Название | Die Klinik am See Staffel 1 – Arztroman |
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Автор произведения | Britta Winckler |
Жанр | Языкознание |
Серия | Die Klinik am See Staffel |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783740912307 |
In den nun folgenden fünfundzwanzig Minuten beriet, untersuchte bzw. behandelte er drei Patientinnen. Es handelte sich um keine komplizierten oder ernsten Fälle, sondern lediglich um allgemeine Beschwerden, wie sie eben bei Frauen oft gang und gäbe waren. Die dritte Patientin war eben wieder gegangen, und Dr. Lindau machte einige Notizen auf deren Krankenkarteikarte, als sich plötzlich seine Sekretärin über den Sprechapparat meldete.
Dr. Lindau drückte einen Knopf. »Ja?« fragte er.
»Ein Herr möchte dringend mit Ihnen sprechen, Herr Doktor.«
»Ein Herr? Was will er? Kommt er als Patient?«
»Nein, in einer dringenden privaten Angelegenheit, sagt er.«
»Wer ist es?«
»Steenwell ist sein Name…«
Das sagte Dr. Lindau nichts. Dringend und privat, ging es durch den Kopf. Was konnte das sein? Unwillkürlich mußte er an seine Tochter denken und wurde neugierig. »Frau Stäuber, lassen Sie den Herrn herein«, sagte er und schaltete den Sprechapparat aus. Da klopfte es auch schon, und ein schlanker Mann mittleren Alters betrat das Sprechzimmer.
Dr. Lindau erhob sich hinter seinem Schreibtisch. »Herr Steinwell? Meine Sekretärin sagte mir, daß Sie dringend und in einer privaten Sache mit mir sprechen möchten«, empfing er den sehr gepflegt wirkenden Besucher.
»Nicht Steinwell, sondern Steenwell, Herr Doktor. Roger Steenwell ist mein Name…«
Dr. Lindau horchte auf. Die Aussprache dieses Besuchers hatte einen Akzent, wie er sehr oft bei deutschsprechenden Engländern oder Amerikanern zu bemerken war. »Sie sind kein Deutscher, Herr Steenwell«, stellte Dr. Lindau lächelnd fest. »Bitte, nehmen Sie Platz!« Interessiert musterte er den nicht unsympathischen Mann.
»Ich bin aus den Staaten«, kam Roger Steenwells Antwort, der auf dem dargebotenen Stuhl Platz nahm. »Deutsch-Amerikaner…«
»Aha, und was führt Sie zu mir?« fragte Dr. Lindau.
»Eine etwas heikle Angelegenheit, Doktor.« Nach amerikanischer Angewohnheit verzichtete Roger Steenwell auf den »Herrn«.
»Ich höre.« Dr. Lindau war nun gespannt. Vielleicht hat der Mann eine Freundin, bei der er ganz bestimmte ärztliche Hilfe benötigt, ging es ihm blitzartig durch den Sinn.
Roger Steenwell schluckte, zögerte noch ein wenig, fragte dann aber: »Haben Sie eine Patientin mit dem Namen Parvetti?«
Dr. Lindau versteifte sich. Alles hätte er erwartet, nur nicht diese Frage. »Sollte diese Dame Patientin bei mir sein?« antwortete er mit einer Gegenfrage. Er war nicht gewillt, einem Fremden gegenüber von und über seine Patientinnen zu sprechen.
»Sie müßte es sein«, stieß der Besucher erregt hervor. »In diesem Ort gibt es nur zwei Ärzte«, fuhr er fort. »Bei dem einen bin ich schon gewesen.« Das war auch wirklich der Fall. Unmittelbar nach seiner Ankunft im Ort hatte er sich nach einem Arzt erkundigt. Zwei hatte man ihm genannt: Dr. Scholl und Dr. Lindau. Bei dem ersteren war er gewesen, hatte dort aber erfahren müssen, daß der sich seit einer Woche schon in den Ferien befand und erst in etlichen Tagen wieder zurück sein würde. War also nur noch Dr. Lindau, an den sich Sonja gewandt haben konnte. »Also sagen Sie mir bitte – war Frau Parvetti bei Ihnen?«
Dr. Lindaus Interesse stieg. »Herr Steenwell, ich möchte zunächst einmal etwas klarstellen«, ergriff er das Wort. »Als Arzt bin ich nicht befugt, Auskunft über meine Patienten zu geben. Nicht einmal Verwandten gegenüber.«
»Ja, ja, Sie haben natürlich recht, Doktor«, gab Roger Steenwell erregt zurück. »Für Sie bin ich ein Fremder, aber für Frau Parvetti nicht, denn ich bin mit ihr verlobt, und wir wollen demnächst heiraten.«
Sieh an, dachte Dr. Lindau, so sieht also der Mann aus, der eine Frau liebt, sie heiraten will, aber keine Kinder von dieser Frau möchte. Blitzartig erinnerte er sich an das, was ihm Sonja Parvetti gebeichtet hatte.
Seine menschliche Seite war dafür, mit diesem Mann jetzt ein paar ernste Worte zu reden. Doch der Arzt in ihm verbot das, es sei denn, die Patientin hätte ihre Einwilligung gegegeben.
»Doktor«, unterbrach Roger Steenwell das sekundenlange Schweigen, »ich sehe ein, daß ich offen sprechen muß. Ich mache mir Sorgen, daß meine Verlobte sich… nun ja, wie sagt man das in deutsch… also, daß sie sich zu einer Abtreibung hinreißen läßt.«
»Weshalb nehmen Sie das an, Herr Steenwell?« schoß Dr. Lindau die Frage ab, obwohl er bereits Bescheid wußte.
Roger Steenwell druckste herum, stieß dann aber gepreßt hervor: »Weil ich meiner Verlobten gegenüber einige Male geäußert habe, daß ich keine Kinder möchte.« Leicht waren ihm diese Worte jetzt nicht gefallen. »Deshalb glaube ich, daß Sonja sich zu einem… nun ja… zu diesem Schritt entschlossen hat, weil sie glaubt, ich würde mich sonst von ihr abwenden.«
»Sie mögen keine Kinder?« fragte Dr. Lindau.
»Doch, ja«, antwortete der Besucher. »Ich wollte lediglich zumindest die nächsten Jahre mit Sonja zusammen das Leben genießen. Allein mit ihr. Ich war der Meinung, daß ein Kind dabei hinderlich ist.«
»Wenn ich alle Ihre Worte jetzt richtig verstanden habe, so scheinen Sie jetzt etwas anderer Meinung zu sein, Herr Steenwell«, entgegnete Dr. Lindau. »Ist es so?«
»Ja«, bestätigte Roger Steenwell. »Ich hatte ja nicht geahnt, daß meine Verlobte schwanger ist. Nun aber, da ich es weiß, soll das Baby auch zur Welt kommen. Ich will nicht, daß Sonja einen Abort vornehmen läßt.« Bittend sah er den Arzt an. »Verstehen Sie jetzt, weshalb ich wissen möchte, ob Frau Parvetti sich an Sie gewandt hat?« fragte er und fügte hinzu: »Einzig und allein aus diesem Grund ist sie aus Frankfurt hierher gefahren. Ich muß aber verhindern, daß sie sich das Kind wegmachen läßt, denn jetzt möchte ich es, denn ich bin der Vater.«
Hinter Dr. Lindaus Stirn überschlugen sich die Gedanken. Sollte oder durfte er unter diesen Umständen seinem Besucher nun sagen, daß die Opersängerin tatsächlich bei ihm gewesen war, daß er sie aber abgewiesen hatte? Ehe er sich aber zu einem Entschluß durchringen konnte, wurden seine Überlegungen abrupt durch das stürmische Erscheinen seiner Tochter unterbrochen.
»Paps, ich weiß nicht, ob…«, rief Astrid dem Vater zu, brach aber sofort mitten im Satz ab, als sie den Mann vor dem Schreibtisch sitzen sah. »Entschuldige, ich habe nicht gewußt, daß du Besuch hast«, murmelte sie und ging hastig in den Untersuchungsraum hinüber.
Von dort her winkte sie ihrem Vater zu.
»Meine Tochter, Herr Steenwell, entschuldigen Sie mich einen Augenblick«, sagte er zu seinem Besucher, stand auf und begab sich nach nebenan. »Was ist los?« fragte er seine Tochter.
»Ich weiß nicht, ob es was zu bedeuten hat«, erwiderte die mit gedämpfter Stimme, »aber ich habe vorhin Frau Parvetti gesehen. Sie ist in ihrem Wagen zur Aue-Siedlung hinüber gefahren. Da ich weiß, weshalb sie dich konsultiert hat und... na ja… und weil ich mich erinnerte, was du mir von jener… jener Frau dort erzählt hast, da dachte ich, daß Frau Parvetti vielleicht zu der hingefahren ist, um dort die Hilfe zu bekommen, die du ihr nicht geben konntest oder nicht wolltest.«
»Es hat etwas zu bedeuten«, stieß Dr. Lindau grimmig hervor. »Gut, daß du gleich zu mir gekommen bist.«
»Wäre das jetzt nicht die beste Gelegenheit, dieser Frau das Handwerk zu legen?« fragte Astrid aufgeregt. »Wenn Frau Parvetti bei ihr ist, könnte man doch gewissermaßen in flagranti…«
»Wenn sie dort ist, was ich eigentlich nicht bezweifle, denn was sollte eine Opernsängerin wohl in der AueSiedlung«, unterbrach Dr. Lindau seine Tochter. Hinter seiner Stirn arbeitete es. »Natürlich bin ich daran interessiert, der Frau Einhalt zu gebieten, bei ihrem ungesetzlichen Treiben«, sprach er mit ernstem Tonfall weiter. »Doch das ist zunächst zweitrangig. Mir geht es jetzt in erster Linie darum, Frau Parvetti vor einem