Quellentexte zur jüdischen Geschichte und Literatur. Julius Hoxter

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Название Quellentexte zur jüdischen Geschichte und Literatur
Автор произведения Julius Hoxter
Жанр Документальная литература
Серия Judaika
Издательство Документальная литература
Год выпуска 0
isbn 9783843800242



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fertig, sie kennen zu lernen,

      und ebenso ergründete sie nicht der Letzte.

      Denn reichhaltiger als das Meer ist ihr Sinn

      und ihre Gedanken (weit) mehr als die große Urflut.

      (ca. 20 v. bis 40 n., Philosoph in Alexandrien, versucht den Ausgleich der Lehren des Judentums mit denen der griechischen Philosophie, insbesondere mit der Lehre Platons und der Stoa, und deutet die Heilige Schrift allegorisch aus.)

      Der Logos, die göttliche Vernunft.

      … Da Gott … bei seiner Göttlichkeit im voraus wusste, dass eine schöne Nachahmung niemals ohne ein schönes Vorbild entstehen kann und dass keines von den sinnlich wahrnehmbaren Dingen tadellos sein würde, das nicht einem Urbilde und einer geistigen Idee nachgebildet wäre, bildete er, als er diese sichtbare Welt schaffen wollte, vorher die gedachte, um dann mit Benutzung eines unkörperlichen und gottähnlichen Vorbildes die körperliche – das jüngere Abbild eines älteren – herzustellen, die ebenso viele sinnlich wahrnehmbare Arbeiten enthalten sollte, wie in jener gedachte vorhanden waren.

      Wir dürfen jedoch weder sagen noch denken, dass die aus den Ideen zusammengesetzte Welt sich an irgendeinem Orte befindet; wie sie entsteht, werden wir erkennen, wenn wir ein Gleichnis aus dem menschlichen Leben betrachten. Wenn eine Stadt durch die große Freigebigkeit eines Königs gegründet wird, oder eines Führers, der sich unumschränkte Macht aneignet und zugleich durch Edelsinn ausgezeichnet ist und seinem Glücke noch mehr Schmuck verleihen will, so kommt ein geschulter Baukünstler, betrachtet das Klima und die günstige Lage des Ortes und skizziert zuerst bei sich nahezu sämtliche Teile der zu erbauenden Stadt, Tempel, Gymnasien, Amtsgebäude, Märkte, Häfen, Schiffswerfte, Straßen, die Anlage der Mauern, die Errichtung von Häusern und öffentlichen Gebäuden; sodann nimmt er wie in einem Wachssiegel in seiner Seele die Formen aller Gegenstände auf und malt sich eine gedachte Stadt aus; und nachdem er deren Bilder durch das ihm angeborene Erinnerungsvermögen aufgefrischt und ihre Merkmale sich noch tiefer eingeprägt hat, beginnt er als tüchtiger Meister, das Auge auf das Musterbild gerichtet, mit dem Bau der aus Holz und Stein bestehenden (wirklichen Stadt), indem er die körperlichen Gegenstände den einzelnen unkörperlichen Ideen vollkommen ähnlich bildet. Ähnlich haben wir uns die Sache auch bei Gott zu denken, dass er also in der Absicht, die »Großstadt« zu bauen, zuerst im Geiste ihre Formen schuf, aus denen er eine gedachte Welt zusammensetzte, und dann mit Benutzung jenes Musterbildes die sinnlich wahrnehmbare herstellte.

      Gleichwie nun die in dem Baumeister zuvor entworfene Stadt nicht außerhalb eine Stätte hatte, sondern nur der Seele des Künstlers eingeprägt war, ebenso hat auch die aus den Ideen bestehende Welt keinen andern Ort als die göttliche Vernunft, die dieses alles geordnet hat. Denn welchen andern Wohnsitz für die göttlichen Kräfte könnte es wohl geben, der geeignet wäre, ich sage nicht alle, sondern auch nur eine einzige, welche es auch sein mag, unverändert aufzunehmen und zu fassen? Eine göttliche Kraft aber ist auch die weltschöpferische, die als Quelle das wahrhaft Gute hat. Denn wenn einer die Ursache erforschen will, warum eigentlich dieses All geschaffen wurde, so scheint er mir das Ziel nicht zu verfehlen, wenn er behauptet – was übrigens auch schon einer der Alten gesagt hat –, gütig sei der Vater und Schöpfer; deshalb hat er seine vollkommene Natur nicht der Materie vorenthalten, die aus sich selbst nichts Edles hat, aber die Fähigkeit besitzt, alles zu werden. Denn von selbst war sie ungeordnet, eigenschaftslos, leblos, ungleich, voll Verschiedenartigkeit, Disharmonie und Missklang; sie empfing aber ihre Veränderung und Umwandlung in die vorzüglichen Gegensätze, in Ordnung, Beschaffenheit, Beseeltsein, Gleichheit und Gleichartigkeit, Harmonie und Wohlklang und alle anderen Eigenschaften der besseren Art.

      Von keinem Helfer – denn wer sonst existierte damals? – sondern nur von sich selbst beraten erkannte Gott, dass er mit reichen und verschwenderischen Gaben die Natur ausstatten müsse, die ohne göttliches Gnadengeschenk nicht imstande ist, irgendetwas Gutes von selbst zu erlangen. Allein nicht nach der Größe seiner Gnade – denn diese ist grenzenlos und unendlich – erweist er Wohltaten, sondern nach Maßgabe der Kräfte ihrer Empfänger; denn nicht so, wie Gott imstande ist Gutes zu tun, vermag auch das Geschöpf Gutes zu ertragen; denn über alles Maß gehen Gottes Kräfte, das Geschöpf aber ist zu schwach, um ihre ganze Größe zu fassen, und es würde versagen, wenn er nicht in angemessener Weise jedem Einzelnen das ihm zukommende Maß abwöge und abmäße. Will nun jemand einfachere Ausdrücke anwenden, so kann er wohl sagen, dass die gedachte Welt nichts anderes ist als die Vernunft des bereits welterschaffenden Gottes; denn auch die gedachte Stadt ist ja nichts anderes als der Gedanke des den Bau einer Stadt planenden Baumeisters. Das ist Moses’ Meinung, nicht etwa die meinige; sagt er doch im Folgenden bei der Beschreibung der Schöpfung des Menschen ausdrücklich, dass dieser nach dem Ebenbilde Gottes gebildet wurde (1. Mos. 1, 27). Wenn aber schon der Teil Abbild eines Bildes ist, also auch die ganze Gattung, diese ganze sinnlich wahrnehmbare Welt, da sie ja größer ist als das menschliche Abbild, eine Nachahmung des göttlichen Bildes, so ist klar, dass das ursprüngliche Siegel (das Urbild), wie wir die gedachte Welt nennen, die Vernunft Gottes selbst ist …

      Zweites Buch.

      Zuerst haben wir über seine Befähigung zur Gesetzgebung zu sprechen. Zwar weiß ich wohl, dass, wer ein vorzüglicher Gesetzgeber werden soll, alle Tugenden in vollem Umfange und ganz besitzen muss. Aber wie auch in den Familien die einen dem Geschlechte ganz nahe, die andern etwas ferner stehen, aber doch alle miteinander verwandt sind, so müssen wir auch in Betreff der Tugenden annehmen, dass mit einigen Berufen die einen enger verwachsen sind, die anderen weniger zu ihnen gehören. Mit der Fähigkeit zum Gesetzgeber ganz besonders eng verschwistert und verwandt sind nun folgende vier Eigenschaften: Liebe zu den Menschen, zur Gerechtigkeit und zum Guten und Hass gegen das Schlechte. Großen Wert hat es nun schon, wenn einer das Glück hat, auch nur eine der genannten Eigenschaften zu erlangen, bewundernswert aber ist natürlich die Fähigkeit, sie alle insgesamt zu umfassen, wie sie allein Moses erlangt zu haben scheint, der die genannten Tugenden in seiner Gesetzgebung mit voller Deutlichkeit gezeigt hat.

      Dass er selbst aber der beste von allen Gesetzgebern war, so viele es ihrer in allen Landen bei Hellenen oder Barbaren gegeben, und dass seine Gesetze vortrefflich, ja wahrhaft göttlich sind, denen nichts von dem, was erforderlich ist, mangelt, dafür ist das Folgende der deutlichste Beweis. Wenn man die Gesetze der anderen einer Betrachtung unterzieht, so wird man finden, dass sie aus sehr vielen Anlässen geändert worden sind, infolge von Kriegen oder auf Befehl von Alleinherrschern oder aus anderen unerwünschten Ursachen, die durch plötzliche Änderungen des Geschickes hereinbrachen. Oft aber veranlasste auch übertriebenes Wohlleben infolge von Wohlhabenheit und reichem Überfluss Aufhebung der Gesetze, da die Menge ein »Zuviel des Guten« nicht ertragen konnte, sondern aus Übersättigung übermütig wurde; Übermut aber ist der Feind des Gesetzes. Dagegen ist Moses der Einzige, dessen Gesetze von Dauer waren und unverändert und unerschütterlich blieben, wie von der Natur selbst mit ihrem Siegel gezeichnet, und seit dem Tage, da sie aufgeschrieben worden sind, bis heute fortbestehen und, wie wir hoffen dürfen, auch für alle künftige Zeit bestehen und gewissermaßen unsterblich sein werden, solange Sonne und Mond und der gesamte Himmel und das Weltall besteht. Trotz so vieler Wechselfälle des Volkes in Glück und Unglück wurde nichts, auch nicht das Geringste, an seinen Gesetzen geändert; denn alle hielten offenbar ihre Erhabenheit und Göttlichkeit in hohen Ehren. Was aber nicht Hunger oder Pest oder Krieg oder ein König oder ein Tyrann oder seelische oder körperliche Einwirkung durch Leid oder Bosheit oder sonst irgendein von Gott gesandtes oder von Menschenhand herrührendes Unglück aufgelöst hat, wie sollte das nicht schätzenswert und über alle Maßen herrlich sein?

      Aber das ist noch nicht das Wunderbare daran, obwohl man es an und für sich mit Recht für etwas Großes halten kann, dass die Gesetze zu aller Zeit streng beobachtet worden sind, sondern noch wunderbarer scheint es zu sein, dass nicht nur Juden, sondern auch fast