Название | Das Passagen-Werk |
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Автор произведения | Walter Benjamin |
Жанр | Документальная литература |
Серия | |
Издательство | Документальная литература |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9788026829706 |
Das Interieur, die Spur
»En 1830, le romantisme triomphait dans la littérature. Il envahit l’architecture et placarda sur la façade des maisons un gothique de fantaisie, plaqué trop souvent en carton-pierre. Il s’imposa à l’ébénisterie. ›Tout à coup, dit le rapporteur de l’exposition de 1834, on s’est pris d’enthousiasme pour des ameublements à formes étranges: on les a tirés des vieux châteaux, des antiques garde-meubles et des dépôts de friperie, afin d’en parer des salons, modernes pour tout le reste …‹ Les fabricants s’en inspiraient et prodiguaient dans leurs meubles ›les ogives et les machicoulis‹: on voyait des lits et des armoires hérissés de créneaux, comme des forteresses du XIIIe siècle.« E. Levasseur: l. c. 〈Histoire des classes ouvrières et de l’industrie en France de 1789 à 1870 Paris 1904〉 II p 206/207 [I 1, 1]
Bei Behne anläßlich eines Ritterschrankes die gute Bemerkung: »Das Mobiliar hat sich ganz deutlich aus dem Immobiliar entwickelt.« Weiter wird der Schrank verglichen mit einem »mittelalterlichen Befestigungswerk. Wie dieses Mauern und Wälle und Gräben in immer mehr sich erweiternden Ringen als ein gewaltiges Außenwerk um ein bißchen Wohninhalt herumlegt, so ist auch hier der Schubfach- und Ladeninhalt unter einem mächtigen Außenwerk erdrückt.« Adolf Behne: Neues Wohnen, neues Bauen Lpz 1927 p 59, 61/62 [I 1, 2]
Die Wichtigkeit des Mobiliars neben dem Immobiliar. Hier ist, was zu bewältigen uns aufgegeben ist, um ein geringes leichter. Leichter, ins Herz der abgeschafften Dinge vorzustoßen, um die Konturen des Banalen als Vexierbild zu entziffern, aus den waldigen Eingeweiden einen versteckten »Wilhelm Tell« aufzustören, oder auf die Frage »Wo ist die Braut?« erwidern zu können. Vexierbilder als Schematismen der Traumarbeit hat längst die Psychoanalyse aufgedeckt. Wir aber sind mit solcher Gewißheit der Seele weniger als den Dingen auf der Spur. Den Totembaum der Gegenstände suchen wir im Dickicht der Urgeschichte auf. Die oberste, die allerletzte Fratze dieses Totembaumes ist der Kitsch. [I 1, 3]
Die Auseinandersetzung mit dem Mobiliar bei Poe. Ringen um das Erwachen aus dem Kollektivtraum. [I 1, 4]
Wie sich das Interieur gegen Gaslicht verteidigt hat: »Presque toutes les maisons neuves ont le gaz aujourd’hui; il brûle dans les cours intérieures et dans l’escalier, il n’a pas encore droit de cité dans les appartements; on l’admet dans l’antichambre, quelquefois même dans la salle à manger, mais on ne le reçoit pas dans le salon. Pourquoi? Il fane les tentures. C’est le seul motif qu’on ait pu me donner, et il n’a aucune valeur.« Du Camp: Paris V p 309 [I 1, 5]
Hessel spricht von der »träumerischen Zeit des schlechten Geschmacks«. Ja, diese Zeit war ganz auf den Traum eingerichtet, war auf Traum möbliert. Der Wechsel der Stile, das Gotische, Persische, Renaissance etc. das hieß: über das Interieur des bürgerlichen Speisezimmers schiebt sich ein Festsaal Cesare Borgias, aus dem Boudoir der Hausfrau steigt eine gotische Kapelle heraus, das Arbeitszimmer des Hausherrn spielt irisierend in das Gemach eines persischen Scheichs hinüber. Die Photomontage, die uns solche Bilder fixiert, entspricht der primitivsten Anschauungsform dieser Generationen. Nur langsam haben die Bilder, unter denen sie lebte, sich losgelöst und auf Inserate〈n〉, Etiketten, Affichen als die Figuren der Reklame sich niedergeschlagen. [I 1, 6]
Eine Serie von Lithographien um 18〈…〉 zeigte in einem verhangenen dämmernden Boudoir Frauen, wollüstig auf die Ottomane hingelagert, und diese Blätter trugen die Unterschrift: »Au bord du Tajo« »Au bord de la Néva« »Au bord de la Seine« und so fort. Der Guadalquivir, die Rhône, der Rhein, die Aare, die Tamise traten hier auf. Man glaube nicht, ein Nationalkostüm hätte diese weiblichen Figuren von einander unterschieden. Die »légende« unter diesen Frauenbildern hatte das Phantasiebild einer Landschaft über die dargestellten Innenräume zu zaubern. [I 1, 7]
Das Bild jener Salons geben, in deren gebauschten Portieren und schwellenden Kissen der Blick sich verfing, in deren Standspiegeln Kirchenportale und in deren Causeusen Gondeln vor den Blicken der Gäste sich auftaten und auf die Gaslicht aus einer gläsernen Kugel herniederschien wie der Mond. [I 1, 8]
»Nous avons vu ce qui ne s’était encore jamais présenté: des mariages de style qu’on eut pu croire à jamais inmariables; des chapeaux premier Empire ou Restauration avec des jaquettes Louis XV; des robes Directoire avec des bottines à hauts talons – mieux encore, des redingotes à taille basse enfilées sur des robes à taille haute.« John Grand-Carteret: Les élégances de la Toilette Paris p XVI [I 1 a, 1]
Name der verschiednen Eisenbahnwagen aus der Frühzeit der Eisenbahn: berlines (fermée und ouverte), diligences, wagons garnis, wagons non garnis. □ Eisenkonstruktion □ [I 1 a, 2]
»In diesem Jahre war auch der Frühling früher und schöner denn je gekommen, so daß wir uns wirklich kaum mehr recht erinnern können, ob es hier denn eigentlich überhaupt Winter wird, und ob die Kamine zu etwas Anderm da sind, als die schönen Pendulen und Candelaber darauf zu setzen, die ja bekanntlich hier in keinem Zimmer fehlen dürfen; denn der ächte Pariser ißt lieber täglich ein Gericht weniger, nur um seine ›garniture de cheminée‹ zu haben.« Lebende Bilder aus dem modernen Paris 4 Bde Köln 1863/66 Bd II p 369 (Ein kaiserliches Familienbild) [I 1 a, 3]
Schwellenzauber. Vorm Eingang der Eisbahn, des Bierlokals, des Tennisplatzes, der Ausflugsorte: Penaten. Die Henne, die goldene Pralinéeier legt, der Automat, der unsere Namen stanzt, Glücksspielapparate, Wahrsage- und vor allem Wiegeautomaten: das zeitgemäße delphische γνωϑι σεαυτον hüten die Schwelle. Sie gedeihen bemerkenswerterweise nicht in der Stadt – machen einen Bestandteil der Ausflugsorte, der Biergärten in den Vorstädten. Und die Reise geht sonntagnachmittags nicht nur dahin, nicht nur ins Grüne, sondern auch zu den geheimnisvollen Schwellen. Verborgner waltet dieser gleiche Zauber freilich auch im Interieur der Bürgerwohnung. Stühle, die eine Schwelle, Photos die den Türrahmen flankier〈en〉, sind verkommene Hausgötter und die Gewalt, die sie zu beschwichtigen haben, trifft uns noch heute mit den Klingeln ins Herz. Versuche man doch, ihr zu widerstehen. Allein, in einer Wohnung, einem beharrlichen Klingeln nicht zu folgen. Man wird finden, es ist so schwer wie ein Exorzismus. Wie alle magische Substanz ist auch diese wieder irgendwann, als Pornographie, in den Sexus herabgesunken. Um 1830 freute sich Paris an schlüpfrigen Lithos mit verschiebbaren Türen und Fenstern. Es waren die »Images dites à portes et à fenêtres« von Numa Bassajet. [I 1 a, 4]
Zum träumerischen, womöglich orientalischen Interieur: »Alles träumt hier von plötzlichem Glück, Alles will mit einem Schlage haben, woran man in friedlichen und fleißigen Zeiten die ganze Kraft seines Lebens setzte. Die Erfindungen der Dichter sind voll von plötzlicher Umgestaltung häuslicher Existenzen, Alles schwärmt von Marquisinnen, Prinzessinnen, von den Wundern der Tausend und einen Nacht. Es ist ein Opiumrausch, der das ganze Volk ergriffen hat. Die Industrie hat hierin noch mehr verdorben, als die Poesie. Die Industrie hat den Aktienschwindel erzeugt, die Exploitationen aller möglichen Dinge, die man zu künstlichen Bedürfnissen machen wollte, und die … Dividenden.« Gutzkow: Briefe aus Paris 〈Leipzig 1842〉 I p 93 [I 1 a, 5]
»Pendant que l’art cherche l’intimisme … l’industrie marche de l’avant« Octave Mirbeau Figaro 1889 (vgl. Encyclopédie d’architecture 1889 p 92) [I 1 a, 6]
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