Szenenwechsel. Elisa Scheer

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Название Szenenwechsel
Автор произведения Elisa Scheer
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783737562959



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selbst behält und nicht alles ihrem lieben Herbert ausliefert, der nicht halb so viel von Geldanlagen versteht wie er glaubt.“

      Jörgens sah auf und musterte die Gesichter. Hilde strahlte still vor sich hin. Eine Dreizimmerwohnung! Im besten Waldburgviertel! Nur noch zehn Minuten bis zum Mariengymnasium! Das sie auf Vordermann zu bringen gedachte! Drei Zimmer!

      Drei Zimmer voller Krempel.

      Ihr Lächeln erstarb.

      Sabine rief: „Einen Sandkasten! Und eine Schaukel! Einen Kletterbaum! Tobias, das können unsere Süßen jetzt alles haben, herrlich!“

      „Liebe Tante Martha“, murmelte Hilde. „Und für jeden das Richtige!“

      „Das fechte ich an!“, rief ihr Vater wieder.

      „Herbert, du hältst jetzt endlich den Mund“, zischte ihre Mutter.

      Verblüfftes Schweigen, dann begann Hilde, auf der Stuhllehne Applaus zu klopfen wie in der Uni. Martin und Tobias fielen sofort ein, Sabine, die ein Studium aus Weiblichkeitsgründen abgelehnt hatte, schaute ratlos und machte das Klopfen dann etwas ungeschickt nach.

      „Bravo, Helga!“, lobte Tobias. „Lass dir nichts gefallen!“

      „Eine Anfechtung wäre auch zwecklos“, erläuterte Dr. Jörgens. „Ich habe das Testament selbst aufgesetzt, der Anteil Ihrer Gattin ist angemessen hoch und Ihren Kindern werden Sie ja wohl etwas gönnen!“

      Das hätte ihr Vater wohl am liebsten bestritten, dachte Hilde amüsiert, wenn er sich nicht doch geniert hätte. Außerdem war er bleich und zugleich rotfleckig, wahrscheinlich, weil ihm seine Frau zum ersten Mal seit über dreißig Jahren den Mund verboten hatte. Mama sah sich kriegerisch um.

      Armer Papa! Eine Runde Mitleid.

      Hilde grinste immer noch, als sich alle erhoben. Sabine und Tobias konnten sich ihr neues Haus heute noch ansehen, das hatte Dr. Jörgens schon arrangiert, Martin musste noch etwas warten, weil die Mieterin des Penthouse erst zum ersten Mai ausziehen würde.

      „Und Sie, Frau Suttner, können am nächsten Montag in die Wohnung Ihrer verstorbenen Tante. Ist Ihnen das Recht? Wir müssten vorher das Inventar überschlägig aufnehmen, den Schmuck sicherstellen, den ja Ihre Frau Mutter bekommt, und die Unterlagen sichten. Möchten Sie daran gerne teilnehmen? Ich hätte an übermorgen gedacht, so ab drei Uhr?“

      Hilde war einverstanden. Sie wollte die Wohnung sehen, von der sie, da Tante Martha sie bis zum Gehtnichtmehr vollgestopft hatte, nur den Eindruck drangvoller Enge hatte, obwohl sie doch oft genug dort gewesen war. Dunkel, voll und kühl. Und komische Türen, ein Gitterwerk aus dunklem Holz mit mattiertem Glas als Füllung.

      Ein bisschen wie die Wohnung von Hercule Poirot in diesen göttlichen Verfilmungen. Ach – jetzt war sie ja eigentlich ziemlich reich, jetzt konnte sie sich die anderen Staffeln auch bestellen! Gutes Gefühl.

      Ihr Vater schmollte immer noch, der Rest strahlte. Liebe, gute Tante Martha, sie hatte alle glücklich gemacht.

      Hilde blinzelte, als sie auf die Straße trat. Eine eigene Wohnung! Drei Zimmer! Nie mehr Winzkabuff! Nie mehr mit einem einzigen Regal zurechtkommen! Gute Geschäfte in der Nachbarschaft, ein romantischer Park vor der Haustür… Konnte man es besser haben?

      Martin und Sabine grinsten ebenfalls von einem Ohr zum anderen, die grämliche Miene ihres Vaters war eigentlich nur zum Lachen.

      „Jetzt hör endlich auf mit dieser Lätsch´n“, schimpfte Mama halblaut. „Wir haben rund eine dreiviertel Million bekommen, auch netto nicht schlecht. Ich gebe dir die Hälfte, dann kannst du sie für dein Alter narrensicher anlegen.“

      „Die Hälfte? Wieso nur die Hälfte? Ich muss doch alles anlegen, du verschleuderst es doch nur!“

      Mama trat einen Schritt zurück. „Herbert, bist du jetzt völlig durchgedreht? Ich habe noch nie etwas verschleudert, aber du hast schon ganz schön fehlinvestiert. Ich habe geerbt, und da werde ich ja wohl die Hälfte selbst anlegen dürfen!“

      „Au ja“, mischte Hilde sich ein, „und nach einem Jahr vergleichen wir, wem es besser ergangen ist. Mama, ich kann nur sagen: Hut ab!“

      „Sei du bloß still“, zischte ihr Vater. „Du und deine Geschwister, ihr schämt euch nicht, auf Kosten eurer Eltern zu leben. Wenn ihr auch nur einen Funken Anstand hättest, würdet ihr auf die Anteile verzichten, die ihr auf Gott weiß was für krumme Methoden ergaunert habt!“

      Martin und Sabine traten näher, und die ersten Passanten blieben neugierig stehen.

      „Aber sonst fehlt dir nichts, ja?“, erboste Hilde sich. „Wir haben alle unsere Ausbildungen selbst finanziert, obwohl das eigentlich deine Aufgabe gewesen wäre, du alter Geizkragen, und Tante Martha hat uns ganz legal etwas hinterlassen, weil sie uns mochte. Du hast sie doch immer ignoriert oder schwach angeredet, warum hätte sie dir was hinterlassen sollen? Sie konnte dich ja verdientermaßen nicht leiden. Und verzichten? Du würdest die Immobilien doch bloß zu einem Spottpreis verkaufen, obwohl die Preise gerade im Keller sind, weil dir Immobilien zu schwierig sind, und alles in Sparbriefen anlegen. Kein Wunder, dass deine Bank dich liebt – so einen naiven Kunden möchte ich auch mal haben.“

      „Genau!“, rief Tobias. „Wer verdient denn an Sparbriefen? Doch bloß die Bank! Was kriegst du da Zinsen?“

      „Vier Prozent“, verkündete der Vater durch die zusammen gebissenen Zähne.

      „Inflationsbereinigt sind das keine drei. Und dann noch Kapitalertragssteuer – ihr liegt ja wohl saftig über dem Freistellungsbetrag. Tolle Anlage!“

      „Zertifikate“, riet Martin.

      „Quatsch“, sagte Hilde. „Mit fester Laufzeit? Und wenn sie in einer Krise fällig werden, dann schaust du blöd. Fonds! Sicher und ertragreich. Das merkst du schon daran, dass die Banken die gar nicht so gerne verkaufen, da verdienen sie nämlich fast nix dran. Und eine selbst genutzte Immobilie ist auch gut. Eigentlich sind wir jetzt schön abgesichert. Papa, jetzt zieh kein Gesicht, du musst garantiert keinen von uns unterstützen, und wenn du mit neunzig am Hungertuch nagst, kommt das Sozialamt doch sowieso auf uns zu.“

      „Dann könnt ihr mir das Geld doch auch gleich geben!“

      „Dann hast du es doch längst verloren, wenn du neunzig bist. Jetzt ist aber Schluss damit!“ Hildes Mutter schaute richtig böse. „Die Leute gucken schon. Los jetzt, Herbert, wir gehen heim.“

      „Nicht ein bisschen feiern?“, fragte Tobias.

      „Ich hab einen Termin“, verkündete Martin.

      „Ich muss zu den Kindern“, sagte Sabine und schaute pflichtbewusst.

      Take the money and run“, zitierte Hilde versonnen. „Na gut, gehe ich eben auch heim. Arbeit gibt´s immer.“

      „Haha“, machte Martin. „Bei Lehrern? Du hast doch jetzt frei!“

      „Schon recht, du Doofi. Weil du früher nach eins keinen Lehrer mehr gesehen hast, existieren sie dann auch nicht mehr? Naja, interessiert eh keinen, was du so denkst… also, ciao, alle miteinander.“

      Hilde wandte sich um, halb wütend, halb glücklich. Martin, der Blödmann. Seit über dreißig Jahren ein Blödmann!

      Aber die Wohnung…!

      Irre.

      Ein irrer Verhau, wenn sie an ihren letzten Besuch zurückdachte.

      Wenn schon.

      Sie hatte doch alle Zeit der Welt, die Wohnung so umzugestalten, wie sie sie haben wollte. Jetzt würde es ja ohnehin erst einmal ein paar Wochen dauern, bis das Juristische geregelt war. Und dann könnte sie langsam überlegen, was sie aus dem lila Scheusal mitnehmen wollte.

      Vielleicht hätte sie ja bis dahin schon ein paar Kilos verloren und könnte einen Schwung überflüssiger Klamotten aussortieren. Jedes Gramm, das nicht mitmusste, ersparte ihr Arbeit in der neuen Wohnung.

      Sie