Szenenwechsel. Elisa Scheer

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Название Szenenwechsel
Автор произведения Elisa Scheer
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783737562959



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Ahornparkett legen lassen. Hoffentlich lose und nicht verklebt – dann konnte die cremefarbene Wolle rückstandslos entsorgt werden. Besonders schön war sie ohnehin nicht mehr.

      Dr. Jörgens inspizierte weiter murmelnd die Schrankfächer, und Hilde wandte sich der Küche zu.

      Gar nicht übel, stellte sie fest. Tante Marthas Geschmack hatte ihr hier schon damals durchaus gefallen – dunkles Holz (wie überall) und cremeweiß gemaserte Arbeitsplatten. Wenn man den herumstehenden Krempel verräumte und mal ordentlich sauber machte… sogar ein kleines Esseckchen gab es neben der Balkontür, und in der Küchenzeile nicht nur einen Geschirrspüler, sondern auch eine Waschmaschine und einen Trockner. Der pure Luxus!

      Nie mehr mit der Wäsche in den Keller stiefeln – aber wahrscheinlich gab es hier auch gar keine Waschküche.

      Die Küche war also sehr erfreulich, sofern man ihr einen eher puren Look verpasste – aber das galt wohl für die ganze Wohnung.

      Tante Marthas Bad hatte Hilde noch nie gesehen – wenn sie zu Besuch gewesen war, hatte man sie ins Gästeklo geschickt. Entsprechend überrascht war sie von der Neuzeitlichkeit – glänzende graue Kacheln und mattierte Mischbatterien, eine separate Regenwalddusche und eine Wanne mit breiten Ablageflächen. Und groß war dieses Badezimmer – hier musste man nicht mit einem Bein in der Kloschüssel und mit dem anderen in der Dusche stehen, wenn man sich die Zähne putzte!

      Luxus pur, allerdings auch wieder sehr voll. Kosmetika in allen Regenbodenfarben, bordeauxfarbene Handtücher (aus diesem fiesen Velours, der nicht richtig abtrocknete), Regale und Regälchen, Körbe und Körbchen und ein Behältnis für Reserveklopapier, Spitzengardinen vor dem Fenster, Bilder an der Wand oberhalb der Kacheln…

      Allmählich fühlte Hilde sich etwas benommen – bis sie diese Fülle gezähmt hatte, würden ja noch Jahre vergehen… wo sollte sie denn hin mit all diesem Kram? In den Wertstoffhof? Ob der Tafelshop das alles brauchen konnte? Sie würde es eben versuchen müssen. Vielleicht konnte man manches auch verkaufen und damit das Depot ein bisschen aufstocken. Für eine Anzahlung brauchte sie es ja nun nicht mehr, glücklicherweise.

      Gut, Küche und Bad waren abgehakt. Jetzt kam dann wohl das Schlimmste – das Schlafzimmer. Einmal hatte sie es gesehen, vor einem Jahr etwa, und den Eindruck einer Höhle behalten – noch voller und düsterer als der Rest. Und das Bett wie ein Podest.

      Sie trat ein, regelrecht furchtsam, und sah ihre alptraumhaften Erinnerungen sofort bestätigt. Wieder dunkles Holz ohne Ende – was war das eigentlich? Mahagoni? Ebenholz? Irgendein dunkler Obstbaum? Schön gemasert war es ja, aber so erschlagend düster… An einer Wand von Tür bis Fenster eine glatte Schrankwand. Vom Prinzip nicht schlecht, aber…

      Nun ja. Gegenüber das Bett. Breit, dunkel, sorgfältig glatt gestrichen, rechts und links ein Nachtschränkchen in passendem Holz, darauf Nagellack, stapelweise Bücher, Zeitschriften, eine Brille (die Hilde fast die Tränen in die Augen trieb), Medikamente und ein Porzellangefäß in Form eines weißsilbernen Schwans, aus dessen Rücken farbige Wattebäuschchen quollen.

      Putzig.

      Ach, Tante Martha…

      Rund ums Bett eine Bettumrandung im Stil der Fünfziger. Schafwolle offensichtlich. So etwas brauchte Hilde nicht, sie lief nie barfuß und liebte Parkett.

      Und schon wieder Spitzengardinen. Wieso nicht glatt? Und dafür ein bisschen farbiger? Die ganze Wohnung wirkte nahezu schwarzweiß, wenn man sich eine Art Sepia-Tönung dazudachte: Mahagoni und weiß oder naturweiß, creme und grau. Bunt war nur die überall herrschende Fülle an Kleinkram. Hilde stand nicht an, dies als Unordnung zu bezeichnen.

      Und jetzt noch das immer etwas angestaubte Gästebad – in zartgelb!

      Nicht übel. Hier konnte sie ihre paar gelben Handtücher weiterverwenden. Toilette, Duschkabine, Waschbecken, Spiegel. Standard. Dazu Papierkörblein, Seifenkörblein, Handtuchbehälter, eine Zierpuppe, eine venezianische Maske, wie man sie im Veneto in jeder Fußgängerzone nachgeworfen bekam (wahrscheinlich Made in Taiwan) und hinter dem klassischen rahmenlosen Spiegel drei rosa Plastikrosen, die aussahen, als hätte sie jemand auf der Wies´n in München geschossen. Genau, ein Lebkuchenherz an der Tür fehlte eigentlich noch.

      Nichts gegen Aufbewahrungsmöglichkeiten für Gästeseifen – aber weiß lackierte Körbchen, an denen sich der Staub begeistert festsetzte?

      Auch da würde ihr etwas anderes einfallen.

      Hilde verließ das Gästeklo und traf auf Dr. Jörgens, der im Gehen etwas notierte.

      „Fertig?“

      „Ich schon“, sagte Hilde. „Sehr eindrucksvoll, das alles. Und sehr überfüllt. Und Sie?“

      „Ebenfalls. So viel war es gar nicht. Den Schmuck habe ich in Verwahrung genommen, wenn es Ihnen recht ist.“

      Hilde sah auf die Samtschatulle unter seinem Arm und nickte. „Kein Problem. Müssten Sie mir das dann irgendwie quittieren oder wie?“

      „Selbstverständlich. Ich habe eine Liste erstellt, die wir jetzt durchgehen sollten. Ansonsten gibt es hier kaum Wertgegenstände, die ich erfassen müsste. Das meiste liegt unter der Grenze. Was nicht heißt, dass es sich nicht lohnen könnte, manchen Nippes zu verkaufen. Ich könnte Ihnen die Adresse eines guten Porzellan- und Silberfachmanns geben.“

      Hilde bedankte sich. Das war ja prima – vielleicht kam der dann sogar noch ins Haus, nahm den ganzen Krempel mit und ließ dafür Geld da? Sie studierte rasch die Liste und nickte dann billigend.

      „Außerdem hat Ihre Tante zwei Pelzmäntel hinterlassen. Möchten Sie die gerne haben?“

      Hilde schüttelte sich. „Ich vermute mal, einen Nerz und einen Persianer, ja? Nein, danke. Sie können Mama fragen, aber wahrscheinlich will die sich auch keine toten Tiere umhängen. Was macht man mit so was? Begraben?“

      „Verkaufen“, antwortete Dr. Jörgens trocken. „Es gibt immer noch Liebhaber. Und manche Kürschner verarbeiten ältere Felle als Mantelfutter. Ich könnte mir das Plazet Ihrer Mutter holen und mich dann an einen mir bekannten Kürschner wenden.“

      „Machen Sie das“, bat Hilde herzlich. „Wissen Sie, bei Geld habe ich keine Probleme, Anlagen und so. Aber dieser ganze bürgerliche Wohlstandskram – da weiß ich echt nicht, wie man den am besten unterbringt. Bücher, die mir nicht liegen – gut, Lesefabrik. Aber sonst?“

      „Die Lesefabrik ist eine gute Adresse dafür“, lobte Dr. Jörgens. „Aber zeigen Sie Bücher aus dem 19. Jahrhundert vorher dem Antiquariat Füssli & Hermanns. Die machen Ihnen einen fairen Preis, wenn etwas von Wert dabei ist.“

      „Was täte ich ohne Sie?“, seufzte Hilde.

      „Das ist doch meine Aufgabe. Was glauben Sie, wieviele Wohnungen ich schon aufgelöst habe! Und dabei geht es doch oft darum, noch möglichst viel für die Erben herauszuholen.“

      „Sie kennen nicht zufällig auch jemanden, der diese überflüssigen Schränklein und Trühlein und Kästlein für teures Geld abholen möchte?“

      Dr. Jörgens grinste. „Nur die Caritas. Leider, die Möbel sind solide und meiner persönlichen Meinung nach auch nicht hässlich, aber zum größten Teil Maßanfertigungen aus den achtziger Jahren – wert sind sie nichts. Das sind nur Gebrauchtmöbel. Die Caritas holt sie wenigstens ab.“

      „Die großen Sachen gefallen mir ja nicht so schlecht“, beeilte sich Hilde zu sagen, „aber dieser Kleinkram – so was kann ich nicht haben. Ist das nun pietätlos?“

      „Aber nein, Unsinn. Sie hat sich doch ausgemalt, wie Sie hier umräumen und aussortieren werden und sich diebisch gefreut. Hilde macht was aus der Höhle, hat sie gesagt.“

      Hilde seufzte wieder. „Mit dem ganzen Steuerkram weiß ich auch nicht so gut Bescheid…“

      „Aber das machen doch ohnehin wir! Natürlich halten wir Sie dabei auf dem Laufenden. Soll ich auch das Telefon ummelden?“

      Hilde