Tödliches Monogramm. Elisa Scheer

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Название Tödliches Monogramm
Автор произведения Elisa Scheer
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783737562591



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auf dem Schreibtisch auf. Auch gut, wenn ich nicht an die Wand hämmern und nicht im Treppenhaus herumzetern musste, sparte ich viel Zeit. Dann konnte ich auch endlich mal wieder Sandra anrufen, die hatte ich ziemlich genau seit einem Monat nicht mehr gesehen.

      Sie war sogar zu Hause und klang bedrückt. Ich ärgerte mich sofort heftig über ihre Eltern – da hatten sie eine (naja, zwei, aber Toni kannte ich kaum) liebe, gescheite, vernünftige und hübsche Tochter, die es im Leben zu etwas gebracht hatte und wirklich ein Grund war, stolz zu sein, und was taten sie? Jammerten einem Kind nach, das sie vor fast zehn Jahren verloren hatten. Du interessierst uns nicht, Adrian war unser Lebensinhalt. Blödes Pack!

      „Ich glaube, mit Flo ist es bald vorbei“, erzählte sie und schniefte.

      „Ach herrje. Weinst du?“

      „Natürlich nicht!“, widersprach sie entrüstet, „ich krieg bloß einen Schnupfen, glaube ich. Ich hab doch nie damit gerechnet, dass das mehr wird als ein bisschen Spaß im Bett. Jetzt fängt er halt zu meckern an. Typische Abseiltaktik.“

      „Was hat er denn zu meckern?“, regte ich mich auf. „Der soll froh sein, dass er einer Frau wie dir die Füße küssen darf!“

      Sie kicherte kurz. „So abgedreht sind wir beide nicht. Ach, er findet, dass ich manchmal so trübsinnig drauf bin, wo´s mir doch gut geht. Ich hab doch echt nichts zu jammern, sagt er. Guter Job, gesund, kein sexueller Notstand...“

      „Hat er das echt so gesagt?“

      „Nö, das ist meine Zusammenfassung. Und dann hat er über den Notstand noch mal nachgedacht und jetzt bildet er sich ein, ich wäre mit ihm irgendwie unzufrieden und wollte es bloß nicht sagen. Dieser Trottel!“

      „Und, bist du unzufrieden?“ Mein Grinsen konnte man wahrscheinlich durchs Telefon hören. „Blödsinn, er ist super im Bett. So gut war´s noch nie, und ich kann ja nun wirklich vergleichen.“

      Ja, Sandra hatte nie Schwierigkeiten gehabt, Lover für jeden gewünschten Zeitraum zu finden. „Aber sonst... manchmal wünsche ich mir schon einen, mit dem ich über so was auch reden kann, aber Männer denken ja dann doch, das man eine Heulsuse ist. Nee, lieber cool bleiben. Ist ja auch egal. Sag lieber, wie´s dir geht!“

      „Ich hab Oma Zentgrafs blödes Goldarmband verscheuert und mir dafür Fondsanteile gekauft“, erzählte ich als erstes, weil ich nur an Familienknatsch denken konnte. „Sehr gut! Die war doch so ein Besen, oder?“

      „Ja, ich glaube, wegen ihr ist Papa so ein Arschloch geworden. Von der will ich nichts im Haus haben, nachher verursacht das noch üble Schwingungen.“

      „Oder verströmt eine schwarze Aura“, kicherte Sandra.

      „Jedenfalls fühle ich mich jetzt besser. Und im Verlag läuft auch alles gut und die Diss ist bald fertig, denke ich. Das Übersetzen ist etwas mühsam, aber lustig.“

      „Welches Übersetzen?“

      Ach ja, wir hatten ja ewig nicht mehr telefoniert. „Ich übersetze ein französisches Machwerk ins Deutsche. Bezahlt“, betonte ich, musste dann aber doch lachen. „Um der Wahrheit die Ehre zu geben: lausig bezahlt, aber immerhin. Langsam hab ich Standbeine wie ein Tausendfüßler. Aber das ist ja ganz egal. Sandra, warum sprichst du mit Flo nicht über deine Probleme? Versuch´s doch! Ich meine, bevor du die Sache untätig den Bach runtergehen lässt? Superlover wachsen schließlich nicht auf Bäumen.“

      „Ich kann so was nicht, da komme ich mir so schwächlich vor. Ich meine, ich müsste doch langsam mal drüber weg sein, oder? Achtundzwanzig und leidet, weil die Eltern sie nicht lieben, das hört sich doch bescheuert an!“

      „Deine Eltern müssten mal drüber weg sein, die sind unfähig, nicht du“, schimpfte ich. „So was prägt einen doch, darüber kann man doch reden!“

      Und das von mir – Alex hatte ich auch nicht erzählt, wie übel mein Vater drauf war. Hätte ihn auch kaum interessiert. Aber Alex war auch kein Superlover gewesen, bei mir jedenfalls nicht. Vielleicht bei den beiden anderen? Ich nahm mir vor, diesem Flo mal reinen Wein einzuschenken, ganz im Vertrauen natürlich. Er war doch ein netter Kerl, und einen Versuch war´s wert. Morgen nach Weinzierl, er war Hilfskraft bei einem VWL-Prof, da fand ich ihn bestimmt.

      „Petra hat mir die Ohren vollgesülzt“, wechselte Sandra energisch das Thema. „Was ist das für ein Typ, der sie da verarscht?“

      „Einer, der sie dann doch nicht eingestellt hat. Und verheiratet. Die übliche Katastrophe“, berichtete ich. „Und Job hat sie auch keinen, so weit ich weiß. Wovon lebt die Frau eigentlich? Letzten Monat haben sie ihr die Karte gezwickt, und ich glaube nicht, dass sie bei ihrer Bank jetzt lieber gesehen wird, solange sie nicht mit Bargeld rüberkommt.“

      „Nee, einen Job hat sie wieder. Ganz komisch, aber genau das Richtige für sie...“

      Die Kunstpause hieß Rate mal. Also riet ich: „Nobles Schuhgeschäft?“

      „Bingo. Frisch eröffnet, nur die edelsten Marken, sie war am ersten Tag drin – obwohl ich auch nicht weiß, von welchem Geld sie die Schuhe bezahlen wollte – und hat den etwas hilflosen Geschäftsführer so tatkräftig unterstützt, dass er ihr einen Job angeboten hat. Und jetzt darf sie da den Bürokram machen und ausgewählte Kunden beraten. Und stell dir vor: ganz unglaublich!“

      „Sag bloß, sie hat noch nichts angestellt? Keine Lieferung im Regen vergessen, den Laden nicht abgefackelt, keinen Kunden über Nacht eingesperrt?“

      „Genau. Sagt sie wenigstens. Sie sagt, das ist der netteste Chef, den sie jemals hatte, der schimpft gar nicht. Entweder ist der total schwächlich drauf, oder sie hat wirklich noch keinen Mist gemacht.“

      „Ich kann´s mir schon vorstellen. Bei Schuhen vergisst sie auch nichts! Weißt du noch, wie wir mal rauskriegen wollten, wann diese grässliche Party gewesen war, wo es diese furchtbare billige Bowle gegeben hatte und wir alle auf dem Heimweg in fremde Vorgärten gekotzt haben? Petra hat´s gewusst, weil sie sich die ziegelfarbenen wildledernen Guccis (oder was auch immer) dabei angepatzt hat, und die waren noch ganz neu gewesen und sie hatte sie am zehnten November 1998 gekauft, beim Räumungsverkauf von Schlagmichtot. Das nenne ich Präzision! Sie weiß nicht, wo sie wohnt und was sie arbeitet, aber sie weiß auf die Stunde genau, wann sie ihre Prada-Loafers und die Jourdan-Pumps gekauft hat. Inklusive Pflegetipps und den besten Bezugsquellen für wirklich gute Schuhspanner.“

      Sandra lachte. „Stimmt. Wenn ihr was Spaß macht, kann sie. Und wenn nicht, ist sie wie Alzheimer im letzten Stadium.“

      „Dann ist dieser Laden doch der totale Glücksgriff. Gibt´s da womöglich auch noch Taschen und Tücher und all diesen Krempel? Das liebt sie doch auch so.“

      „Ich glaube schon, jedenfalls hat sie von diesem Laden nur geschwärmt. Ihren Uli erwähnt sie überhaupt nicht mehr, schon seltsam. Dafür hat sie dauernd über ihren doofen Lover gejammert. Wenn sie gescheit ist, schießt sie ihn in den Wind und schnappt sich diesen windelweichen Geschäftsführer, dann können sie im Bett wenigstens über Schuhe reden“, schlug Sandra vor.

      Ich gackerte in den Hörer. „Oder sie muss im Bett meterhohe Pumps tragen. Manche Kerle macht so was ja auch an!“

      „Oops“, äußerte Sandra, „apropos anmachen... Was ist denn das für ein Kerl, der einen Laden für Damenschuhe führt? Vielleicht trägt er in seiner Freizeit ja selbst welche?“

      „Schwul, meinst du? Pech für Petra“, kommentierte ich eher ungerührt. „Aber nicht verwunderlich, sie hat ja ein Händchen für Fehlgriffe, und sie selbst wäre die erste, das zuzugeben. Weißt du noch, dieser Guruverschnitt? Wo sie uns zu Yoga und Rebirthing bekehren wollte?“

      „Und dieser alte Knacker, die Vaterfigur? Bei dem dann nichts mehr lief, und angeblich war es ihre Schuld?“

      „Grässlicher Kerl. Wir sollten uns mal wieder treffen, im Ratlos oder bei Fabrizio, und Petra gründlich aushorchen“, schlug ich vor. „Samstag? Ich denke, da hab ich gut Zeit, Flo sehe ich erst wieder