Rebeccas Schüler. Tira Beige

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Название Rebeccas Schüler
Автор произведения Tira Beige
Жанр Языкознание
Серия Rebeccas Schüler
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783752924428



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zu. So spät, wie er manch­mal nach Hau­se kommt, be­fürch­te ich, dass er sich den Sex, den ich ihm schon seit fast ei­nem Drei­vier­tel­jahr ent­zie­he, wo­an­ders sucht.« Sich die­se Tat­sa­che ein­zu­ge­ste­hen, muss­te Ly­dia nicht leicht ge­fal­len sein. Sie be­trach­te­te ihre schla­fen­de Toch­ter. Ohne den Kopf zu he­ben, sag­te sie: »Wenn Tom mich wirk­lich be­trügt, dann wer­de ich …«

      Ly­dia kämpf­te wie­der mit den Trä­nen. »Zum Woh­le un­se­rer Toch­ter wür­de ich ihn nicht ver­las­sen. Ich lie­be Tom. Lea braucht einen Va­ter.«

      Re­bec­ca rück­te nä­her an ihre Freun­din her­an und pro­tes­tier­te ener­gisch: »Ly­dia, nein! Das kannst du dir nicht ernst­haft auf­er­le­gen wol­len! Dei­ne Toch­ter braucht einen Va­ter, der ehr­lich mit dir ist und kei­nen, der ein Dop­pel­le­ben führt. Du kannst doch nicht den Rest dei­ner Tage un­g­lü­ck­lich sein wol­len!«

      Ge­quält press­te sie her­vor: »Und was wird aus dem Le­ben, das wir uns auf­ge­baut ha­ben? Was wird aus dem Haus? Wir be­zah­len es bei­de ab, und das noch auf vie­le Jah­re.« Ge­nau wie sie und Paul!

      Re­bec­ca hat­te ge­hofft, Ly­dia von ih­ren ei­ge­nen chao­ti­schen Ge­füh­len er­zäh­len zu kön­nen. Aber das brach­te sie nicht übers Herz. Ihre na­i­ven Emo­ti­o­nen ka­men ihr un­be­deu­tend und ge­ra­de­zu lä­cher­lich vor ge­gen­über der sich an­bah­nen­den Ehe­kri­se ih­rer Freun­de.

      »Ly­dia?« Tom stand un­ten im Haus­flur und rief nach sei­ner Frau. Sei­ne Stim­me kam Re­bec­ca mit ei­nem Schlag viel käl­ter vor. Sie be­schloss, Paul dis­kret zu be­fra­gen und ihre Freun­din nicht wei­ter zu be­las­ten. »Ly­dia? Wo seid ihr denn?«, er­tön­te es er­neut. »Ich dach­te, wir woll­ten noch einen Wein zu­sam­men trin­ken?«

      »Gleich!«, rief Ly­dia zu­rück.

      Sie wisch­te sich mit dem wei­ten Pull­over­är­mel die Trä­nen aus dem Ge­sicht. »Ich sehe ver­heult aus, rich­tig?« Re­bec­ca nick­te. »Geh run­ter und sage Tom, dass die Klei­ne nicht ein­schla­fen will. Ich kom­me nach, so­bald ich mich be­ru­higt habe.« Re­bec­ca nahm Ly­dia fest in den Arm und drück­te sie an ihre Brust, be­vor sie nach un­ten ging.

      Tom stand noch im­mer am Trep­pen­auf­gang. »Wo ist Ly­dia?«, frag­te er bei­nah her­risch, als Re­bec­ca das Haus­flur er­reich­te.

      »Die Klei­ne schläft nicht ein. Ly­dia muss noch ein Schlaf­lied sin­gen.«

      Er setz­te ein skep­ti­sches Ge­sicht auf. »Ko­misch, war­um hat Lea nicht ge­weint? Wenn sie nicht ein­schla­fen kann, weint sie in der Re­gel.« Er er­war­te­te eine Ant­wort.

      »Sie … war be­reits ein­ge­schla­fen … und nun ist sie auf­ge­wacht … als du ge­ru­fen hast.«

      Ver­wun­dert zog Tom den Kopf nach hin­ten und sag­te lang­sam: »Ver­ste­he.« Dann be­glei­te­te er Re­bec­ca ins Wohn­zim­mer, wo Paul läs­sig auf der grau­en Couch saß.

      In­zwi­schen wa­ren die Män­ner zum Wein über­ge­gan­gen. Tom setz­te sich le­ger ne­ben sei­nen Freund, wäh­rend Re­bec­ca et­was ab­seits von Paul Platz nahm. Sie be­ob­ach­te­te die bei­den beim Re­den, wäh­rend sie selbst an ei­nem Glas Weiß­wein nipp­te.

      Tom und Paul wa­ren bei­de An­fang Vier­zig. Ly­di­as Mann war et­was schlan­ker als ihr Freund, da­für hat­te Paul mehr Haa­re auf dem Kopf. Bei Tom konn­te sie ers­te grau­me­lier­te Sträh­nen er­ken­nen. Zu­sam­men mit sei­nem Drei­ta­ge­bart ging er als ganz an­sehn­li­cher Mann durch, der si­cher­lich gut bei jün­ge­ren Da­men an­kam. Im An­zug, den er für ge­wöhn­lich auf Ar­beit tra­gen muss­te, mach­te er be­stimmt kei­ne schlech­te Fi­gur.

      Wel­che Lieb­schaf­ten er aber vor Ly­dia hat­te, wuss­te Re­bec­ca nicht. Ob er ei­ner Af­fä­re mit sei­ner Se­kre­tä­rin of­fen ge­gen­über­ste­hen wür­de?

      »Ach so, Paul. Und dann hat De­ni­se noch ge­sagt, dass sie uns gern mal be­su­chen wür­de. Sie möch­te un­be­dingt mei­ne Toch­ter ken­nen­ler­nen. Sie liebt Kin­der.« Paul nick­te.

      Mit welch ei­ner Lei­den­schaft Tom von sei­ner Se­kre­tä­rin sprach! In An­we­sen­heit sei­ner Ehe­frau hät­te er ga­ran­tiert nicht so in­brüns­tig von ihr ge­schwärmt.

      Nach ei­ner Vier­tel­stun­de er­schien Ly­dia. Sie setz­te sich wort­los ne­ben Re­bec­ca und schau­te nach un­ten auf den Tep­pich. Nach we­ni­gen Mi­nu­ten sag­te sie: »Ich gehe das Ge­schirr auf­räu­men«, und ver­schwand in der Kü­che.

      »Geht es dei­ner Frau nicht gut?«, frag­te Paul, der ja nicht ah­nen konn­te, was für ein Dra­ma sich im obe­ren Stock­werk ab­ge­spielt hat­te.

      »Ach was. Ist halt al­les stres­sig mit der Klei­nen.« Re­bec­ca aber dach­te sich ih­ren Teil.

      Es war weit nach 21 Uhr, als Re­bec­ca und Paul das Haus von Tom und Ly­dia ver­lie­ßen. Paul war an­ge­trun­ken, wes­halb Re­bec­ca fuhr. Sie be­schäf­tig­te noch im­mer, was ihr ihre Freun­din an­ver­traut hat­te. »Sag mal, was hat dir Tom ei­gent­lich über De­ni­se er­zählt?«

      Nach­dem Paul Al­ko­hol ge­trun­ken hat­te, war er deut­lich ge­sprä­chi­ger als sonst. »Nichts wei­ter. Nur, dass sie ir­gend­wann vor­bei­kom­men will, um sei­ne Toch­ter zu se­hen.«

      »Ja, das weiß ich, da war ich da­bei«, sag­te Re­bec­ca ge­reizt. »Aber ihr habt doch schon vor­her über sie ge­spro­chen, als Ly­dia und ich oben wa­ren.« Paul über­leg­te kurz.

      »Nicht viel. Sie ist sei­ne neue Se­kre­tä­rin. Er hat ein we­nig über ihr Pri­vat­le­ben er­zählt. Wie­so fragst du?«

      »Du hast sie doch be­stimmt schon ge­se­hen, oder? Sieht sie gut aus?«

      Wie­der zö­ger­te Paul kurz. »Schlecht sieht sie nicht aus. Um die Zwan­zig, ziem­lich durch­trai­niert und mit lan­gen blon­den Haa­ren.«

      Re­bec­ca hör­te den an­er­ken­nen­den Un­ter­ton in der Stim­me ih­res Freun­des mit­schwin­gen. »Meinst du, Tom steht auf sie?« Paul gab kei­ne Ant­wort.

      Da es zu fins­ter war, konn­te Re­bec­ca auch kei­ne Re­ak­ti­on in sei­nem Ge­sicht er­ken­nen. Die Pau­se dau­er­te ihr zu lan­ge. »Hat dir Tom ir­gend­was ge­sagt? Fin­det er sie gut, wie ver­steht er sich mit ihr?« Wie­der blieb Paul ihr die Ant­wort schul­dig.

      Re­bec­ca at­me­te schwer aus.

      »Wor­auf willst du denn hin­aus, Bec­cy?«, platz­te es aus ihm her­aus.

      Sie lach­te auf. Als ob er das nicht wüss­te! »Traust du Tom zu, dass er Ly­dia be­trügt?«

      »Tom soll fremd­ge­hen? Das glau­be ich nicht«, sag­te Paul schnell. Re­bec­ca hör­te trotz­dem einen selt­sa­men Un­ter­ton in sei­ner Stim­me. »Ich mei­ne … Tom ist ein Mann … Er hat mir er­zählt, dass er De­ni­se … Aber er wür­de Ly­dia doch nicht … Nein, ich mei­ne …«

      Of­fen­bar wuss­te Paul mehr, als er Re­bec­ca ge­gen­über ein­ge­ste­hen woll­te. Er be­en­de­te das The­ma, in­dem er ein­fach die an­ge­fan­ge­nen Satz­bro­cken nicht mehr fort­s­etz­te. Er schwieg, bis sie zu Hau­se an­ka­men.

      Ka­pi­tel 4

      Der ein­zi­ge Licht­blick für Re­bec­ca, nach die­sem von schlechtem Sex und Ehe­kri­sen über­schat­te­ten Wo­chen­en­de, be­stand dar­in, Lou wie­der­zu­se­hen.