Szenenwechsel. Elisa Scheer

Читать онлайн.
Название Szenenwechsel
Автор произведения Elisa Scheer
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783737562959



Скачать книгу

hätt noch immer jut jejange… Wieso nicht so wie bisher? Wieso können wir nach dem alten Lehrplan nicht weitermachen? Merkt doch keiner?

      Blödes Pack, ehrlich. Sie beschloss, die Wintrich in nächster Zeit mal anzusprechen. Jetzt, wo die Einquartierung vom Albertinum bald wieder weg war, sollte man generell über ein paar Neuerungen nachdenken. Förderkurse für die Guten wie für die Schwachen, zum Beispiel. Um das Niveau zu steigern und zugleich die Durchfallerquoten zu senken.

      Und dann sagten die Ewiggestrigen bloß wieder: Wozu? Dann kommen bloß Massen von Schülern und wir haben mehr Arbeit!

      Wieso durfte man eigentlich nicht sagen: Aber das volle Gehalt nehmen Sie gerne mit, was? Nein, wenn man ehrlich war, die Wintrich und der Eisler sagten so was schon mal. Und diesen unsäglichen Querfurth hatten sie auch schon klein gekriegt, der erschreckte keine Referendare mehr.

      Hilde reagierte ihren Ärger ab, indem sie einen halben Liter Wasser trank, zwei Ordner entrümpelte, zwei Riesentüten Schotter in der Mülltonne versenkte, wieder zwei Ordner auf Vordermann brachte, ein Arbeitsblatt entwarf und tippte, alles abspülte und endlich diese grausigen Kaffeebecher aus Florenz wegwarf (die Henkel fehlten ja sowieso schon). Wieder Platz gewonnen!

      Aber es grummelte immer noch in ihr. Sie entsorgte drei leere Duschbadflaschen, suchte aus den restlichen zwei heraus, die jetzt erst einmal aufgebraucht werden sollten, und stellte die übrigen in den Kleiderschrank.

      Ach ja, der Kleiderschrank. Gut die Hälfte des Krams passte ihr gar nicht, viel zu eng. Aber wenn sie endlich mal ein paar Kilo – so zwanzig bis dreißig… Am Wochenende war auf jeden Fall der Kleiderschrank dran.

      Morgen am frühen Nachmittag war erst einmal Tante Marthas Trauerfeier. Hilde tauchte in den Schrank und förderte den schwarzen Hosenanzug zutage. Leicht verknittert, der sollte sich bis morgen erst einmal aushängen.

      Passte er überhaupt noch? Sie schlüpfte rasch in die Hose. Naja, es ging. Der Blazer passte. Dazu das graue Samt-T-Shirt – wo war das bloß wieder hingeraten? Aha, dort hinten. War das überhaupt gewaschen? Schnüffelprobe – nein. Zumindest war es etwas muffig.

      Hilde ließ kaltes Wasser ins Waschbecken laufen, gab etwas Shampoo dazu und weichte das T-Shirt ein. Hoffentlich war es bis morgen wieder trocken. Schwarze Pumps… gefunden.

      Sie putzte die Pumps, zog sie auf Spanner und stellte sie bereit. Für morgen war damit alles vorbereitet.

      Was war das denn – ein T-Shirt in Pink? Und was für ein Pink, da taten einem ja die Augen weh! Sie entfaltete das Prachtstück. Größe 54? Wann hatte sie denn das gekauft? Soo fett war sie doch noch nie gewesen – hatte sie das geerbt? Aber von wem?

      Apropos erben – ob sie von Tante Martha vielleicht doch etwas erbte? Wenn sie – schätzungsweise – zweitausend Euro oder so gut anlegte, konnte ihr das in einigen Jahren durchaus zupass kommen. Nett wäre das schon, aber wahrscheinlich hatte Tante Martha gar kein Testament gemacht und alles fiel an Mama und damit an Papa. Was Martha besessen hatte, wusste ohnehin keiner so genau. Irgendwelche Immobilien. Und diese gruselige Wohnung am Waldburgplatz, vollgestopft und entsetzlich möbliert, in der sie nach dem Tod ihres Mannes gelebt hatte. Und wahrscheinlich jede Menge Schotter. Und Schmuck, mit dem hatte sie sich ja leidenschaftlich gerne behängt… Hilde lächelte bei dem Gedanken. Tante Martha – klein und rund, geschmückt wie ein Pfingstochse (alleine diese Ringe an allen Fingern), streitbar, lebenslustig und scheinbar unverwüstlich. Tja – scheinbar.

      Hilde raffte sich auf. Jetzt war nicht Tante Martha angesagt, sondern dieses T-Shirt. Das musste weg – und am besten noch ein paar Sachen, so dass es für eine Tüte in den Rotkreuzcontainer reichte.

      Zum Beispiel das schwarze, das schon ganz grünlich verwaschen war. Schlechte Qualität. Das rote war nicht viel besser, und das mit den albernen blauen Blümchen war viel zu kurz. Hilde stopfte sie alle in eine Plastiktüte, fügte noch einen verknitterten Polyesterschal hinzu (Leoprint – sie musste betrunken gewesen sein!) und klebte die Tüte oben mit Paketband zu.

      Ein kleiner Spaziergang konnte nichts schaden; zwei Ecken weiter stand ja schon ein Container. Sie trug die Tüte und diversen Müll weg und sah sich hinterher relativ befriedigt um: Schon besser!

      Das Samtshirt wurde ausgespült, aufgehängt und mit einem Hauch Parfum besprüht. Handtäschchen für morgen? Am besten die kleine schwarze Lacktasche…

      Neuer Tauchgang.

      Sie kriegte den schwarzen Lackriemen zu fassen und zog. Mit der schwarzen Lacktasche kamen zum Vorschein: die hellbraune Strandtasche aus Strohgeflecht mit dem Loch im Boden, zwei Plastiktüten (leer), das rote Lacktäschchen, das aussah wie ein Pausentäschchen für den Kindergarten (fehlte bloß noch der applizierte Apfel), ein hellblaues Einkaufsnetz (Ökoanfall vom Wohnshop in der Philippinengasse – kein Wunder, dass der Pleite gemacht hatte), eine verknitterte Reisetasche aus Jute mit Ledereinfassungen (saublöde Größe – ach ja, und der Reißverschluss war kaputt) und dieses entsetzliche Ding aus falschem Kroko in beige, dass Tante Helga ihr mal geschenkt hatte. Wenn es noch Tante Martha gewesen wäre, dann wäre es wenigstens echt gewesen und man könnte es bei eBay… aber aus Lederimitat? Und ein Stil wie für eine Achtzigjährige, dabei war Tante Helga, Papas ältere Schwester, selbst noch keine siebzig.

      Hilde legte die schwarze Lacktasche beiseite und stopfte alles Kaputte in die eine Plastiktüte und alles andere in die Tüte für den Wertstoffhof, dann platzte ihr der Kragen und sie fegte mit wenigen brutalen Handbewegungen alles aus dem Kleiderschrank.

      So – und jetzt würde sie so vorgehen wie es die Entrümpel-Ratgeber vorschrieben!

      Mit Lappen, Schüsselchen und der richtigen Wasser/Putzmittel-Mischung rückte sie dem Schrank innen und außen zu Leibe und stellte fest, dass er innen und außen strahlend weiß war, nicht zartgrau. Abgesehen von den lila Eingriffen an den Türen natürlich.

      Herrlich, wie das Zeug nach Orangen duftete! Sie sprühte noch etwas Raumspray in die feuchten Fächer und lehnte dann die Türen an. Mit einer Rolle Müllsäcke ließ sie sich auf dem Boden neben den Haufen nieder.

      Was da alles aus den Tiefen des Schranks zum Vorschein gekommen war! Sie beschloss, alles auszusortieren, was sie nie trug und nicht mochte, egal, ob es passte oder nicht.

      Nach ungefähr einer Stunde war der Haufen verschwunden. Spärliche Reste lagen, sauber gefaltet oder aufgehängt, im noch etwas feucht duftenden Schrank, der Rest befand sich in fünf prall gefüllten Säcken, dreimal Container, zweimal Müll.

      Hilde rappelte sich mühsam auf – die Extrapfunde gingen ganz schön auf die Gelenke – und seufzte. Jetzt gleich noch zum Container?

      Nicht schwächeln, ermahnte sie sich selbst. Weg mit dem Zeug, sonst war sie morgen ja doch nur von diesem Anblick genervt. Also sammelte sie alle Säcke ein und schleifte sie zum Container. Auf dem Rückweg fühlte sie sich sehr gut, richtig gehend edel – und die Wohnung musste doch jetzt wirklich wesentlich aussehen, reduziert auf das elementar Wichtige.

      Der Blick in die Wohnung bei der Rückkehr enttäuschte da dann doch etwas. Die letzten beiden Müllsäcke störten, aber auch, als Hilde die beiden zur Tonne geschleppt hatte, wirkte die Wohnung immer noch irgendwie unbefriedigend.

      Das lag wahrscheinlich an der Küchenzeile, die schon wieder so widerlich aussah. Schön war sie sowieso nicht, die weißen Kunststofftüren hatten lila Eingriffe (wie alles in dieser Wohnung) und – noch von der Vormieterin – lauter niedliche kleine Aufkleberchen, Kätzchen, Hündchen, Häschen, Ferkelchen… das Zeug musste jetzt runter, die speckigen Handtücher mussten in die Wäsche, abspülen sollte sie auch dringend – und dann entweder die Türen schließen (was nicht mehr so richtig ging) oder die Fächer über der Spüle entrümpeln.

      Die Türen sollte sie am besten aushängen und in den Keller schaffen… Aber zuerst mal waschen!

      Sie suchte alles zusammen, was zu den Geschirrtüchern passte – nein, die Tücher warf sie am besten gleich weg, die wurden wahrscheinlich nie wieder sauber - und schleifte eine Tasche voll in den Keller. Dort trug sie sich schnell ein, stopfte alles in die Maschine, gab Pulver