Die Erbschaft. Elisa Scheer

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Название Die Erbschaft
Автор произведения Elisa Scheer
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783737555173



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bezahlt? Aber ich wüsste auch nicht, was das sein sollte, ich hab seit Weihnachten nichts mehr gekauft, und da hab ich alles bar bezahlt. Ich glaube, das ist ein Irrläufer, die meinen gar nicht mich.“

      Cora schnaufte. „Mach ihn auf oder ich tu´s! Was sollen denn die albernen Mutmaßungen? Es steht bestimmt drin, worum es geht!“

      „Und wenn er gar nicht für mich ist? Dann hab ich einen fremden Brief geöffnet. Das hab ich nicht mal mit Christians Privatbriefen gemacht!“ „Aber er mit deinen schon, oder?“

      „Nein, ich kriege keine privaten Briefe, außer von meiner Cousine in Niedersachsen. Na gut, ich mache ihn jetzt auf. Meinst du, ich soll wirklich?“

      „Ist ja schlimmer als bei Günther Jauch! Ja, du sollst! Wenn er nicht für dich ist, ist das nicht dein Problem, wenn die ihn falsch adressieren. Los jetzt!“ Ich warf ihr einen zweifelnden Blick zu und schob den Zeigefinger unter die Lasche. Gutes Papier, stellte ich fest, als ich den Bogen entfaltete.

       Dr. jur. Wolfgang Antrack

       Rechtsanwalt

       Avenariusgasse 14

       Tel. 14 81 36

       Sehr geehrte Frau Sarah Ulitz,

       wir bitten Sie, wegen einer Erbschaftsangelegenheit umgehend mit uns Kontakt aufzunehmen, damit wir einen Termin vereinbaren können, um die Einzelheiten zu besprechen.

      Mit freundlichen Grüßen,

       W. Antrack

      „Was für ein Blödsinn“, kommentierte ich und reichte den Bogen Cora, „wer sollte mir denn was vererben? Ich wusste doch, dass das ein Irrläufer ist!“

      Cora las das kurze Schreiben und sah dann auf. „Sag das nicht! Jeder Mensch hat obskure Verwandte, die ihm irgendwelchen Schrott hinterlassen. Soll ich schnell da anrufen und einen Termin ausmachen? Für Montag, wenn´s geht?“

      „Tu, was du nicht lassen kannst. Aber ich wette mit dir, dass die gar nicht mich meinen.“

      Sie schüttelte den Kopf. „Gott, bist du stur!“ Im nächsten Moment wählte sie schon.

      „Ja, grüß Gott, mein Name ist Cora Beckmann, ich rufe im Auftrag von Frau Ulitz an. Sie hat gerade Ihr Schreiben erhalten und möchte nun einen Termin vereinbaren.

      - Montag um zehn? Gut, das passt ihr bestimmt.

      - Sagen Sie – sind Sie sicher, dass sie die richtige Adressatin ist? Frau Ulitz bezweifelt, dass sie gemeint sein kann, sie behauptet, keine Verwandten zu haben.

      - Moment, ich frage nach.“

      Sie deckte den Hörer ab und zischte. „Sarah! Dein Geburtsdatum?“

      „7. Oktober 1971“, zischte ich zurück, und sie wiederholte es in den Hörer.

      „Tatsächlich? Das hab ich mir doch gleich gedacht.

      - Nein, sie ist im Moment leider nicht verfügbar.

      - Ja, vielen Dank, bis Montag dann.“

      Cora legte auf. „Der meint sehr wohl dich! Wieviele Sarah Ulitz mit dem Geburtsdatum kann es in einem Kaff wie unserem schon geben?“

      „Stimmt. Aber ich hab echt überhaupt keine Verwandten, bloß diese Cousine.“

      Cora schenkte Saft nach. „Erzähl mir das mal genauer! Ich weiß nur, dass deine Mutter dich alleine großgezogen hat. Vielleicht hat dein Vater dir was vererbt?“

      „Technisch unmöglich“, wehrte ich ab, „sie hat ja gar nicht gewusst, wie er heißt, also hat sie ihm auch nie sagen können, dass diese Fete Folgen gehabt hat.“

      „Sie haben dich auf einer Fete produziert? Das nenne ich Party machen!“, kicherte Cora.

      „Ja... bloß hat Mutti nachher ziemlich dumm geschaut. Und weil das eine kommerzielle Uniparty war, also ohne Einladungen, kannte keiner den Typen. Angeblich hieß er Oliver, aber das stimmte wohl gar nicht. Meine Oma war damals schon tot, und mein Großvater hat Mutti dann vor die Tür gesetzt, sie hat ihr Studium abgebrochen und sich mit Bürojobs durchgeschlagen. Der alte Sack muss schon seit Jahren tot sein und in der Hölle braten, keine Ahnung, wie er geheißen hat.“

      „Ich nehme doch an, Ulitz, wie du und deine Mutter, oder?“

      „Keine Ahnung. Wahrscheinlich. Oder Mutti musste ihren Namen ändern.“

      „Das hast du aus einem englischen Krimi, was? Bei uns geht das überhaupt nicht, das Personenstandsgesetz - oder weiß der Geier wie das heißt - ist viel zu streng. Nicht mal, wenn du Achselschweiß mit Nachnamen heißt, kennen die Behörden Erbarmen! Vergiss diese Theorie, der hieß Ulitz, genau wie du. Aber wenn der schon lange tot ist, wer bleibt dann noch?“

      „Nur Irma. Sie ist eine Urenkelin von der Mutter meiner Großmutter, hat einen Pferdezüchter geheiratet und schon vier Kinder. Ich hab sie das letzte Mal gesehen, als sie geheiratet hat. Das ist fast zehn Jahre her. Das war´s, ich hab sonst keine Familie, keine Erbtanten, niemanden, der mir einen Stapel alter Bücher oder einen mottenzerfressenen Persianermantel hinterlassen würde. Also muss das alles ein Irrtum sein, auch wenn der Name stimmt.“

      „Pass auf, wir werden das am Montag ja sehen. Soll ich mitkommen?“

      „Ja, bitte – ach nein, du musst ja auch mal was arbeiten, ich stehle dir schon genug Zeit.“

      „Sarah, du bist so albern, dass es schon brummt. Du stiehlst mir überhaupt keine Zeit, das würde ich gar nicht zulassen. Wenn ich keine Zeit habe, dann sage ich dir das schon. Am Montag kann ich mir locker noch mal freinehmen. Ich hab mindestens hundert Überstunden angehäuft!“

      Ich umarmte sie trübsinnig. „Du bist so lieb zu mir!“

      „Das wärst du umgekehrt doch auch, oder?“

      Ich versuchte, mir die umgekehrte Situation vorzustellen. „Christian hätte getobt, wenn ich mir frei genommen hätte. Und wenn du in unserem – ach, Blödsinn, in seinem – Gästezimmer wohnen würdest, wäre er eifrig bemüht, dich da schnellstens wieder rauszukriegen. Ich alleine – das wäre natürlich was anderes...“

      „Jetzt geht es ja darum, was du alleine tätest. Wenn mir Freddys Mutter mit ihrem albernen Herzen mal den letzten Nerv geraubt hat, werde ich bei dir kampieren. Blödsinn, warum sollte ich? Das hier ist doch meine Wohnung, meine ganz allein. Ich glaube, du bist ansteckend, ich werde schon ganz wirr im Kopf.“

      Sie stand auf. „Hast du Hunger?“

      Ich schüttelte den Kopf.

      „Sag bloß, du willst abnehmen, bis du in deine neuen Jeans passt!“

      „Ich hab bloß keinen Hunger, mir ist das alles auf den Magen geschlagen. Ein Schnaps wäre mir lieber."

      „Den kriegst du aber nicht, sonst noch was, es ist ein Uhr mittags! Komm, ich mache die tiefgefrorene Lasagne in der Mikrowelle heiß, und dann teilen wir sie uns.“

      Bäh! Aber als Gast muss man höflich sein; ich deckte brav den Tisch und schob mein Lasagnestück danach auf dem Teller hin und her. Cora besah sich das eine Zeitlang, dann schickte sie mich ins Bett: „Du brauchst ein Schläfchen, das war wohl alles ein bisschen viel für dich. Pass auf, nachher gehen wir ins Ratlos, der Name passt zu deiner Stimmung. Hannah geht sicher auch mit. Dort kriegst du ein Bier, bis dahin hast du vielleicht wirklich mal Hunger, Hannah erzählt von den Idioten, die sie so kennen gelernt hat, wir spielen und blödeln ein bisschen, du kriegst noch ein Bier... Wie klingt das?“

      „Der Teil mit dem Bier klingt gut“, gab ich zu und trug meinen Teller nach draußen.

      Mittagsschlaf – das hatte ich nicht mehr gemacht, seitdem ich in die zweite Klasse gekommen war! Wahrscheinlich konnte ich überhaupt nicht schlafen, nicht mit den Sorgen, die ich mir machen musste. Ich war aber durchaus willens,