Vergessene Zeit. Elisa Scheer

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Название Vergessene Zeit
Автор произведения Elisa Scheer
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783737558815



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       * Verärgert gehen schließlich alle ins Bett.

       * Am nächsten Morgen stolpert Johanna in die Küche und findet die Leiche. Sie denkt, es ist Thomas... und sie schleicht sich einfach ins Bett zurück (nicht ganz unhörbar)

       * Etwas später steht Thomas auf, auf der Suche nach Coke gegen den Nachdurst, und stolpert über die Leiche. Er ruft die Polizei.

      Ich lehnte mich zufrieden zurück. Im Verlauf der Geschichte sollte er sympathischer werden, und die drei Bedenkenträger unsympathischer (humorlos, schnell beleidigt, kleinkariert).

      Gut, Thomas hat die Polizei verständigt. Die Leiche ist notgedrungen Leonard – im Liegen, von hinten, kann man die beiden auch nicht so gut unterscheiden. Schön und gut – aber warum sollte jemand den faden Leonard ermorden?

      Ja, das war des Pudels Kern. Der hatte doch nun wirklich niemandem etwas getan. Ich brauchte Motive, reichliche Motive, offenkundige und verborgene. Das einfachste war natürlich, jemand hatte ihn verwechselt und wollte eigentlich Thomas erledigen, der darauf doch ein bisschen erschrocken reagieren könnte.

      Ja, gut, aber das reichte absolut nicht. Konnte Johanna an unerwiderter Liebe zu Leonard leiden? Aber wenn alle Frauen die Männer umlegten, die nichts von ihnen wollten...? Hatte sich Leonard als Tierfeind geoutet? Hatte sie ihn nachts mit einer Scheibe Schinken in der Hand am Kühlschrank ertappt? Reichte das aus? In einer WG, in der außer Johanna alle Fleisch aßen?

      Konnte er zu Silvia gesagt haben, dass er Frauen in akademischen Berufen ablehnte? Warum sollte er, dazu war er doch gar nicht der Typ?

      Verdammt, woher sollte ich jetzt ein Motiv nehmen? Ich sprang auf und wanderte unruhig durch die Wohnung. Wer könnte diesen krummrückigen, komplexbeladenen Spätsoftie umbringen wollen? Hatte er etwas Falsches gesehen/gehört? Aber was?

      Und konnte jemand in diese Wohnung rein? Nachts? Lautlos? Wie gut war das Schloss? Hatten Johanna oder Silvia vielleicht kriminelle Freunde? Ja, sonst noch was!

      Diese ganze Geschichte war einfach völliger Quatsch, und Kathrin würde mir was erzählen, wenn ich nachher – o Gott, schon fast elf, nur noch drei Stunden, eher zweieinhalb, ich musste mich noch umziehen und hinfahren!

      Resigniert druckte ich alles bisher Verbrochene aus, scrollte weiter und beschloss, noch einmal ganz von vorne anzufangen.

      Dafür war es jetzt verdammt zu spät, vor allem, wenn man bedachte, dass ich überhaupt keine neue Idee hatte. Also lenkte ich mich damit ab, zu überlegen, was ich anziehen sollte.

      Wenn ich schon inkompetent war, wollte ich doch wenigstens nicht so aussehen! Ratlos stand ich vor meinem Kleiderschrank. Ein Kleid? Das sah zu sehr nach Ferien aus und lieferte Kathrin bloß eine Vorlage. Jeans und T-Shirt? Als ob ich nicht nötig hätte, auf die Gepflogenheiten des Verlags Rücksicht zu nehmen – zu kess sollte ich auch nicht drauf sein, wenn ich schon keinen Bestseller in der Tasche hatte.

      Ich entschied mich schließlich für das lavendelfarbene Leinenkostüm, halb korrekt, halb lässig (vor allem, wenn man sich auch nur einen Moment darin hingesetzt hatte), und verzichtete auf Strümpfe. Ja, das gab mir das richtige Auftreten! Viel Make-up war glücklicherweise nicht nötig, und die Haare waren schnell durchgebürstet.

      Tja, dann sollte ich wohl noch ein bisschen... aber was?

      Konnte ich vielleicht einen der alten Entwürfe noch etwas aufhübschen, so, als hätte ich hier noch neue Ideen entwickelt?

      Oder... zwei Schwestern, die eine kriegt etwas viel Besseres zu Weihnachten als die andere, und alle alten Ressentiments kommen wieder zum Vorschein. Die hässliche kratzt der schönen (die den Schmuck gekriegt hat) fast die Augen aus, die Eltern müssen die beiden trennen und putzen die hässliche herunter.

      Am Abend findet der Freund der Schönen sie tot in ihrem Appartement, und alle denken, die hässliche Schwester war´s...

      Ein bisschen Grimms Märchen, überlegte ich und lehnte mich unzufrieden zurück. Aber natürlich war die hässliche es nicht, und so hässlich ist sie gar nicht, findet wenigstens Gärtners neuer Assistent.

      Es kommt schließlich raus, dass die Schöne mehrere Männer gleichzeitig hatte, weil sie im Innersten zutiefst unsicher war, und einer kam damit nicht zurecht. Aber nicht der, der sie gefunden hat. Der ist ganz nett und sucht bei der Schwester Trost, aber der Assi ist ihr lieber. Sie blüht richtig auf!

      Und die Eltern sind immer noch böse auf sie – nicht schlecht, bis jetzt musste sie dort immer Rasen mähen und so was erledigen, weil die schöne Schwester ja gesellschaftliche Verpflichtungen hatte.

      Man könnte was draus machen, überlegte ich, als ich all diese schlampig formulierten Sätze heruntergehackt und gespeichert hatte. Viertel nach zwölf. Essen sollte ich schnell noch was, sonst wurde mir flau, wenn Kathrin mich zusammenpfiff.

      Ich druckte die letzten Seiten aus, heftete alles nach Storys sortiert zusammen und steckte es in meine Tasche, dann verdrückte ich rasch zwei Bananen und eine Handvoll Chips. Jetzt war ich doch glatt zu früh fertig – bis zum Verlag waren es knapp zehn Minuten zu Fuß!

      Na gut, die Schwestern konnten noch Namen kriegen!

       * schöne Schwester: Sabrina

       * hässliche Schwester: Leonore (die Eltern waren wirklich gemein)

       * Eltern: Berger

       * Freund, der findet: Jonas

       * Freund, der gemordet hat: Florian

      * Freundin, die L. nicht leiden kann: Kate - ach nein, dann fühlte Kathrin sich bloß verarscht, lieber... äh. Petra, genau!

       * Freundin, die S. besser durchschaut hat: Marina

      * Assi: Sándor (stammt aus Ungarn, da brauchte ich noch einen passenden Nachnamen, im schlimmsten Fall eben Nagy, so hießen doch viele Ungarn, oder?)

      * Kommissarin Gabriele Gärtner (kann als bekannt vorausgesetzt werden).

      Soll Sabrinas Wohnung auch noch durchwühlt werden? Schmuck fehlt (-> Verdacht auf Leonore?), aber es könnte ja auch etwas fehlen, was auf Florian gedeutet hätte...

      Er hat aber ein kleines Indiz übersehen (was, würde ich mir später überlegen, wenn ich Kathrins Klauen wieder entkommen war). Sándor kann es richtig deuten...

      Zeitplan?

       - Bescherung und Riesenkrach (plus Andeutungen wg. früher): ca. drei Seiten

       - Leonore schmollend zu Hause: ca. eine Seite

       - Polizei, Information, tobende Eltern: ca. zwei Seiten

       - Verhöre (plus anlehnungsbedürftiger Jonas): ca. zehn Seiten, Polizei ratlos

       - Durchsuchung von Sabrinas Wohnung und Fund: zwei Seiten.

      Erst achtzehn Seiten...

      - Was könnte der Gegenstand sein? Frage an alle. Zwei Seiten - zwanzig

      - Eltern immer noch sauer, Jonas etwas aufdringlich, Sándor scheint L. nicht zu glauben... drei Seiten – dreiundzwanzig

      - Sándor zeigt L. das Ding, und sie kann es identifizieren -> Florian wird verhaftet. Macht erst auf Eifersucht, aber in Wahrheit wusste Sabrina zu viel über ihn. Bis Vierundzwanzigeinhalb.

      - Eine halbe Seite: Fall gelöst, Lob von Chefin, Sándor küsst Leonore, Eltern sind böse. Und tschüss!

      Naja, das konnte gehen. Aber blöde war es doch, irgendwie!

      Jedenfalls hatte ich damit noch eine Seite für Kathrin, und jetzt konnte ich mich auch schon auf den Weg machen.

      Unterwegs war mir doch etwas mulmig zumute. Nur noch neunzehn Tage, dann musste ich eine druckfertige