Die Erbschaft. Elisa Scheer

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Название Die Erbschaft
Автор произведения Elisa Scheer
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783737555173



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Auto versorgt? Was für ein Arschloch!“

      „Scheiße, ja!“ Ich blieb stehen. So viel wie in den letzten fünfzehn Stunden hatte ich seit Jahren nicht mehr geflucht (Das große Buch der feinen Lebensart). „Gestern erst! Ich schleppe den Mineralwasserkasten zu Fuß nach Hause, weil ich denke, dass er den Wagen braucht, um bei einem potentiellen Mandanten Eindruck zu schinden, und dabei fährt er damit bloß zu seiner Edeltussi, um mit ihr zu vögeln!“

      „So hast du aber bei Christian auch nicht geredet, oder?“

      „Nein“, gab ich zu, „aber ich bin so was von stinksauer!“

      „Wäre ich auch. Wollen wir ihm was antun?“

      „Was denn? Der feine Herr ist doch unangreifbar!“

      „Sag das nicht... Er ist doch sehr von seinem guten Ruf in Finanzkreisen abhängig, oder? Über Freddy könnten wir da durchaus Gerüchte streuen. Freddy macht das, wenn wir ihn überzeugen.“

      „Nein, das ist mies!“

      „Klar, deshalb passt es doch so gut zu deinem feinen Herrn.“

      „Das machen wir nicht“, lehnte ich energisch ab. „Schade, ich wollte immer schon mal richtig rattenmäßig jemanden fertigmachen“, seufzte Cora. „Ich könnte mich auch in seine Webseite schmuggeln und da ein bisschen was verändern... Oder ihm einen Virus schicken.“ Nun musste ich doch lachen. „Okay, aber erst, wenn er kein Zeugnis rausrückt oder auf meiner Lohnsteuerkarte sitzen bleibt. Vorher nicht!“

      „Wir könnten auch der stilvollen Tussi ein bisschen Ärger machen“, bot Cora begeistert an, „da gibt es sicher schöne Möglichkeiten. Glaubst du, wenn sie so fein ist, wissen ihre Eltern, dass sie sich hat anbumsen lassen? Wir könnten Warenproben von Alete und so verschicken, an die Adresse ihrer Eltern. Stell dir bloß vor, wie so eine ältliche Gräfin oder so Pampersproben aus dem Briefkasten fischt und dumm schaut!"

      Geniale Idee, aber nein. Ich behauptete schnell, den Namen meiner Nachfolgerin nicht zu kennen, um Coras Eifer zu bremsen, und ließ mich von ihr ins Horizont zerren. Regale über Regale, blau gefüllt. „Gibt es Jeans mittlerweile nur noch in Blau?“, flüsterte ich. Cora schüttelte den Kopf und deutete in die hinteren Regionen. Ja, dort war alles etwas bunter. Ein junges Mädchen näherte sich. „Kann ich euch helfen?“

      „Äh, ja – ich bräuchte Jeans“, antwortete ich etwas unbeholfen. Sie musterte mich von der Seidenbluse über den Tweedrock bis zu den Pumps. „Ich sehe es... welche Größe?“

      „Keine Ahnung. Vierzig, denke ich.“

      Sie keuchte erschrocken. „Vierzig? Niemals! Das ist sogar den meisten breitärschigen Amis zu groß.“

      Ich kapierte gar nichts mehr. Vierzig war seit Jahren meine Größe gewesen, von der achtunddreißig hatte ich mich schon kurz nach dem Abitur verabschieden müssen. Aber ich war ohne Schuhe immerhin einen Meter vierundsiebzig groß, also fand ich mich meistens nicht zu dick. Trotzdem – einen Reistag sollte ich vielleicht doch mal wieder... Frühjahrskur und so...

      Ein Maßband wurde mir locker um die Hüften geschlungen. „Einunddreißig“, murmelte das Mädchen und kniete sich hin, um die Seitenlänge abzumessen. „Und zweiunddreißig“.

      Vage erinnerte ich mich an die einzige „echte“ Jeans, die ich in meiner Schulzeit im Western-Store gekauft hatte, 30/34. Stimmte ja, die wurden in Zoll gemessen. „Stonewashed?“, fragte die Verkäuferin über die Schulter, die Hand schon in einem Regal.

      Was? „Stonewashed“, bestätigte Cora bestimmt. „Und vielleicht dunkelgrau, black moon oder so.“

      Mir wurden zwei Paar gefaltete Jeans in die Hand gedrückt. „Kabinen sind dort hinten.“

      In der engen Kabine schälte ich mich aus dem Rock und schlüpfte in die grauen Jeans. Nicht schlecht, fand ich und betrachtete mich im Spiegel. Sie saßen richtig – aber war ich wirklich derartig blass? Hatte ich wirklich solche Schatten unter den Augen? Alt sah ich aus – aber einen knackigen Hintern hatte ich offensichtlich doch noch, stellte ich mit einem Blick über die Schulter fest.

      Cora zog den Vorhang auf. „Die ist zu weit!“

      „Quatsch“, widersprach ich, „die ist total bequem.“

      „Und wenn du sie eine Stunde anhast, ist sie ausgeleiert. Können wir die gleiche in dreißig haben?“, rief sie nach vorne. Seufzend zwängte ich mich in das engere Exemplar und brachte nur mit Mühe den Reißverschluss zu. „Furchtbar, ich kriege ja gar keine Luft mehr! Wie soll ich mich denn so hinsetzen?“

      „Daran gewöhnst du dich.“ Cora holte die hellblauen Jeans ebenfalls in dreißig und ich strampelte mich schwitzend aus der einen hinaus und in die andere hinein. Mussten diese Dinger so quälend eng sein? Mein letztes Exemplar war eine Karotte mit Bundfalten gewesen, aber das sagte ich Cora lieber nicht, wahrscheinlich war das uncool.

      „In Ordnung“, beschloss Cora schließlich, „die beiden nimmst du.“

      Ich stöhnte gequält auf. „Kann ich mir wenigstens bei den Sweatshirts eine humane Größe aussuchen?"

      Sie wies auf einen Drehständer. „Bedien dich. Und ein paar T-Shirts könnten auch nichts schaden, vor allem in weiß.“

      Während ich die Sweatshirts durchsah – mussten die alle so alberne Aufdrucke haben? Und die scheußlichen Farben erst! – eilte die Verkäuferin mit einem günstigen Dreierpack T-Shirts herbei, die mir nicht gefielen, ich stand mehr auf V-Ausschnitte. Sie wieselte wieder davon, und ich zog das teuerste aller Sweatshirts vom Bügel – hellgrau, mit geripptem Polokragen, dezent aufgesticktem Logo und – das Allerwichtigste – einem Waschzettel, der 60° erlaubte.

      „Wieso willst du das so heiß waschen?“

      „Will ich gar nicht. Aber das ist ein Zeichen, dass es sich um erstklassige Baumwolle handelt. Das Ding soll ja nicht gleich wieder im Flusensieb das Zeitliche segnen, oder?“ Die Verkäuferin eilte wieder zu uns. Geeignete T-Shirts hatte sie nicht mehr, nur noch ein einzelnes von einer bekannten Jeansmarke, in Blassrosa. Ich nahm es und fragte nach weiteren Sweatshirts von guter Qualität. „Die kosten aber fast vierzig Euro“, gab sie zu bedenken.

      „Ja, das kann ich mir schon denken. Ich möchte sie trotzdem sehen, geht das?“

      Sie zuckte die Achseln und räumte ein Regalfach aus. Ich sah den Stapel flüchtig durch. Ein lavendelblaues Sweatshirt war genauso schön wie das hellgraue. Trotzdem – an der Kasse zahlte ich unter zweihundert Euro, kaum mehr als für eine wirklich schöne Seidenbluse, und so hatte ich doch ein brauchbares Outfit für die Freizeit und vielleicht auch für die Arbeit. Zufrieden griff ich nach der großen Papiertüte.

      Auf dem Weg nach Hause kamen wir noch bei Polo´s vorbei, wo die Ware teurer, aber auch besser war, und ich entdeckte noch ein drittes Sweatshirt in hellem Gelb und außerdem zwei recht ordentliche Polohemden in dunkelblau und weiß. Noch mal rund hundert Euro. Jetzt war aber Schluss, die von Cora dringend empfohlenen Sneakers gab es erst nach dem nächsten Gehalt! Vergnügt pfeifend schichtete ich meine Neuerwerbungen in den Schrank im Gästezimmer, aber dann überfielen mich wieder Gewissensbisse. „Ich bin so doof, Cora!“

      „Warum?“ Sie hantierte gerade mit einer Saftpackung und zwei Gläsern herum. „Hast du was vergessen?“

      „Nein – aber ich hätte nicht so viel Geld ausgeben sollen! Wenn ich mir eine Wohnung suche, wird es mir bloß fehlen.“

      „Das mit der Wohnung hat doch wirklich Zeit, ich freue mich, wenn du hier bleibst.“

      „So etwas Schönes wie diese Wohnung hier werde ich mir ohnehin nie leisten können.“

      „Na, für zwei Zimmer wird es schon reichen, oder? Ein bisschen weiter draußen kannst du so was schon für fünfhundert Euro kriegen. Und wenn wir mal hochrechnen, was du für diesen Rumpelstilzchen-Job kriegst – das sind doch schon über dreihundert in der Woche, oder? Mehr als dein blöder Christian dir gezahlt hat. Du musst