Die Klinik am See Staffel 1 – Arztroman. Britta Winckler

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Название Die Klinik am See Staffel 1 – Arztroman
Автор произведения Britta Winckler
Жанр Языкознание
Серия Die Klinik am See Staffel
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783740912307



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»Wenn ich dort die braune Limousine finde, dann finde ich auch die verdammte Engelmacherin«, stieß er hervor.

      »Soll ich mitkommen?«

      »Nein«, erwiderte Dr. Lindau. »Du kannst inzwischen die noch wartenden Patienten vertrösten.«

      »Auch den männlichen Patienten, der da drin sitzt?«

      »Das ist kein Patient, sondern der Verlobte von Frau Parvetti«, klärte Dr. Lindau seine Tochter auf.

      Für Sekunden war Astrid sprachlos. »Willst du ihm das sagen?« fragte sie dann aber leise.

      »Nein«, antwortete Dr. Lindau und ging ins Sprechzimmer zurück.

      »Herr Steenwell«, wandte er sich an seinen Besucher, »ich muß dringend weg. Ein Notfall. Allerdings möchte ich Sie bitten, auf meine Rückkehr zu warten. Am besten im Vorzimmer bei meiner Sekretärin. Wir reden nachher weiter.«

      »Wenn Sie es wünschen«, entgegnete Roger Steenwell und erhob sich. »Werden Sie lange wegbleiben?« fragte er. »Immerhin brennt mir die Zeit unter den Nägeln, denn ich muß schleunigst meine…«

      »In fünfzehn Minuten werde ich sicher wieder hier sein«, erwiderte Dr. Lindau und hatte es nun sehr eilig. Keine Minute später saß er schon in seinem Wagen und fuhr davon. In wenigen Minuten erreichte er die Brücke, die über die Aue führte, fuhr darüber hinweg und die leicht gewundene sandige Straße zu der an einem sanften Hang liegenden Aue-Siedlung hinauf. Aufmerksam hielt er Ausschau nach der ihm nun schon bekannten braunen Limousine der Opernsängerin. Sekunden später entdeckte er den Wagen, der neben einem der kleinen Siedlungshäuser parkte, an denen die Jahre, Wind und Wetter bereits deutliche Spuren hinterlassen hatten.

      In diesem Haus also, dachte Dr. Lindau ergrimmt und hielt sein Fahrzeug an. Er überlegte nicht länger, sondern sprang aus dem Wagen und ging mit weit ausholenden Schritten zum Haus hin. »E. Hanisch« konnte er auf einem verblichenen Schildchen neben der Haustür lesen. Entschlossen drückte er auf den daneben befindlichen Klingelknopf und ließ den Finger erst los, als sich die Tür öffnete. Vor ihm stand eine ältere Frau. Sie hatte ein hageres Gesicht und stechende braune Augen.

      »Ja, bitte? Was wollen Sie?«

      »Ich möchte mit der Dame sprechen, die bei Ihnen ist«, antwortete Dr. Lindau hart.

      »Was für eine Dame?«

      »Erzählen Sie mir nichts, Frau Hanisch«, fuhr Dr. Lindau die Frau an. »Oder soll ich Sie Patin nennen?«

      Die Frau zuckte zusammen und wurde blaß. »Wer… wer sind Sie?« stieß sie mit heiserer Stimme hervor.

      »Ich bin Doktor Lindau, der Frauenarzt dieses Ortes«, gab Dr. Lindau zurück, schob die Frau einfach beiseite und trat in das Haus. Daß das im Grunde genommen Hausfriedensbruch war, wußte er natürlich, aber im Augenblick kümmerte ihn das nicht. Er reagierte auch nicht auf den Protest der Frau. Entschlossen schritt er auf die nächste Tür zu und öffnete sie. Erleichtert atmete er auf, als er die Opernsängerin auf einem Stuhl neben dem Tisch sitzen sah. Blitzschnell überflog er mit scharfen Blicken den gesamten Raum. Von irgendwelchen Instrumenten und ähnlichem Gerät, wie es für einen Abort erforderlich war, konnte er jedoch nichts entdecken. Anscheinend hatte er gerade die ersten Vorgespräche gestört.

      Sonja Parvetti war beim Eintritt Dr. Lindaus erschrocken aufgesprungen und starrte den Arzt an. »Sie, Herr Doktor?« flüsterte sie, und ihr erster Schreck verwandelte sich in Verlegenheit.

      »Ja, ich, und wie mir scheint, gerade noch rechtzeitig…«

      »Das ist Hausfriedensbruch«, unterbrach die Frau, die sich von Eingeweihten Patin nennen ließ, zeternd den Arzt. »Ich werde…«

      »Nichts werden Sie!« fiel Dr. Lindau der Aufgebrachten scharf ins Wort. »Oder wollen Sie eine Anzeige wegen gewerbsmäßiger und ungesetzlicher Abtreibungspraktiken riskieren?«

      »Das können Sie nicht beweisen«, ereiferte sich die Frau.

      »Nicht im Augenblick«, entgegnete Dr. Lindau. »Aber wahrscheinlich würde eine gerichtliche Haussuchung einiges ergeben.«

      Die Frau zog den Kopf ein. »Verlassen Sie mein Haus!« stieß sie böse hervor. »Sie auch«, wandte sie sich an die Sängerin.

      »Wir gehen, Verehrte«, erwiderte Dr. Lindau, »aber ich werde Sie im Auge behalten. Kommen Sie, gnädige Frau!« rief er Sonja Parvetti zu.

      Enttäuscht und verzweifelt, weil es wiederum nicht geklappt hatte, ließ sich die Opernsängerin von Dr. Lindau zu ihrem Wagen führen. Erst als sie hinter dem Steuer saß, fand sie ihre Sprache wieder. »Woher wußten Sie, daß ich hier bin?« fragte sie flüsternd.

      »Meine Tochter hat Sie gesehen«, antwortete Dr. Lindau. »Seien Sie froh darüber. Jetzt aber fahren Sie bitte direkt zu meiner Praxis hin. Ich folge Ihnen in meinem Auto.«

      »Was... was... soll ich dort?« wunderte sich die Sängerin.

      »Ihr Problem lösen«, antwortete Dr. Lindau ausweichend. »Es wird alles gut werden«, fügte er hinzu. »Verlassen Sie sich darauf.« Er drückte die Seitentür zu und ging zu seinem Wagen. Als Sonja Parvetti abfuhr, startete auch er sein Fahrzeug.

      *

      Fast zwanzig Minuten wartete Roger Steenwell nun schon. Unruhig marschierte er trotz der mißbilligenden Blicke der Sekretärin im Vorzimmer hin und her. Immer wieder blickte er zum Fenster hinaus. Als er das nach Sekunden wiederum tat, stutzte er plötzlich. Den Wagen, der eben die Straße zum Doktorhaus heraufkam, kannte er. Es war die Limousine von Sonja. Aufs höchste erregt, lief er aus dem Zimmer und hinaus auf die Straße – gerade als der braune Wagen vor dem Haus hielt. Er sah Sonja aussteigen und Sekunden darauf auch Dr. Lindau.

      »Sonja!« rief Roger Steenwell erfreut und trat auf die Sängerin zu. »Was, um Himmels willen, machst du denn für Sachen?«

      Sonja Parvetti glaubte zu träumen. Sekundenlang stritten sich Betroffenheit und Freude in ihr. Die letztere siegte. »Wie kommst du denn hierher, Roger?« fragte sie mit zitternder Stimme.

      »Weil ich dich heimholen will und dich gleichzeitig vor einer Dummheit bewahren möchte«, erwiderte Roger Steenwell lächelnd und nahm die junge Frau in die Arme.

      »Du weißt es?« flüsterte Sonja Parvetti.

      »Ja, denn Melanie hat sich verplappert und mich damit zum Nachdenken gebracht«, antwortete Roger Steenwell. »Kannst du mir vergeben?«

      Ein Sturm der Gefühle meldete sich in Sonja Parvettis Innerem an. »Heißt das, daß…, daß…« Sie wußte plötzlich nicht weiter.

      »Das heißt, daß ich mich nun ebenso wie du auf unser Baby freue«, erklärte Roger Steenwell.

      »Wenn die Herrschaften möchten, können Sie sich gern in meinem Haus aussprechen«, schaltete sich in diesem Augenblick Dr. Lindau lächelnd ein. »Auf der Straße ist das nicht gerade angenehm.«

      »Danke, Doktor«, entgegnete Roger Steenwell. »Wo haben Sie Sonja überhaupt so schnell gefunden?« fragte er.

      »Ich glaube, daß Frau Parvetti Ihnen das lieber selbst sagen sollte«, gab Dr. Lindau zurück.

      »Sie haben recht, Herr Doktor«, ließ sich die Sängerin vernehmen. »Und – ich möchte Ihnen danken.«

      »Also – dann begeben wir uns ins Haus«, meinte Roger Steenwell.

      »Nein, Roger, wir fahren in mein… mein…«, in Sonja Parvettis Augen blitzte es zufrieden auf, »mein Quartier.«

      »Soll mir recht sein.« Roger Steenwell reichte Dr. Lindau die Hand. »Nochmals vielen, vielen Dank, Doktor«, sagte er.

      Auch die Sängerin gab dem Arzt verabschiedend die Hand. »Sie ahnen nicht, was Sie für mich getan haben, und wie sehr ich Ihnen dankbar bin, Herr Doktor Lindau. Sie haben mir mein Glück gerettet.«

      Ihre Stimme wurde um eine Nuance leiser. »Wir sehen uns noch, und ich hoffe, daß ich Ihnen entgelten