Rabbi sei verschieden, werde mit einem Schwerte erstochen … Die Seele Rabbis kehrte zur Ruhe ein. Hierauf sprachen die Rabbinen zu Bar Kappara: »Geh und sieh nach.« Als er hineinkam, fand er, dass Rabbi verschieden war. Da zerriss er sein Gewand, drehte aber den Riss nach der Rückseite und sprach: »Die Gewaltigen und die Stützen (die Engel und die Frommen) erfassten die heilige Bundeslade; da besiegten die Gewaltigen die Stützen, und die heilige Lade wurde entführt.« Sie sprachen zu ihm: »Seine Seele ist wohl zur Ruhe eingekehrt?« Er erwiderte: »Ihr habt es gesagt, ich habe es nicht gesagt.« (Kĕtubot 104a.)

      (Die durch Juda Hanassi um 200 n. abgeschlossene Sammlung der mündlichen Überlieferung.)

      a) Traktat Bĕrachot, »Segenssprüche«, den Ackergesetzen vorangehend. I. Abschnitt, 1. Mischna.

      Die Zeit des abendlichen Schĕmagebetes.

      Von wann an liest man das Schĕma am Abend? Von der Stunde an, da die Priester (die an diesem Tage ein Tauchbad nehmen mussten) eintreten, um von ihrer Hebe (einer Abgabe von Getreide und Früchten, die man den Priestern geben musste) zu essen, (d. h. vom Aufgang der Sterne an) bis zum Ende der ersten Nachtwache. (Die Nacht wird in drei Nachtwachen eingeteilt.) Dies sind die Worte des Rabbi Elieser. Die Weisen sagen: bis Mitternacht. Rabban Gamliel sagt: bis die Morgenröte aufsteigt. Es geschah einst, dass seine Söhne vom Gastmahle zurückkamen und zu ihm sprachen: »Wir haben das Schĕma noch nicht gelesen.« Er erwiderte ihnen: »Wenn die Morgenröte noch nicht aufgestiegen ist, seid ihr verpflichtet, (das Schĕma) zu lesen.« Und nicht nur für diesen Punkt ordneten sie das an, sondern überall, wo die Weisen ›bis Mitternacht‹ gesagt haben, gilt die Vorschrift: bis die Morgenröte aufsteigt … Wenn dem aber so ist, warum sagten die Weisen: ›bis Mitternacht‹? Um den Menschen von der Übertretung fernzuhalten.

      Dinge ohne Maß.