Die Erbschaft. Elisa Scheer

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Название Die Erbschaft
Автор произведения Elisa Scheer
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783737555173



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mal wieder alles besser, aber na gut, ich war wirklich müde. Mühsam erhob ich mich. Geradestehen konnte ich noch, und ich kam auch ohne Hilfe in meinen Mantel, aber die anderen hatten Recht – für heute war es genug. „Danke, war ein lustiger Abend“, nuschelte ich zu Hannah und zahlte meine Zeche. Cora nahm meinen Arm und dirigierte mich zur Tür hinaus, während ich Hannah und Birgit noch zuwinkte.

      Die kalte Nachtluft traf mich wie ein Schlag, und plötzlich wurde mir schwindlig. „Ist dir schlecht?“, fragte Cora besorgt. „Nein, ich hab nur einen Sauerstoffrausch. Geht gleich wieder. Tut mir Leid, dass ich mich so betrunken habe, du wärst sicher gerne noch länger geblieben, nicht?“

      „Macht nichts, wir gehen noch öfter hierher. Hauptsache, du hast dich amüsiert. Hast du doch?“

      „Ja“, gab ich zu. „Hannah ist nett. Und euer Spiel ist witzig. Darf ich weiter mitsammeln?“

      „Musst du sogar! Wir wollen mindestens so bekannt werden wie die Weicheiliste.“

      „Kenn ich nicht“, murmelte ich träge und setzte langsam einen Fuß vor den anderen. Cora schnaufte. „Sag mal, an der Seite deines Christian hast du wohl sämtliche Trends verpasst, was?“

      „Wahrscheinlich. Christian liebt das zeitlos Schöne. Und das Internet wird nur beruflich benutzt, um steuerrechtliche Grundsatzurteile abzurufen. Zu Hause hatte er gar keinen Anschluss. Nur ich, für den Laptop, falls er mal schnell Informationen brauchte.“

      „Ach, dein Laptop war also auch nur für das Büro da?“

      „Klar, aber ich hab ihn selbst bezahlt, also hab ich ihn auch mitgenommen. Da hab ich lange gespart. Und fast meine ganzen Rücklagen verheizt. Das war vor zwei Jahren. Aber er wird sicher Angst haben, dass ich Firmensoftware drauf hab. Ach, er ist so ein Schwein… aber die Rechnung ist in meinem Ordner, ätsch!“

      „Dieser Christian ist wirklich unglaublich. Ich denke, wir tun ihm doch noch was an!“

      „Nein. Nur wenn er anfängt!“

      Cora brummte und schloss die Haustür auf. Immerhin schaffte ich die Treppen in guter Haltung und plumpste danach eher ungraziös ins Bett, gerade, dass ich es noch schaffte, mich auszuziehen und mir flüchtig Gesicht und Zähne zu säubern.

      Am nächsten Morgen ging es mir wirklich nicht besonders gut, und ich nahm Coras Orangensaft-mit-Aspirin dankbar entgegen, als ich im Nachthemd in die Küche geschlurft kam. „Schnapsdrossel“, neckte sie mich.

      „Sprich nicht so laut“, murrte ich, „aber immerhin habe ich prima geschlafen und weder von Christian noch von seiner Edeltussi geträumt.“

      „Na, dann war´s das doch wert. Trink das aus, dusch dich schön lange und zieh dich an, wir wollen doch Wäsche kaufen gehen!“

      „O Gott, eine Umkleidekabine ertrage ich heute nicht!“, stöhnte ich, und Cora lachte etwas hämisch.

      Nach der Dusche ging es mir aber schon deutlich besser, und nach einem spärlichen Frühstück und mehreren Bechern Kaffee konnte ich dem Gedanken an Seide und Spitze schon eher ins Auge sehen. In der engen Umkleidekabine im Silk&Velvet brach mir zwar mehrfach der Schweiß aus, aber ich probierte brav jeden BH, den Cora mir durch den Vorhang reichte. In dem trüben Licht sah ich wieder mal aus wie zwanzig Jahre älter, und ich bereute jeden Schluck Bier von gestern. O Gott, ich sollte lieber nicht an das Bier denken! Ich guckte schließlich nur noch, ob die BHs saßen und wich jedem Blick in mein bleiches, verquollenes Gesicht aus. Als ich vier wirklich schöne Garnituren gefunden hatte – und pro Stück (ein BH und drei Slips) etwa fünfundvierzig Euro, das war auch nicht so teuer, fand ich, jedenfalls billiger als der hautfarbene Omalook, den Christian anständig gefunden hatte – war ich mit den Nerven am Ende.

      „Hoffentlich treffe ich nicht Christian irgendwo“, murmelte ich an der Kasse, „ich sehe heute wirklich aus wie ausgespien. Nachher denkt er noch, ich hab Liebeskummer.“

      „Hast du doch auch“, antwortete Cora und verstaute die Wäsche in der Tüte, die die Kassiererin uns lustlos zugeschoben hatte. „Ja, aber eigentlich bin ich eher wütend.“

      „Und verkatert. Das gibt sich wieder. Etwas Make-up könnte dir aber nicht schaden, komm, wir schauen ins Kaufhaus!“

      Ich folgte Cora brav und wählte ein leichtes Make-up, Wimperntusche und grünlich-bräunlichen Lidschatten aus, außerdem ein Shampoo, das den Haaren extra Glanz verleihen sollte. Neben der Kosmetikabteilung waren die Sonderangebotstische; während Cora noch bei den Parfums herumsuchte, wandte ich mich den Stapeln von Sweatshirts und Polohemden zu und wurde fündig – ein schönes Sweatshirt in blassem Türkis und zwei Polos in Gelb und Apricot. Hoffentlich überlebten die die Waschmaschine, aber sie machten einen ganz soliden Eindruck. Bunte Söckchen im Zehnerpack nahm ich auch gleich noch mit – unter Jeans brauchte ich ja nun wirklich keine edlen Strumpfhosen. Geriet ist jetzt langsam in einen Kaufrausch? Waren das Frustkäufe? Wahrscheinlich, aber der Trostfaktor war wirklich ziemlich hoch, fand ich und gönnte mir auch noch eine preiswerte und ziemlich peppige Umhängetasche.

      An der Tür traf ich Cora wieder, die mich angrinste. „Komm, wir gehen Salat essen, dann siehst du gleich wieder fit aus. Oder geht Christian manchmal ins Salads & More?“

      „Nein, ich glaube nicht, dass er das kennt. Mit Mandanten geht er gerne ins Médoc oder ins Charlie´s, ansonsten isst er lieber zu Hause. Da muss er kein Trinkgeld geben“, fügte ich boshaft hinzu. Cora lachte vergnügt. „Deine Lebensgeister erwachen ja wieder! Ich glaube, langsam schätzt du ihn richtig ein. Komm, ich lad dich ein!“

      Wir schaufelten uns die Teller voll, und ich aß tatsächlich mit gutem Appetit, aber danach wurde ich schon wieder müde und sehnte mich nach einem Mittagsschläfchen. Den Nachmittag verbrachte ich in einem betörend duftenden Schaumbad – Cora hatte wirklich verlockende Flaschen auf ihrem Badewannenrand stehen – und dann im Morgenmantel, mit Feuchtigkeitscreme im Gesicht und Gurkenscheiben auf den Augen, auf dem Sofa, wo ich das Fernsehprogramm nur akustisch verfolgte und mich damit amüsierte, aus dem spitzem Gekreische zu schließen, worum es in dem Film ging. Irgendein Katastrophenquark mit einem Flugzeug, wahrscheinlich Airport, siebzehnter Teil.

      Sobald Gurke und Creme genügend gewirkt hatten, stopfte ich meine getragene Wäsche (vorschriftsmäßig mit Netz) in die Maschine. „Nie wieder Oberhemden bügeln und leinene Tischdecken“, seufzte ich glücklich, als ich die Maschine eingeschaltet hatte, und trug den Wäscheständer ins Gästezimmer.

      „Vergiss dein Leinenkleid nicht“, rief Cora mir zu. „Ja, aber das ist nur für mich, und wenn ich es nicht bügeln will, dann kann ich´s auch lassen. Ziehe ich eben was anderes an!“ Ich saß auf meinem Bett und schnitt die Preisschilder von den neuen Garnituren. Natürlich sollte man sie vor dem ersten Tragen waschen, aber das konnte ich nicht – so schön und neu waren sie eben nur vor der ersten Wäsche! Da nahm ich lieber Appreturrückstände in Kauf.

      Der Schrank sah jetzt schon richtig gut aus, so, als hätte ich genug anzuziehen, um eine Arbeitswoche zu überstehen. Und lauter Klamotten, in denen Christian mich nicht wieder erkennen würde! Warum war ich auf einen solchen Idioten fünf Jahre lang hereingefallen? Und warum hatte ich mich von ihm so ausnehmen lassen?

      Ich legte mich aufs Bett, sobald ich die neue Wäsche im Schrank verstaut und die nassen Klamotten aufgehängt hatte, und dachte nach. Hatte er mich ausgenommen? War das alles aus seiner Sicht nicht ganz normal gewesen? Wir hatten zusammen gelebt, zusammen gearbeitet – in einem ästhetischen Ambiente, wie er sich sein Leben eben vorstellte – und dann hatte er sich in eine andere verliebt. Was hätte er machen sollen? Darauf verzichten? Bei mir bleiben, obwohl er mich nicht mehr liebte? Hätte ich das getan? Wohl kaum... Welche Reaktion hätte ich erwartet, wenn ich ihm eine derartige Eröffnung gemacht hatte? Dass er wortlos seine Sachen gepackt hätte und verschwunden wäre? Oder hätte er mich fragen sollen, wie mir das Ganze vorstellte? Hätte er um mich kämpfen sollen? Ich wusste es selbst nicht, ich wusste nur, dass ich nicht anders hatte handeln können – ein bisschen Stolz musste ich schließlich noch zeigen dürfen. Hätte ich um eine Abfindung feilschen sollen? Mich benehmen wie eine Ehefrau, von