Quellentexte zur jüdischen Geschichte und Literatur. Julius Hoxter

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Название Quellentexte zur jüdischen Geschichte und Literatur
Автор произведения Julius Hoxter
Жанр Документальная литература
Серия Judaika
Издательство Документальная литература
Год выпуска 0
isbn 9783843800242



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sie eine ganz besondere Auszeichnung erfahren, die keiner andern Einrichtung zuteil geworden ist. Ein Beweis dafür ist Folgendes: In Hellas und im Barbarenlande gibt es, möcht’ ich sagen, keine Stadt, die die Gesetze einer andern Stadt ehrt, ja kaum die eigenen für immer beibehält, sondern sie treffen Änderungen nach dem Wandel von Zeit und Umständen. Die Athener verwerfen die Sitten und Bräuche der Lakedämonier und die Lakedämonier die der Athener. Auch im Barbarenlande beobachten die Ägypter nicht die Gesetze der Skythen oder die Skythen die der Ägypter, kurz, die Bewohner Asiens nicht die der Völker Europas und die Bewohner Europas nicht die der asiatischen Völker, sondern fast vom Sonnenaufgang bis zum Sonnenuntergang steht jedes Land und Volk und Staatswesen den fremden Bräuchen mit Abneigung gegenüber und vermeint die Schätzung der eigenen Einrichtungen durch Missachtung der andern zu erhöhen. Nicht so verhält es sich mit unseren Gesetzen. Sie locken alle an sich und wissen sie zu gewinnen, Barbaren, Hellenen, Bewohner des Festlands, Inselbewohner, Völker des Orients und des Okzidents, Europa, Asien, die ganze bewohnte Welt von einem Ende bis zum andern. Wer z. B. hielte nicht den bekannten heiligen Sabbat in hohen Ehren, Rast von Mühen und Erholung sich selbst und seiner Umgebung, nicht Freien nur, sondern auch Sklaven, ja noch mehr, auch den Lasttieren gönnend! Denn die Ruhe von der Arbeit naht sowohl jeder Herde als auch allen Wesen, die für den Dienst des Menschen wie Sklaven für den Dienst ihres natürlichen Herrn geschaffen sind, ja sie naht auch Bäumen und Gewächsen jeder Art; denn nicht ein Reis, nicht ein Zweig, ja nicht einmal ein Blatt abzuschneiden oder irgendeine Frucht zu pflücken ist erlaubt, sondern alles ist an jenem Tage aus dem Dienst entlassen und genießt gewissermaßen Freiheit, denn wie auf staatliche Anordnung rührt sie niemand an. Wer ferner betrachtet nicht mit Bewunderung und Ehrfurcht das sogenannte »Fasten«, das alljährlich mit größerer Strenge und Feierlichkeit abgehalten wird als die »heilige Festzeit« (der Griechen)? Denn während es bei dieser viel ungemischten Wein und reichbesetzte Tafeln und alles andere, was Essen und Trinken betrifft, in reicher Fülle gibt, wodurch die unersättlichen Gelüste des Bauches geweckt werden, die noch dazu auch die sinnlichen Begierden entfesseln, darf bei jenem weder Speise noch Trank genossen werden, damit man mit reinen Gedanken, ohne das Hindernis und Hemmnis irgendeiner körperlichen Regung, wie sie infolge der Übersättigung einzutreten pflegen, das Fest feiere, den Vater des Alls durch angemessene Gebete versöhnend, durch die man Vergebung für alte Schuld und Erlangung und Genuss neuen Guts zu erbitten pflegt.

      1. Buch. (16)

      Der Garten Eden.

      »Und Gott pflanzte einen Garten in Eden nach Sonnenaufgang zu und setzte dorthin den Menschen, den er gebildet hatte.« (1. Mos. 2, 8.) Die erhabene, himmlische Weisheit hat die Schrift vielfältig bezeichnet, um ihre Vielnamigkeit darzutun; sie hat sie Anfang, Urbild und Schauen Gottes genannt. Hier aber stellt sie das Abbild des Urbildes, die irdische Weisheit, durch die (Erzählung von der) Pflanzung des Gartens dar. Denn der Menschengeist möge nicht in solcher Ruchlosigkeit befangen sein, um glauben zu können, dass Gott Feldarbeit tue und Gärten pflanze. Denn wir müssen sofort fragen, warum er das täte; doch gewiss nicht, um sich vergnügliche Erholung und Behaglichkeit zu verschaffen – solch mythisches Gerede möge uns nie in den Sinn kommen! –. Ist doch nicht einmal die ganze Welt ein Gottes würdiger Wohnort und Aufenthalt, da er selbst sein eigener Ort, seiner selbst voll und sich selbst genügend ist, der die anderen Wesen in ihrer Dürftigkeit, Öde und Leere erst erfüllt und umfasst, selbst aber von keinem anderen umfangen wird, da er ja selbst der Eine und das All ist. Die irdische Tugend also sät und pflanzt Gott für das Menschengeschlecht, die Nachahmung und das Abbild der himmlischen. Denn er hatte Mitleid mit unserem Geschlecht, da er sah, welch ungemeine Fülle des Schlechten in ihm enthalten ist, und so begründete er als Schutz und Hilfe gegen die Krankheiten der Seele die irdische Tugend, die Nachahmung der urbildlichen himmlischen, wie ich sagte, die die Schrift mit vielen Namen bezeichnet. Ein Garten heißt nun die Tugend in übertragener Redeweise, der dem Garten angemessene Ort Eden, was soviel wie froher Genuss bedeutet; denn zur Tugend gehören Friede, Wohlbefinden und Freude, in denen in Wahrheit das frohe Genießen besteht. Und nach Sonnenaufgang zu geschieht die Pflanzung des Gartens; denn die rechte Vernunft geht nicht unter und erlischt nicht, sondern geht stets auf. Und wie die Sonne, meine ich, wenn sie aufgeht, das Dunkel der Luft mit Lichtglanz füllt, so erhellt auch die Tugend, wenn sie in der Seele aufleuchtet, deren Dunkel und zerstreut die tiefe Finsternis. »Und er setzte dorthin den Menschen, den er gebildet hatte«, heißt es weiter. Denn da Gott gut ist und unser Geschlecht zur Tugend als der angemessensten Betätigung erziehen will, setzt er den Geist in der Tugend ein, natürlich, damit er, einem guten Landwirt gleich, nur sie warte und pflege.

      (Bemerkungen über Mischna und Gemara siehe XII und XIV. Unter Tannaim XI und Amoräer XIII sind talmudische Quellenstücke gegeben, die die Weisen als geschichtliche Persönlichkeiten hervortreten lassen, unter Mischna und Gemara werden dagegen rein literarische Proben geboten.)

      a) Während der Belagerung Jerusalems unter Vespasian. (10a)

      (Talm. Babl. Gittin 56 a und b. Freie Wiedergabe. – Aussprüche vgl. XII, e.)

      Der römische Kaiser sandte Vespasian gegen Jerusalem, das dieser drei Jahre belagerte. Damals lebten drei reiche Männer in der Stadt: Nikodemon ben Gorjon, Ben Kalba Sabua und Ben Zizit Hakassat …, welche die Stadt auf einundzwanzig Jahre hinaus mit Weizen, Gerste und Holzvorrat hätten halten können. Aber die Bar Jone (die Anhänger der Kriegspartei), welche auf den Krieg bestanden, hinderten den Friedensschluss, steckten die Weizen- und Gerstenmagazine in Brand, (um die Stadtbevölkerung durch Hunger zu Wutausbrüchen gegen die Belagerer aufzupeitschen), und es entstand Hungersnot, von der selbst die Reichsten nicht verschont blieben. Denn selbst Martha, die Tochter des Boëthos, eine der reichsten Frauen Jerusalems, sandte mehrmals vergebens ihren Diener auf den Markt, um Brot oder Mehl einzukaufen. War er zuerst ausgeschickt, feines Brot einzukaufen, das aber, als er auf den Markt kam, nicht mehr vorhanden, so wurden auch die anderen Sorten verkauft, während er nach Hause gegangen war, um zu fragen, ob er auch eine gröbere Sorte bringen dürfe, und so ging es weiter, bis auch von der geringsten Mehlsorte nichts mehr zu haben war. Nun versuchte sie selbst, in der Stadt nach Nahrung sich umzusehen, denn nagender Hunger hatte sie befallen. Aber sie, die verwöhnte und verzärtelte Tochter, deren Fuß nie das Straßenpflaster betreten, die nur den Wagen oder den Tragsessel kannte, sie erlag den ungewohnten Strapazen …

      Der Schwestersohn des R. Jochanan ben Sakkai, Abba Sikra, war das Haupt der Barjone. Zu diesem sandte der Gelehrte, er solle insgeheim zu ihm kommen. Der kam auch; da fragte ihn der Oheim: »Wie lange wollt ihr noch die Einwohnerschaft durch Hunger zugrunde richten?« Da antwortete er: »Was soll ich machen? Sage ich ihnen etwas, so töten sie mich.« Darauf R. Jochanan: »Weißt du vielleicht für mich eine Gelegenheit, aus der Stadt zum römischen Feldherrn zu entkommen? Vielleicht wird es mir durch persönliche Verhandlung möglich, etwas zu retten.« Da antwortete er ihm: »Stelle dich schwer krank; alle Welt wird kommen, nach dir zu fragen, und wenn dafür gesorgt ist, dass etwas ins Haus gelegt wird, was einen schlechten Geruch verbreitet, so wird bald das Gerücht über dich entstehen, du seiest gestorben. Natürlich dürfen nur deine Schüler, die ins Vertrauen gezogen sind, in das angebliche Sterbezimmer kommen und für deine Fortschaffung sorgen; kein Fremder darf sich dabei beteiligen, damit man nicht merke, dass du leicht seiest; denn jene wissen sehr wohl, dass der Lebende leichter ist als der Tote.« Er tat so. R. Elieser kam von der einen, R. Josua von der anderen Seite, um den Sarg hinauszutragen.

      Als sie an das Stadttor kamen, wollten die Wachtposten, um zu prüfen, ob nichts Verbotenes hinausgebracht werde, in den Sarg hineinstechen, aber Abba Sikra sprach: »Wie dürft ihr dies wagen? Würden die Feinde doch sagen, die Juden selbst hätten auf ihren Rabbi gestochen.« Dann wollten sie den Sarg schütteln; da sprach Abba Sikra: »Soll man sagen können, die Juden haben die Leiche ihres Rabbi im Sarge geschüttelt!« So wendeten sie es auch ab, dass man den Sarg schüttelte. Als R. Jochanan nun