Die Erbschaft. Elisa Scheer

Читать онлайн.
Название Die Erbschaft
Автор произведения Elisa Scheer
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783737555173



Скачать книгу

ich weiß mittlerweile nicht mehr, was ich von ihm glauben soll.“

      „Guck doch mal, ob er schon wieder einen Hilfeschrei losgelassen hat!“

      Gehorsam schaltete ich mein Handy ein und rief die SMS ab. Ja, eine, und tatsächlich von ihm. Lass die Albernheiten, C. Das musste man keiner Antwort würdigen, fand ich und warf das Handy wieder in meine Tasche.

      „Scheiße!“

      „Was denn jetzt wieder?“, fragte Cora verblüfft.

      „Ich bin dreißig Jahre alt und das bisschen Kram in deinem Gästezimmer ist alles, was ich jemals zustande gebracht habe! Kein Uniabschluss, kein Freund, nicht einmal ein Dach über den Kopf, kein Job. Ich dachte, ich hätte es geschafft, als ich mit Christian zusammen war – Job, gemeinsame Zukunft, vielleicht mal Kinder – und jetzt stehe ich wieder mit total leeren Händen da.“ Ich begann wieder zu heulen. Cora seufzte. Die Einkäufe hatten also doch nicht als hinreichend aufbauend erwiesen? Sie rutschte neben mich und legte den Arm um meine Schulter. „Wein dich ruhig aus. Aber so schlimm ist das alles doch auch nicht!“

      „Doch!“, jaulte ich. „Ich hab gar nichts! Überhaupt keine Zukunft!“

      „Was für ein Blödsinn. Du hast doch schon wieder einen Job! Und ich kenne haufenweise Leute, die über JobTime etwas Festes gefunden haben. Das gelingt dir auch, pass nur auf.“

      „Wen denn?“, jammerte ich und schneuzte mich in ein Kleenex.

      „Na, Hannah zum Beispiel, die hat jetzt was Festes als Büroleiterin und ist total glücklich.“

      „Und wen noch? Du hast gesagt haufenweise!“

      Cora lehnte sich zurück. „Hm... Hannah, und - ach komm, Hannah reicht ja wohl als Beispiel, oder? Die anderen arbeiten doch schon so lange nicht mehr bei JobTime. Glaub mir, du findest schon was!“

      „Aber ich will nicht mein Leben lang die Ablage machen!“, schluchzte ich, „das ist doch der totale Stumpfsinn!“

      „Jetzt steigere dich da nicht rein. Christian schreibt dir ein ordentliches Zeugnis, sonst mache ich ihn so fertig, dass er nicht mehr weiß, ob er Männlein oder Weiblein ist, und dann kannst du wieder als Buchhalterin arbeiten.“

      „Ich weiß gar nicht, ob ich das will“, murrte ich und schniefte in das nächste Kleenex, „das war doch auch bloß, um mit Christian zusammenarbeiten zu können.“

      „Man soll sich nicht wegen eines Kerls für einen Job entscheiden“, stellte Cora fest und reichte mir ein frisches Taschentuch. Der Tisch vor dem Sofa sah schon ziemlich unappetitlich aus; ich schneuzte mich wieder und warf den Knäuel zu den anderen. „Wieder so eine Fehlleistung von mir, was?“ Ich seufzte zittrig. „Was soll ich denn jetzt bloß machen?“

      „Gar nichts“, urteilte Cora, „du jobbst jetzt mal eine Zeitlang und guckst dich um. Und dann sehen wir weiter. Hat dein doofer Christian eigentlich Sozialabgaben für dich gezahlt?“

      „Doch, schon. Ich hab die Buchungen ja gemacht. Er hat zwar gejammert, wie teuer das alles ist, aber da war ich hart. Und irgendwie war ihm auch klar, dass es schlecht kommt, wenn ein seriöser Steuerberater den Staat so offensichtlich bescheißt. Das nützt mir doch jetzt auch nichts, ALU krieg ich doch nicht, wenn ich selbst gekündigt habe!“

      „Ich dachte ja bloß an den Rentenanspruch. Pass auf, du nimmst dir ein Jahr Zeit, und nach diesem Jahr hast du einen tollen Job, eine Wohnung für dich alleine, die du einrichten kannst, wie du willst, einen vernünftigen Kerl, dem du aber nichts glaubst – nur einen Betthasen – und ein ganz irres Leben. Wetten?“

      „Nein... in einem Jahr pussele ich immer noch mit Hilfsjobs herum und hause in einem möblierten Zimmer. Und von Männern hab ich jetzt echt die Schnauze voll, mir kommt keiner mehr durch die Tür. Mensch, Cora – ich kann mir ja nicht einmal eine Wohnung zulegen, ich hab kein einziges Möbelstück, alles hab ich für Christian und seinen Scheißelitegeschmack aufgegeben.“

      Mir stiegen schon wieder die Tränen in die Augen. Wie feuerrot meine fleißig laufende Nase mittlerweile war, wollte ich gar nicht erst wissen. Ich zerrte das nächste Kleenex aus der Box. Mist, das letzte – hatte ich wirklich seit gestern Abend einen Hunderterpack verheult? Sah ganz so aus. „Du kannst deine Klappstühle wieder haben, wenn du sie brauchen kannst. Und ein im Moment deaktiviertes Billy hab ich auch noch im Keller. Noch ´ne Matratze und ein paar Kleiderhaken, das reicht doch erstmal.“

      „Ich hab nicht mal Bettwäsche!“, weinte ich. Allmählich verstrickte ich mich ganz schön in Details, aber das alles war eben so typisch, so symptomatisch für meine Situation: Ich hatte überhaupt nichts und Christian hatte alles.

      „Worin hast du eigentlich bei Christian geschlafen?“

      „Er hat neues Bettzeug gekauft, weil mein alter Kram unhygienisch wäre, hat er gesagt. Also hab ich damals den alten Kram weggeworfen. Und meine Bettwäsche fand er scheußlich. Naja, das war sie auch, so bunter Frottee. Aber jetzt wäre ich wieder froh drum.“

      „Unhygienisch?“

      „Ja, er sagte, Polyesterfüllung ist besser, wegen Hausstaub und Milben und so. Meine uralte Daunendecke war echt nichts mehr, da kamen schon überall die Federn raus. Und Bettbezüge mussten bei ihm in edlen Farben und aus Makosatin sein. Das ist wirklich schön weich, aber reichlich teuer. Na, jetzt schläft seine Edeltussi in der Polyesterdecke.“

      „Sarah, das kann man bei Gelegenheit doch alles kaufen! Und solange du noch hier wohnst, brauchst du das alles doch überhaupt nicht. Regst du dich jetzt nicht künstlich auf?“

      „Nein!“, jammerte ich. „Das ist doch alles ein Zeichen!“

      „Zeichen wofür?“

      „Dafür, dass ich total versagt habe! Dreißig Jahre – und nichts erreicht, alles, was ich hatte, war bloße Einbildung! Eine gottverdammte Illusion!“

      „Ach, und das ist alleine deine Schuld? Gut, ich fand Christian nicht so wahnsinnig beeindruckend, weil er ein blöder Schleimer ist, aber das hätte ich doch bei ihm auch nicht vermutet. Wieso bist du die Versagerin, wenn er sich als Schweinebacke entpuppt?“

      „Darum geht´s doch nicht“, zeterte ich, „ich habe einfach nichts Wirkliches auf die Beine gestellt!“

      „Was wäre denn etwas Wirkliches?“, erkundigte sich Cora, etwas ratlos, wie mir schien.

      „Weiß ich auch nicht. Eine Wohnung für mich, ein Job, der nicht davon abhängt, ob mein Chef sich in eine Bessere verliebt, eigenes Geld... all so was, denke ich.“

      „Kommt alles, irgendwann. Du bist noch keine vierundzwanzig Stunden solo und hast schon wieder ein Dach über dem Kopf und einen Job in Aussicht. Und Christian kann dich nicht länger abzocken. Ich finde das eine ziemlich gute Tagesleistung, du nicht?“

      „Ja, vielleicht. Warum war er so eine Ratte? Ich hab doch alles für ihn gemacht, und er geht hin und vergafft sich in eine andere!“ Ich schluchzte wieder los und griff mechanisch nach der Kleenexbox. Mist, die war ja leer! Aber in meiner Handtasche mussten noch Tempos sein... Ich wühlte darin herum und zog mit der Tempopackung einen zerknitterten Brief heraus. Nach dem Schnäuzen betrachtete ich ihn verblüfft, dann fiel es mir wieder ein. „Ach, der Scheiß! Den kann ich auch wegwerfen, sicher bloß ´ne Art Werbung, Rechtsschutzversicherung oder so.“

      Ich fegte ihn vom Tisch und Cora hob ihn wieder auf. „Nein, das ist keine Werbung. Der ist korrekt adressiert, ohne Aufkleber, und Anwaltsbüros verschicken keine Werbung für irgendwelche Versicherungen. Mit Christian kann das eigentlich nichts zu tun haben, oder?“

      Kapitel 5

      „Nein“, antwortete ich, „ich hab ihn gestern mit der übrigen Post abgeholt. Da war noch alles in Butter – hab ich dummes Huhn wenigstens geglaubt. Nein, ich glaube nicht, dass er mich verklagt, weil ich meine drei eigenen CDs, die ich schon vor ihm hatte, mitgenommen habe und mein Fotoalbum.“

      „Dann