Das Passagen-Werk. Walter Benjamin

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Название Das Passagen-Werk
Автор произведения Walter Benjamin
Жанр Документальная литература
Серия
Издательство Документальная литература
Год выпуска 0
isbn 9788026829706



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seuls, qu’on a réservé en 1855 cet inextricable réseau de galeries, où ces pauvres littérateurs n’ont pas même obtenu six pieds carrés, la place d’une pierre tumulaire! Gloire à toi, papetier … Monte au Capitole, imprimeur …! Triomphez, artistes, triomphez, industriels, vous avez eu les honneurs et le profit d’une Exposition universelle, tandis que cette pauvre littérature …« (p V/VI) »Une Exposition universelle pour les gens de lettres, un Palais de cristal pour les auteurs-modistes!« Einflüsterungen eines skurrilen Dämons, dem Babou seiner Lettre à Charles Asselineau zufolge eines Tages auf den Champs Elysées begegnet sein will. Hippolyte Babou: Les payens innocents Paris 1858 p XIV [G 16 a, 2]

      Ausstellungen. »Solche vorübergehenden Veranstaltungen haben sonst keinen Einfluß auf die Gestaltung einer Stadt gehabt … In Paris … ist das anders. Und man kann gerade daran, daß hier die Riesenausstellungen mitten in die Stadt gestellt werden konnten und fast jede ein gut in das Stadtbild sich fügendes Bauwerk … zurückließ, den Segen einer großartigen Grundanlage und der fortwirkenden städtebaulichen Tradition erkennen. Paris konnte … auch die umfangreichste Ausstellung so legen, daß sie von der … Place de la Concorde zugänglich ist. Man hat an den Ufern, die von diesem Platz nach Westen führen, kilometerweit die Randbebauung so weit zurückgerückt, daß sehr breite Streifen zur Verfügung bleiben, die, mit vielen Reihen von Bäumen bestanden, die schönsten fertigen Ausstellungsstraßen geben.« Fritz Stahl: Paris Berlin 〈1929〉 p 62 [G 16 a, 3]

      Der Sammler

      »Toutes ces vielleries-là ont une valeur morale«

Charles Baudelaire

      »Je crois … à mon âme: la Chose«

Léon Deubel: Œuvres Paris 1929 p 193

      Hier war die letzte Unterkunft der Wunderkinder, die als Patentkoffer mit Innenbeleuchtung, als meterlanges Taschenmesser oder gesetzlich geschützter Schirmgriff mit Uhr und Revolver auf Weltausstellungen das Tageslicht erblickten. Und neben den entarteten Riesengeschöpfen die halbe, steckengebliebene Materie. Wir sind den schmalen, dunklen Gang gegangen bis zwischen einer librairie en solde, wo staubige verschnürte Konvolute von allen Formen des Konkurses reden und einem Laden mit lauter Knöpfen (Perlmutt und solchen, die man in Paris de fantaisie nennt) eine Art Wohnzimmer stand. Auf eine blaßbunte Tapete voll Bildern und Büsten schien eine Gaslampe. Bei der las eine Alte. Die ist da wie seit Jahren allein und will Gebisse »in Gold, in Wachs und zerbrochen«. Seit diesem Tage wissen wir auch, woher der Doktor Mirakel das Wachs nahm, aus dem er die Olympia verfertigt hat. □ Puppen □ [H 1, 1]

      »La foule se presse au passage Vivienne, où elle ne se voit pas, et délaisse le passage Colbert, où elle se voit trop peut-être. Un jour on voulut la rappeler, la foule, en remplissant chaque soir la rotonde d’une musique harmonieuse, qui s’échappait invisible par les croisées d’un entresol. Mais la foule vint mettre le nez à la porte et n’entra pas, soupçonnant dans cette nouveauté une conspiration contre ses habitudes et ses plaisirs routiniers.« Le livre des Cent-et-un X Paris 1833 p 58 Vor fünfzehn Jahren suchte man ähnlich und ebenso vergeblich dem Warenhaus W. Wertheim aufzuhelfen. Man gab in der großen Passage, die es durchzog, Konzerte. [H 1, 2]

      Dem, was die Dichter selbst von ihren Schriften sagen, soll man niemals trauen. Als Zola seine Thérèse Raquin gegen feindselige Kritiken verteidigen wollte, hat er erklärt, sein Buch sei eine wissenschaftliche Studie über die Temperamente. Es sei ihm nämlich darum zu tun gewesen, exakt an einem Beispiel zu entwickeln, wie das sanguinische und nervöse Temperament – zu beider Unheil – auf einander wirken. Bei dieser Mitteilung konnte niemandem wohl werden. Sie erklärt auch nicht den Einschlag von Kolportage, die Blutrünstigkeit, die filmgerechte Gräßlichkeit der Handlung. Sie spielt nicht umsonst in einer Passage. Wenn dieses Buch denn wirklich wissenschaftlich etwas entwickelt, so ist es das Sterben der pariser Passagen, der Verwesungsprozeß einer Architektur. Von seinen Giften ist die Atmosphäre dieses Buches schwanger, und an ihr gehen seine Menschen zu grunde. [H 1, 3]

      1893 werden die Kokotten aus den Passagen vertrieben. [H 1, 4]

      Musik scheint sich in diesen Räumen erst mit ihrem Untergange angesiedelt zu haben, erst als Musikkapellen selber sozusagen altmodisch zu werden begannen, weil die mechanische Musik im Aufkommen war. So daß sich also diese Kapellen in Wahrheit eher dahin geflüchtet hätten. (Das »Theatrophon« in den Passagen war gewissermaßen der Vorläufer des Grammophons.) Und doch gab es Musik im Geiste der Passagen, eine panoramatische Musik, die man jetzt nur noch in altmodisch-vornehmen Konzerten, etwa von der Kurkapelle in Monte-Carlo zu hören bekommt: die panoramatischen Kompositionen von David z. B. – Le désert, Christoph Colomb, Herculanum. Man war sehr stolz, als in den sechziger (?) Jahren eine politische Araberdeputation nach Paris kam, ihr »Le désert« in der großen Oper (?) vorspielen zu können. [H 1, 5]

      »Cinéoramas; Grand Globe céleste, sphère gigantesque de 46 mètres de diamètre où l’on nous jouera de la musique de Saint-Saëns.« Jules Claretie: La vie à Paris 1900 Paris 1901 p 61 ■ Diorama ■ [H 1, 6]

      Oft beherbergen diese Binnenräume veraltende Gewerbe und auch die durchaus aktuellen bekommen in ihnen etwas Verschollenes. Es ist der Ort der Auskunfteien und Ermittlungsinstitute, die da im trüben Licht der oberen Galerien der Vergangenheit auf der Spur sind. In den Auslagen der Friseurläden sieht man die letzten Frauen mit langen Haaren. Sie haben reich ondulierte Haarmassen, die »indéfrisables« sind, versteinerte Haartouren. Kleine Votivtafeln sollten sie denen weihen, die eine eigene Welt aus diesen Bauten machten, Baudelaire und Odilon Redon, dessen Name selbst wie eine allzugut gedrehte Locke fällt. Statt dessen hat man sie verraten und verkauft und das Haupt der Salome zum Einsatz gemacht, wenn das, was dort von der Konsole träumt, nicht das einbalsamierte der Anna Czillag ist. Und während diese versteinern ist oben das Mauerwerk der Wände brüchig geworden. Brüchig sind auch □ Spiegel □ [H 1 a, 1]

      Es ist beim Sammeln das Entscheidende, daß der Gegenstand aus allen ursprünglichen Funktionen gelöst wird um in die denkbar engste Beziehung zu seinesgleichen zu treten. Diese ist der diametrale Gegensatz zum Nutzen und steht unter der merkwürdigen Kategorie der Vollständigkeit. Was soll diese »Vollständigkeit«〈?〉 Sie ist ein großartiger Versuch, das völlig Irrationale seines bloßen Vorhandenseins durch Einordnung in ein neues eigens geschaffenes historisches System, die Sammlung, zu überwinden. Und für den wahren Sammler wird in diesem Systeme jedwedes einzelne Ding zu einer Enzyklopädie aller Wissenschaft von dem Zeitalter, der Landschaft, der Industrie, dem Besitzer von dem es herstammt. Es ist die tiefste Bezauberung des Sammlers, das. Einzelne in einen Bannkreis einzuschließen, indem es, während ein letzter Schauer (der Schauer des Erworbenwerdens) darüber hinläuft, erstarrt. Alles Erinnerte, Gedachte, Bewußte wird Sockel, Rahmen, Postament, Verschluß seines Besitztums. Man muß nicht denken, daß gerade dem Sammler der τοπος ὑπερουρανιος, der nach Platon die unverwandelbaren Urbilder der Dinge beherbergt, fremd sei. Er verliert sich, gewiß. Aber er hat die Kraft, an einem Strohhalm sich von neuem aufzurichten und aus dem Nebelmeer, das seinen Sinn umfängt, hebt sich das eben erworbene Stück wie eine Insel. – Sammeln ist eine Form des praktischen Erinnerns und unter den profanen Manifestationen der »Nähe« die bündigste. Jeder kleinste Akt der politischen Besinnung macht also gewissermaßen im Antiquitätenhandel Epoche. Wir konstruieren hier einen Wecker, der den Kitsch des vorigen Jahrhunderts zur »Versammlung⁠〈«〉 aufstört. [H 1 a, 2]

      Erstorbene Natur: der Muschelladen der Passagen. Strindberg erzählt in den »Drangsalen des Lotsen⁠〈«〉 von »einer Passage mit Laden, die erleuchtet waren«. »Dann ging er weiter in die Passage hinein … Da waren alle möglichen Arten Läden, doch nicht ein Mensch war zu sehen, weder hinter den Ladentischen noch davor. Als er eine Weile gegangen war, blieb er vor einem großen Fenster stehen, hinter welchem eine ganze Ausstellung von Schnecken zu sehen war. Da die Tür offen stand, trat er ein. Vom Boden bis zur Decke waren Gestelle mit Schnecken aller Art, aus den vielen Meeren der Erde gesammelt. Niemand war darin, aber es hing ein Tabakrauch wie ein Ring in der Luft … Und dann begann er wieder zu gehen, dem blau-weißen Läufer folgend. Die Passage war nicht gerade, sondern lief in Krümmungen, so daß man nie das Ende sah; und immer waren da neue Läden, aber kein Volk; und die Ladeneigentümer