Quellentexte zur jüdischen Geschichte und Literatur. Julius Hoxter

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Название Quellentexte zur jüdischen Geschichte und Literatur
Автор произведения Julius Hoxter
Жанр Документальная литература
Серия Judaika
Издательство Документальная литература
Год выпуска 0
isbn 9783843800242



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einmal bin ich kein König, und du nennst mich König; und dann: Bin ich König, warum bist du bis heute noch nicht zu mir gekommen?« Worauf jener: »Wenn du sagst, du seiest kein König, das ist wahr, aber du wirst König werden, sonst würde Jerusalem nicht in deine Hand fallen; denn bei uns geht die Tradition, dass Jerusalem nur von einem König wird erobert werden. Und dass du fragst, warum ich bis jetzt nicht zu dir gekommen, wenn du der König bist, so antworte ich, weil es die Barjone, die unter uns sind, nicht zugegeben haben.« Darauf der Feldherr: »Wenn um ein Fass mit Honig sich eine Schlange gewunden hätte, würde man nicht, um die Schlange loszuwerden, das Fass zerbrechen?« Darauf schwieg R. Jochanan. Die Weisen aber bemerken dazu, dass es Verhältnisse im Leben gibt, in denen die Angst auch den Verstand der Klügsten versagen lässt; R. Jochanan hätte antworten sollen: Man entfernt die Schlange mit einer Zange und lässt das Fass ganz. Währenddessen kam eine Botschaft aus Rom, den Feldherrn vom Beschluss des Senats in Kenntnis zu setzen, dass man ihn, da der Kaiser gestorben sei, zum Kaiser ausgerufen habe … »Du bist ein weiser Mann,« sagte Vespasian, »du hast mir meine Würde vorausgesagt, wieso konntest du es nun bei deiner Weisheit nicht dahin bringen, früher zu mir zu kommen?« – »Habe ich dir doch den Grund gesagt!« – »Und ich dir meine Entgegnung. Nun, es sei! Ich werde fortgehen und einen anderen (zur Fortsetzung der Belagerung) schicken; du aber erbitte etwas von mir, das ich dir gewähren soll.« Darauf R. Jochanan: »Gib mir Jabne und seine Gelehrten und die fürstliche Familie des Rabban Gamliel und sende Ärzte, den R. Zadok zu heilen.« Über diesen Ausgang war aber die spätere Zeit erstaunt, auch hier habe in der Angst die Klugheit des R. Jochanan versagt. Er hätte die Aufhebung der Belagerung erbitten sollen. Doch, meint der Talmud, der Vorwurf sei ungerecht. So Großes zu verlangen, hätte vielleicht das Gegenteil zur Folge gehabt. Es hätte den Kaiser veranlassen können, auch Weniges nicht zu gewähren.

      (Talm. Babl. Běrachot 28 b.)

      Als Rabban Jochanan ben Sakkai krank war, kamen seine Schüler zu ihm, um ihn zu besuchen. Als er sie sah, fing er zu weinen an. Seine Schüler sprachen zu ihm: »Leuchte Israels, rechte Säule, mächtiger Hammer, warum weinst du?« Er sprach zu ihnen: »Wenn man mich vor einen König von Fleisch und Blut führte, der heute hier ist und morgen im Grabe ruht, dessen Zorn, wenn er über mich zürnt, kein ewiger Zorn, und dessen Fessel, wenn er mich fesselt, keine ewige Fessel, und dessen Töten, wenn er mich tötet, kein ewiges Töten ist, den ich mit Worten versöhnen und mit Geld bestechen kann, so würde ich dessenungeachtet weinen. Doch jetzt, da man mich vor den König aller Könige, den Heiligen, gelobt sei er, führt, der lebt und in alle Ewigkeit besteht, dessen Zorn, wenn er über mich zürnt, ein ewiger Zorn, dessen Fessel, wenn er mich fesselt, eine ewige Fessel, und dessen Töten, wenn er mich tötet, ein ewiges Töten ist, den ich nicht mit Worten versöhnen und mit Geld bestechen kann, und außerdem auch zwei Wege vor mir sind, einer zum Garten Eden (zum Paradies) und einer zum Gehinnom (zur Hölle), und ich nicht weiß, welchen Weg man mich führen wird, soll ich da nicht weinen?« Sie sprachen zu ihm: »Meister, segne uns!« Er erwiderte: »Möge es der Wille (Gottes) sein, dass die Furcht vor dem Himmel in euch so sei wie die Furcht vor einem Menschen von Fleisch und Blut!« Da sprachen seine Schüler zu ihm: »Nur so weit?« Er antwortete ihnen: »Oh, wenn dem doch so wäre! Wisset! wenn der Mensch eine Sünde begeht, spricht er: Wenn mich nur nicht ein Mensch sehen möchte!«

      a) Es ereignete sich, dass zwei (Zeugen) kamen und sagten: »Wir haben ihn (den Neumond) des Morgens im Osten und am Abend im Westen gesehen.« Rabbi Jochanan ben Nuri sagte: »Das sind falsche Zeugen.« Als sie aber nach Jabne kamen, nahm Rabban Gamliel sie an. Ferner kamen zwei und sagten: »Wir haben ihn zur richtigen Zeit (in der Nacht vor dem 30. Tag) gesehen, in der Schaltnacht (in der Nacht vor dem 31. Tag) aber war er nicht sichtbar.« Rabban Gamliel nahm sie an; Rabbi Dossa ben Hyrkanos erklärte dagegen: »Es sind falsche Zeugen.« Da sprach Rabbi Josua zu ihm: »Mir leuchten deine Worte ein.« Rabban Gamliel sandte hierauf zu ihm und ließ ihm sagen: »Ich befehle dir, dass du an dem Tage, auf den nach deiner Berechnung der Versöhnungstag fällt, mit Stock und Geld zu mir kommst.« Rabbi Akiba ging nun zu ihm (R. Josua) hin und fand ihn betrübt. Da sprach er zu ihm: »Ich kann beweisen, dass alles, was Rabban Gamliel getan hat, Gesetzeskraft besitzt; denn es heißt: Dies sind die Feste des Ewigen, heilige Verkündigungen, die ihr verkünden sollt. Ob zur richtigen Zeit, ob nicht zur richtigen Zeit, ich kenne keine anderen Feste als diese.« Als er (R. Josua) zu Rabbi Dossa ben Hyrkanos kam, sagte ihm dieser: »Wenn wir dem Gerichtshofe Rabban Gamliels nachforschen wollten, müssten wir auch jedem einzelnen Gerichtshofe nachforschen, der von Moses Tagen bis heute eingesetzt wurde. Es steht geschrieben (II. B. Mos. 24, 9): ›Mose und Aaron, Nadab und Abihu und siebzig von den Ältesten Israels stiegen hinauf‹. Warum sind die Namen der Ältesten nicht aufgeführt? Nur um zu lehren, dass jeweils die drei, die als Gerichtshof über Israel eingesetzt sind, dem Gerichtshofe Moses gleichstehen.« Da nahm er seinen Stock und sein Geld in die Hand und begab sich nach Jabne zu Rabban Gamliel an dem Tage, auf den nach seiner Berechnung der Versöhnungstag fiel. Rabban Gamliel aber erhob sich und küsste ihn aufs Haupt, indem er zu ihm sprach: »Willkommen, mein Lehrer und Schüler! Mein Lehrer an Weisheit, mein Schüler, da du meine Worte befolgt hast.« (Mischna Rosch Haschana II 8 u. 9) b) Die Rabbinen überlieferten: Es ereignete sich, dass ein Schüler zu Rabbi Josua kam und ihn fragte: »Ist das Abendgebet Sache des freien Willens oder Pflicht?« Dieser erwiderte ihm, es sei Sache des freien Willens. Jener kam dann zu Rabban Gamliel und fragte ihn dasselbe. Dieser erwiderte ihm aber, es sei Pflicht. Jener fragte: »Warum sagte mir R. Josua, es ist Sache des freien Willens?« Dieser antwortete: »Warte, bis die Schildträger (die Rabbinen als Gesetzesverteidiger) in das Lehrhaus kommen.« Als diese eingetreten waren, fragte jener: »Ist das Abendgebet Sache des freien Willens oder Pflicht?« Rabban Gamliel erwiderte: »Es ist eine Pflicht«, und fragte die Weisen, ob jemand etwas dagegen einzuwenden habe. R. Josua erwiderte: »Nein.« Darauf jener: »Es wurde mir ja in deinem Namen mitgeteilt, dass es Sache des freien Willens sei. So stehe auf, Josua, damit sie gegen dich zeugen.« Dieser erhob sich und sagte: »Wäre ich allein am Leben und jener (der Zeuge) nicht, so könnte der Lebende den Toten Lügen strafen; jetzt, da wir beide leben, vermag da ein Lebender den andern Lügen zu strafen?« Indessen fuhr R. Gamliel fort, sitzend zu lehren, während R. Josua stand; bis das ganze Volk zu murren begann und dem Dolmetsch Chuzpit befahl: »Halte inne!« Da hielt er inne. Das Volk sprach: »Wie lange noch wird er ihn (den R. Josua) kränken? Wegen des Neujahrs kränkte er ihn im vorigen Jahre, wegen der Erstgeburt bei dem Geschehnis mit Rabbi Zadok kränkte er ihn ebenfalls; jetzt tut er dasselbe, wir wollen ihn absetzen. Wen aber sollen wir an seine Stelle setzen? Wählen wir den R. Josua? Dieser ist sein Gegner. Über den R. Akiba wird er Strafe heraufbeschwören, weil er keine Ahnenverdienste hat. Wir wollen daher den Rabbi Elasar, Sohn des Asarja, wählen; er ist weise, reich und im 10. Glied des Esra Nachkomme. Durch seine Weisheit kann er jede seiner Fragen beantworten, durch seinen Reichtum kann er so gut wie jener dem kaiserlichen Hause Dienst erweisen, und wegen seiner hohen Abkunft darf jener über ihn keine Strafe heraufbeschwören.« Sie gingen zu Elasar und fragten: »Ist es dem Meister genehm, Oberhaupt des Kollegiums zu werden?« Dieser erwiderte: »Ich will es mit meiner Familie überlegen.« Darauf beriet er sich mit seiner Frau, welche ihm einwendete: »Vielleicht werden sie dich wieder absetzen!« Er aber sagte: »Einen Tag einen kostbaren Becher – und sollte er auch morgen zerbrechen.« Sie: »Aber du hast ja kein graues Haar?« Er war an demselben Tage achtzehn Jahre alt, und durch ein Wunder bekam er achtzehn graue Haarlocken. Daher sagte er: »Ich gleiche einem Siebzigjährigen«; er sagte aber nicht: Ich bin ein Siebzigjähriger. Es gibt eine Mitteilung, dass an demselben Tage (als er Oberhaupt wurde) der Türhüter abgeschafft und allen Schülern der Zutritt erlaubt wurde, während R. Gamliel vorher bekanntgemacht hatte, dass kein Schüler, dessen Inneres nicht seinem Äußeren entspräche, es wagen solle, in das Lehrhaus zu kommen. (Rabban Gamliel versäumte aber auch nach seiner Absetzung nicht, täglich das Lehrhaus