Die Klinik am See Staffel 1 – Arztroman. Britta Winckler

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Название Die Klinik am See Staffel 1 – Arztroman
Автор произведения Britta Winckler
Жанр Языкознание
Серия Die Klinik am See Staffel
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783740912307



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Er erinnerte sich jetzt auch, daß Sonja Parvetti tatsächlich den vorher gelüfteten Schleier beim Weggehen nicht mehr über dem Gesicht hatte. »Diese Frage kann ich dir nicht beantworten«, ging er aber auf Astrids letzte Bemerkung ein. »Ich nehme an, daß sie unerkannt bleiben wollte«, meinte er. »Das haben viele Prominente so an sich. Noch dazu, wenn sie zu einem Arzt kommen und…« Er brach mitten im Satz ab.

      »Was wollte sie denn von dir?« wurde Astrid neugierig.

      Dr. Lindau sah seine Tochter nachdenklich an. »Muß ich dir das sagen?« gab er fragend zurück.

      Astrid hatte verstanden. »Das kann man ihr aber nicht anmerken«, meinte sie.

      »Was?« Dr. Lindau zeigte Gleichgültigkeit.

      »Na, daß sie ein Kind bekommen soll«, entgegnete Astrid.

      »Habe ich davon etwas gesagt?« fragte Dr. Lindau.

      Astrid schüttelte den Kopf und lächelte. »Paps, es gefällt mir, wie elegant du die Schweigepflicht umgehst«, sagte sie. »Immerhin bin ich ja in diesem Falle…«

      »Geschenkt, Astrid«, fiel Dr. Lindau seiner Tochter betont ins Wort. »Reden wir von etwas anderem.«

      »Wie du meinst«, gab Astrid zurück. »Nur noch eine Frage: wo wohnt Frau Parvetti denn?«

      »Keine Ahnung«, erwiderte Dr. Lindau. »Ich habe sie nicht danach gefragt, und sie hat auch nichts dergleichen gesagt.« Er klopfte sich ostentativ auf den Bauch. »Jetzt aber habe ich Hunger…«

      »Wird sofort serviert«, erklärte Astrid lächelnd. »Nimm schon Platz!« Leichtfüßig verschwand sie in der Küche.

      *

      Über eine Stunde war Sonja Parvetti durch die Gegend gefahren und hatte überlegt. Sie kam zu der Erkenntnis, daß dieser Dr. Lindau nicht zu den Ärzten zählte, die Melanie gemeint hatte. Er war nicht unbedingt ablehnend gewesen, hatte ihr aber andererseits keine allzu großen Hoffnungen gemacht. Sie wußte nicht, was sie davon halten sollte. Eine fast unerträgliche Spannung war in ihr.

      Viel Zeit hatte sie nicht. In vier oder fünf Tagen spätestens mußte sie wieder in Frankfurt sein. Noch bevor Roger zurückkam. Bangigkeit ergriff sie, eine unbestimmte Angst vor den nächsten Tagen. Zum einen vor diesem von ihr gewünschten Schwangerschaftsabbruch, falls Dr. Lindau ihn überhaupt vornahm, und von dem sie nicht wußte, wie er vor sich gehen würde. Zum anderen aber fürchtete sie auch das Wiedersehen mit Roger, wenn sie ihm gestehen mußte, daß er Vater werden würde – also wenn Dr. Lindau ihr nicht helfen wollte. Einen anderen Arzt zu suchen und um Hilfe zu bitten, das konnte sie nicht. Dazu, das wußte sie jetzt schon, fehlte ihr der Mut. Roger jedoch wollte sie auch nicht verlieren. Diese Gefahr aber bestand, wenn er erfuhr, daß sie ein Baby bekommen sollte. Deutlich genug hatte er ihr das gesagt.

      Über all das grübelte Sonja Parvetti noch nach, als sie wieder im Schloß war und sich in ihr Zimmer zurückgezogen hatte.

      Die Veränderung im Wesen »ihrer kleinen Baronesse« entging Anna Schleitz natürlich nicht. Sie spürte deutlich, daß die junge Frau bedrückt war, daß diese sich mit irgendwelchen Sorgen oder Problemen abplagte. Wie gern hätte sie ihr geholfen, wenn sie nur gewußt hätte, was die kleine, nun aber erwachsene und zu einer schönen Frau gewordene Selma bedrückte. Anna Schleitz, resolut wie sie nun einmal war, nahm sich vor, bei der nächsten sich bietenden Gelegenheit den Dingen auf den Grund zu gehen.

      Diese Gelegenheit bot sich ihr noch am gleichen Abend, als Sonja Parvetti endlich ihr Zimmer verließ, in das sie sich stundenlang eingeschlossen hatte.

      Anna Schleitz deckte gerade den Tisch. Sie war allein, als Selma von Angern eintrat. Ihr Mann war draußen mit etwas beschäftigt.

      »Ich habe mir schon Sorgen gemacht, Baro… hm… Selma«, hielt sie der jungen Frau mit einem leisem Vorwurf in der Stimme vor. »Was ist eigentlich los mit Ihnen?« forschte sie drängend.

      Ein sparsames Lächeln huschte um die Lippen der Schloßherrin und gleichzeitigen Opernsängerin. »Weshalb fragst du?« gab sie mit gepreßt klingender Stimme zurück.

      »Weil ich sehe, daß Sie etwas bedrückt«, erklärte Anna Schleitz. »Sagen Sie es mir, und vielleicht kann ich Ihnen helfen.«

      »Dabei kannst du mir nicht helfen«, entfuhr es Sonja Parvetti.

      Anna Schleitz horchte auf.

      »Wobei kann ich nicht helfen?« wollte sie wissen. Ihr Interesse war geweckt, und sie ließ nun nicht locker. »Selma, Baronesse, als kleines Mädchen sind Sie doch immer zu mir gekommen, wenn Sie etwas bedrückt hat.« Eindringlich redete sie auf die junge Frau ein. »Das können, das dürfen und müssen Sie auch jetzt noch, obwohl Sie eine erwachsene Frau sind«, stieß sie hervor. »Ein Mann? Liebeskummer?«

      »Ja, das heißt – nein… und doch... ich... ich... weiß nicht weiter«, brach es aus der jungen Schloßherrin hervor. Sie hatte die Grenze der seelischen Belastbarkeit erreicht. Die eindringlichen Worte der treuen Anna hatten die innere Hemmschwelle durchbrochen. Sie verspürte plötzlich den Drang, sich jemanden mitzuteilen, von dem sie wußte, daß er sie verstehen würde.

      »Sind Sie denn nicht glücklich?« bohrte Anna weiter.

      »Ja und nein«, flüsterte die junge Frau, die in diesen Sekunden richtig verzweifelt aussah.

      Anna Schleitz legte den Arm um ihre Baronesse und führte sie zum Sofa. Sanft drückte sie sie darauf und nahm neben ihr Platz. »So, und nun erzählen Sie mir, was Sie bedrückt«, verlangte sie energisch. »Das wäre doch noch schöner, wenn wir nicht gemeinsam eine Lösung für Ihr Problem finden könnten.«

      Sonja Parvetti kämpfte sekundenlang mit sich. Doch dann brach alles aus ihr heraus, was sie bedrückte. Zuerst langsam und stockend, dann aber immer fließender schüttete sie ihr Herz aus.

      »Deshalb bin ich hergekommen«, schloß sie ihre Beichte.

      »Ist ja allerhand«, entrüstete sich Anna Schleitz, »daß dieser Herr Steenwell keine Kinder haben will und daß er mit Ihnen nichts mehr zu tun haben möchte, wenn Sie Mutter werden…«

      »Das hat er nicht so direkt gesagt, aber ich fühle, daß es so kommen wird«, wandte die junge Frau leise ein.

      »Ob direkt oder indirekt«, empörte sich die Frau des Kastellans, »spielt keine Rolle. Es ist ja schon ungeheuerlich, daß er, der Sie zu lieben vorgibt«, sprach Anna Schleitz weiter, »Sie überhaupt in so ein seelisches Durcheinander bringt. Unglaublich. Na, dem würde ich etwas erzählen, wenn ich ihn vor mir hätte.« Ihre Augen funkelten zornig. »Jetzt verstehe ich, weshalb Sie nach dem alten Doktor Bergmann gefragt haben«, fuhr sie etwas gemäßigt fort. »Tja, schade, daß der nicht mehr da ist, denn ich glaube, – daß der Ihnen geholfen hätte.« Sie atmete tief durch und stellte dann die sie nun am meisten interessierende Frage: »Haben Sie sich das wirklich gut überlegt und wollen Sie Ihr Baby tatsächlich nicht austragen?«

      Sonja oder Selma, wie sie sich hier nennen ließ, war dem Weinen nahe. »Was soll ich denn sonst machen, wenn ich Roger nicht verlieren will?« klagte sie. »Ich liebe ihn doch.«

      »Hm, ich glaube, daß ich in der gleichen Lage wahrscheinlich auch...« Anna Schleitz unterbrach sich und fragte: »Was sagt denn der Doktor Lindau dazu?«

      Die junge Schloßherrin schluckte. »Weder ja noch nein«, antwortete sie gepreßt. »Ich soll morgen wiederkommen.«

      Anna Schleitz seufzte verhalten. »Ich weiß, daß Doktor Lindau ein sehr tüchtiger und verantwortungsbewußter Frauenarzt ist, der schon vielen Frauen geholfen hat«, stieß sie hervor. »Ob allerdings in dieser Richtung, ist mir nicht bekannt.«

      Das waren nicht gerade tröstende Worte für die Sängerin. »Ich ziehe mich jetzt zurück«, murmelte sie und ging.

      »Wollen Sie denn nicht essen?« rief ihr Anna Schleitz nach.

      »Danke. Ich habe keinen Hunger und würde auch keinen Bissen herunterkriegen«, kam die Antwort.

      »Verstehe...«