Die Erbschaft. Elisa Scheer

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Название Die Erbschaft
Автор произведения Elisa Scheer
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783737555173



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schreiben wir sie dazu und sperren die Frage. So wird der Einsender berühmt... Ist das nicht Belohnung genug?“

      „Geiznickel. Ein Buch oder so kann man als Belohnung schon noch opfern. Ich kümmere mich dafür um Werbekunden“, versprach Cora.

      Ich dachte fieberhaft nach. Ultimative Fragen mussten sich doch finden lassen! Warum, warum... „Warum geht immer alles schief, wenn man es besonders eilig hat? Das wollte ich immer schon mal wissen.“

      „Weil man, wenn man es eilig hat, herumhudelt. Aber die Frage ist in Ordnung.“ Hannah schrieb sie auf. Die Bedienung brachte drei Bier, zweimal Fisch und für mich einen Champignontoast. Er schmeckte ausgezeichnet, obwohl ich nicht viel Hunger hatte.

      „Sag mal, du hast doch auch über JobTime eine Stelle gefunden, oder?“, fragte ich Hannah zwischendurch.

      „Stimmt. Macht total viel Spaß. Mein Studium war der letzte Mist, stell dir vor, ich hab Philosophie studiert, völlig sinnlos. Und der erste Einsatz bei JobTime hat sich gleich als Dauerstellung entpuppt. Naja, ich bin noch in der Probezeit, aber nicht mehr lange.“

      „Hoffentlich finde ich auch schnell was Dauerhaftes“, murmelte ich.

      „Was hast du vorher gemacht?“

      „Die Buchhaltung im Steuerbüro meines Freundes, aber er hat mir gestern erzählt, dass er die Frau fürs Leben kennen gelernt hat. Und das war´s dann wohl!“

      „Ganz schön heavy“, kommentierte sie und warf mir einen mitleidigen Blick zu. „Ja, in zehn Minuten alles weg – Wohnung, Job, Liebe, Lebensplanung. Bloß gut, dass ich Cora hab, die richtet mich wieder auf.“

      „Und einen neuen Job hast du schon wieder?“

      „Leider bloß Ablagearbeiten. Solange Christian mir kein Zeugnis gibt, komme ich an Finanzjobs nicht mehr heran.“

      „Der schreibt dir eins, und wenn ich´s aus ihm rauswürgen muss“, versprach Cora finster.

      „Dein Ex scheint ja eine mehr als obskure Gestalt zu sein“, stellte Hannah fest.

      „Peinlich, wenn einem das erst im Nachhinein auffällt, was?“ Ich trank einen großen Schluck Bier.

      „So was merkt man oft erst ganz am Ende“, tröstete Hannah. „Ich kann dir da Sachen erzählen!“

      „Nicht schon wieder der Ökofuzzi!“, stöhnte Cora, „die Story kenn ich schon.“

      „Dann geh derweil aufs Klo“, sagte Hannah mitleidlos, „ich finde, die Story ist für Sarah durchaus hilfreich.“

      Cora verschwand ärgerlich in den hinteren Regionen, und Hannah erzählte mir eine wahre Räuberpistole über einen Kurt, der sich vor lauter Ökologie schließlich nicht mehr gewaschen und nur noch Sojabohnenbrei gegessen hatte. Ich kicherte beim dramatischen Finale und wurde auch noch mit der Geschichte von Lorenz belohnt, der der Ansicht war, emanzipierte Frauen (die er im Prinzip gut fand), müssten ihre Männer durchfüttern und sich auch sonst um alles selbst kümmern. „Wozu hast du ihn dann noch gebraucht?“

      „Das hab ich mich gegen Ende auch gefragt“, gab Hannah zu, „und dann hab ich diese Frage an ihn weitergereicht. Erst war er baff, dann hat er auf seine Liebeskünste hingewiesen, die pro Monat höchstens einen Zehner wert waren, und dann wurde er sauer: Typisch Frau, dass ich nur auf meinen Nutzen schaue! Und dann hab ich ihn rausgeschmissen.“

      „Emanzipation heißt schließlich auch, dass man von der Opferrolle wegkommt“, steuerte ich bei und staunte über die Weisheit, die mir seit gestern so zuflog. Welche Rolle hatte ich denn Christian gegenüber eingenommen? Da hatte ich mir doch wirklich alles bieten lassen! Ich trank mein Bier aus und bestellte umgehend ein neues. Cora kam vom Klo zurück und tadelte die Bedienung. „Birgit, ihr wolltet doch das Klo mal renovieren? Da ist ja immer noch nichts passiert!“

      „Ja mei“, seufzte Birgit, „es gibt immer was Dringenderes zu tun. Ostern, vielleicht.“

      „Oder Pfingsten oder nie, was? Ihr bastelt wohl immer noch an der Wohnung herum?“

      „Ja, aber jetzt ist sie ziemlich fertig und wunderschön geworden. Irgendwann machen wir mal eine Fete, an einem Sonntag, sonst können wir ja nie. Noch was zu essen? Schmeckt es dir nicht?“, fragte sie mich.

      Ich fuhr zusammen. „Doch, köstlich, aber ich habe keinen rechten Appetit.“

      „Liebeskummer?“

      „So ähnlich“, gab ich zu, und Birgit nickte. „Moment!“

      Kurz darauf kam sie mit drei Gläsern Prosecco zurück. „Geht aufs Haus. Trinkt darauf, dass der Mistkerl die Hölle durchmacht, ja?“ Ich musste lachen, wir stießen auf Christians kommende Nöte an und kippten den Prosecco auf Ex, Dann schüttete ich mein Bier hinterher.

      „Sarah, wenn du derartig säufst und so wenig isst, bist du im Handumdrehen hackedicht“, mahnte Cora leise, aber mir war das egal, ich wollte ja heute Nacht schlafen und nicht wieder darüber nachdenken, was ich bei Christian falsch gemacht hatte. „Warum glauben Frauen immer, dass sie eine Beziehung versiebt haben?“, fragte Cora Hannah, die das sofort aufschrieb und dann nachdenklich am Kugelschreiber kaute. „Weil man Frauen zur sozialen Kompetenz erzieht und Männer nicht?“

      „Oder weil bei Frauen die Hirnhälften stärker vernetzt sind, so dass sie sozial wirklich kompetenter sind?“, schlug Cora selbst vor.

      „Kann durchaus sein“, murmelte Hannah und notierte das. Ich winkte Birgit und hielt mein leeres Bierglas hoch. Übrigens hatte Cora Recht gehabt, man gewöhnte sich an die engen Jeans; seit dem ersten Hinsetzen, das sich wie ein Schlag in den Magen angefühlt hatte, hatte der Druck merklich nachgelassen. „Warum müssen Frauen schön sein, aber nicht klug?“, fragte Hannah jetzt.

      „Das ist uralt“, tadelte Cora, „weil Männer besser gucken als denken können.“ Ich kicherte trotzdem, ich kannte den Spruch noch nicht. Ah, mein neues Bier! Und Birgit hatte sicherheitshalber ein Tütchen Chips mitgebracht: „Damit du den Alkohol auch verträgst!“

      Ich bedankte mich und riss das Tütchen auf. Lecker, Walker´s mit Tomatengeschmack, die waren schwer zu kriegen, das wusste ich, denn Christian hatte phasenweise darunter gelitten, kein englischer Anwalt zu sein und mich meine Einkäufe nur noch im British Store erledigen lassen. Natürlich nur, bis ihm aufgefallen war, wie teuer das kam. Danach war Schluss mit edelster Orangenmarmelade, feinstem Tee und Salt&Vinegar-Chips; englische Anzüge liebte er freilich heute noch, wenn er auch nur einen einzigen besaß, und der war zu seinem Leidwesen nicht in der Savile Row maßgeschneidert, sondern von Harrod´s von der Stange.

      Coras Finger entführten einen schönen großen Chip. „Ich weiß was! Aber das ist nicht mehr ganz jugendfrei.“

      „Lass hören“, verlangte Hannah begierig. „Na gut. Warum können Frauen keine Größen schätzen?“

      „Warum?“, wollte ich wissen. Cora hielt ihren Zeigefinger hoch. „Weil man ihnen immer einredet, das seien zwanzig Zentimeter!“

      Verstand ich nicht. Hannah guckte einen Moment verblüfft, dann prustete sie hilflos in ihr Bier. „Der ist super!“, verkündete sie, sobald sie wieder sprechen konnte. Ich schaute immer noch ratlos drein, bis Cora mein Gesicht sah. „Sarah, denk nach! Wo wären Männer immer gerne besser bestückt, als sie es von Natur aus sind?“

      Ach so! Ja, wirklich lustig, vor allem nach drei Bier und einem Prosecco.

      Hannah und Cora sammelten noch ein bisschen weiter, während ich mich auf mein nächstes Bier konzentrierte und dazu die Chips aufaß. Viele waren es nicht, und meinen Zustand konnten sie auch nicht mehr retten, ich hatte ganz nett einen sitzen.

      Gegen elf warf Cora mir einen schrägen Blick zu. „Sarah, du musst ins Bett, du bist besoffen.“

      „Bin ich nicht“, protestierte ich schwächlich. Betrunkene Frauen, das hasste Christian wie die Pest. Der Gedanke brachte mich dazu, noch ein Bier