Die Erbschaft. Elisa Scheer

Читать онлайн.
Название Die Erbschaft
Автор произведения Elisa Scheer
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783737555173



Скачать книгу

was Sie alles verkaufen wollen. Manches ist durchaus wertvoll – wie gesagt, Ihr Großvater war kein armer Mann.“

      Ich konnte es immer noch nicht glauben. „Cora, kneif mich mal!“

      Cora kniff kräftig zu. „Au! Okay, ich glaub´s immer noch nicht, aber ich nehme die Erbschaft an. Damit handele ich mir aber keinen Ärger ein, oder?“

      „Ärger?“

      „Ich weiß doch nichts über meinen Großvater! Als er meine Mutter rausgeworfen hat, war er Geschäftsmann, und sie wusste auch nicht viel. Nicht, dass er ein Unterweltkönig war oder ein Handlanger der Mafia, und jetzt halten die sich an mich?“

      „Keine Sorge, Ihr Großvater war Elektronikgroßhändler, völlig legal. Und das Unternehmen hatte er schon vor Jahren verkauft, um den Ruhestand zu genießen.“

      „Elektronik Ulitz hab ich ja noch nie gehört“, murmelte ich verstockt. „Die Firma hieß Hi-fi-drei. Einige Filialen gibt es noch, die meisten wurden von einer Großmarktkette übernommen.“

      „Ich bin doch nicht blöd?“, fragte Cora nach.

      „Ja, ich glaube. Jedenfalls haben Sie damit nichts mehr zu tun. So, wenn Sie mir bitte hier und hier unterschreiben würden... das ist eine Vollmacht, damit ich mit den Behörden für Sie verhandeln kann... das ist wegen der Eigentumsübertragung an der Wohnung, das kann ein befreundeter Notar noch in dieser Woche erledigen, wenn Sie wollen... hier, dass Sie die Erbschaft annehmen und uns mit der Abwicklung beauftragen...“

      Ich unterschrieb, was man mir hinhielt. Vage erinnerte ich mich, dass man sich alles vorher gründlich durchlesen sollte (Agatha Christie, Der Tod auf dem Nil), aber ich hatte jetzt nicht den Nerv, alles durchzuackern. „Das Vermögen darf Sarah aber dann schon selbst verwalten, oder?“, fragte Cora scharf nach. „Selbstverständlich. Ich kann Ihnen zwar mehrere gute Finanzberater empfehlen, aber diese Dokumente beziehen sich nur auf den Verwaltungskram, der mit dem Eigentumsübergang zusammenhängt.“

      Ich schob die Blätter und den eleganten silbernen Kugelschreiber wieder zurück; Antrack zerlegte alle Dokumente und reichte mir eine Handvoll Zweitschriften. „Für Ihre Unterlagen! Haben Sie mir eine Telefonnummer angegeben?“

      Ich nannte ihm meine Handynummer. „Würde Ihnen der Dienstag nach Ostern passen – um die Wohnung zu besichtigen? Ich denke, bis dahin kann auch der notarielle Teil erledigt sein. Wir müssten auch das Inventar grob schätzen, wegen der Erbschaftssteuer.“

      „Ab Dienstag arbeite ich wieder, das ist ungünstig.“

      „Dann sagen wir doch, kurz nach sechs? Bis dahin haben Sie doch bestimmt Feierabend. Ansonsten rufen Sie mich einfach an. Aber Sie wissen schon, dass Sie solche Jobs jetzt eigentlich nicht mehr nötig haben?“

      „Ich muss doch was arbeiten! Sonst werde ich ja wahnsinnig!“

      „Einen so großen Haushalt aufzulösen, kann auch Arbeit sein. Sie werden es ja sehen! Nun, wenn Sie sonst keine Fragen mehr haben – ich glaube, ich kann es mir sparen, Ihnen zum Tod Ihres Großvaters zu kondolieren. Ich sollte Ihnen wohl eher gratulieren, nicht?“

      „Das glaube ich auch“, gab ich mit schiefem Lächeln zu, „aber das kommt mir jetzt auch wieder pietätlos vor. Albern, was?“

      „Nein, gar nicht. Das war doch sicher ein Schock für Sie! Also, machen Sie sich erst einmal mit dem Gedanken vertraut, dass Sie jetzt eine einigermaßen wohlhabende junge Frau sind, und ich rufe Sie wegen des Notartermins dann an oder schicke Ihnen eine SMS, einverstanden?“

      Ich nickte kraftlos und erwiderte den festen Händedruck wahrscheinlich genauso schwach. Cora hakte mich energisch unter und schleppte mich hinaus. Draußen nahm sie mein Gesicht in beide Hände und küsste mich schmatzend. „Mensch, Sarah, damit bist du doch alle Sorgen los! Klasse! Und stell dir bloß mal vor, wie blöde dein Ex-Christian schauen würde, wenn er das wüsste! Wahrscheinlich bist du jetzt eine bessere Partie als seine vornehme Bruthenne!“ Ich lachte zittrig.

      „Komm, wir gehen uns das Haus gleich mal anschauen, und dann gibt´s Mittagessen, ja? Du darfst mich einladen!“

      „Mach ich, das hast du dir echt verdient. Ich glaube, alleine hätte ich mich gar nicht hierher getraut. Und was ich fragen soll, hätte ich auch nicht gewusst. Woher kennst du dich da so gut aus?“

      „Tu ich gar nicht. Aber nachdem Freddy ja Anwalt ist, schnappt man ab und zu etwas auf. Und bei MediaService gibt´s auch ab und zu juristische Probleme. Was hat er gesagt? Sophienstraße 12? Prima Lage, das ist doch gleich beim Salads & More, nicht? Wenn wir das am Samstag schon gewusst hätten!“

      Sie zerrte mich durch die Straßen; ich glaubte, Cora freute sich fast mehr als ich, denn ich konnte das immer noch nicht so ganz glauben. Ich hatte eine Wohnung geerbt? Eine riesige Wohnung? Voller Kram? Das mit dem restlichen Vermögen leuchtete mir nicht so ganz ein, aber wenn es für die anfallenden Kosten reichte, sollte es mir Recht sein. Die Sache mit dem Untermieter war vielleicht ganz praktisch, seine Miete reichte möglicherweise für einen Teil der Nebenkosten, dann kam mich die Wohnung gar nicht so teuer. Dann könnte ich mich ohne allzu große Existenzsorgen mit JobTime-Aufträgen durchs Leben schlagen...

      „Hier, das muss es sein!“

      Das Haus sah gut aus, grau gestrichen, die klassizistischen Verzierungen in dunklerem Grau, Weiß und sattem Gelb abgesetzt. Im ersten Stock gab es sogar kleine Säulchen zwischen den Fenstern; im Erdgeschoss befanden sich ein Café und ein Schreibwarenladen, dazwischen lag die Hofeinfahrt, mit einem schmiedeeisernen Tor zur Straße hin abgeschlossen, aber das Tür stand offen, also schlichen wir hinein. Links in der Einfahrt befand sich eine mächtige Tür, die offenbar ins Vordergebäude führte. Wir ließen sie unbeachtet und eilten weiter, bis wir die Rückfront betrachten konnten. Schlichter gestaltet – wie nicht anders zu erwarten – mit recht großen, säulenverzierten Balkonen und gut in Schuss. Der Hof war hübsch angelegt, mit Kopfsteinpflaster, einem kleinen Brunnen in der Mitte und zwei schmiedeeisernen Bänken. Auf einer saß eine alte Dame und döste.

      Wir zogen uns schnell wieder zurück, bevor sie noch die Augen öffnete und uns ins Gebet nahm, was wir hier wollten. Lieber studierten wir draußen die Klingeltafel! Offenbar gehörte meinem Großvater die rechte Wohnung im ersten Stock – nicht übel. Beletage, sozusagen! Und einen Aufzug gab es auch, er führte direkt in die Hofeinfahrt und war, wie mir ein rascher Blick zeigte, nur mit einem Hausschlüssel zu benutzen. Sehr praktisch.

      Eigentlich passte das alles nicht zusammen – das Haus war höchstens vor zehn Jahren renoviert worden, aber man hatte an den riesigen Wohnungen offenbar nichts geändert. Hätten sich Zwei- bis Dreizimmerwohnungen nicht viel besser verkauft? Cora schüttelte den Kopf, als wir vor unseren Salattellern saßen, und spießte eine Crevette in Knoblauchdillsauce auf. „Nicht, wenn die Wohnungen schon vorher in Privateigentum waren. Wie lange hat dein Großvater denn hier schon gewohnt?“

      „Weiß ich nicht. Aber wenn ich es mir recht überlege, hat Mutti erzählt, dass sie hier in der Gegend aufgewachsen ist. Vielleicht haben sie immer schon hier gewohnt?“

      „Ich find´s eher komisch, dass deine Großeltern, wenn sie schon gut bei Kasse waren, nie über ein eigenes Haus nachgedacht haben. Das ist doch meistens das erste, was junge Familien tun, sobald das Geld zu reichen scheint. Meine Eltern haben jedenfalls sofort nach meiner Geburt beschlossen, dass ihre Vierzimmerwohnung nicht mehr ausreicht, nicht mit drei kleinen Kindern, und sich ein Reihenhaus in Zolling gekauft. Ich glaube, sie zahlen immer noch ab, obwohl keiner von uns mehr dort wohnt.“ Coras ältere Geschwister wohnten nicht einmal mehr in Bayern; ihre Schwester lebte in Düsseldorf und ihr Bruder war in irgendeinem Bundesministerium beschäftigt und hatte sich demzufolge in Berlin niedergelassen.

      „Sind deine Eltern jetzt nicht ziemlich einsam?“

      „Ach, gar nicht. Papa bastelt ununterbrochen am Garten herum, und Mama ist sehr aktiv in der dortigen Kirche. Bastelgruppe, Altenpflege, Bazare, all so was, sie ist immerzu voll im Stress. Wenn ich vorbeikomme, zanken sich meine Eltern bloß, ob ich zuerst Mama mit drei Blechen