Название | Neues Leben für Stephanie |
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Автор произведения | Lisa Holtzheimer |
Жанр | Языкознание |
Серия | |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783847666820 |
„Guten Morgen, ich bin Schwester Stephanie. Was kann ich für Sie tun?“ „Nanu, ein Nordlicht im wilden Süden?“ entgegnete der Patient anstelle einer Antwort. „Wie sind Sie denn hier gelandet?“ Stephanie war perplex. Das hatte sie noch niemand gefragt. „Mit einem Möbelwagen“, reagierte sie dann aber blitzschnell – auf den Mund gefallen war sie gerade als Nordlicht nicht. Ihre Schlagfertigkeit brachte den jungen Mann zum Schmunzeln, und dann erinnerte er sich an sein Anliegen, weshalb er nach der Klingel gegriffen hatte. „Schwester Stephanie, wann darf ich etwas trinken? Ich bin kurz vorm Verdursten.“ Er setzte einen solchen Dackelblick auf, dass Stephanie beinahe laut gelacht hätte. Sie versprach, sich zu erkundigen und ihm Bescheid zu geben. Kurze Zeit später erschien sie mit einer Schnabeltasse wieder. „Ich habe eine gute Nachricht. Sie dürfen trinken.“ Sie stellte ihm die Tasse auf den Nachttisch. „Was ist da drin?“ erkundigte er sich misstrauisch. „Pfefferminztee. Das bekommen alle Patienten kurz nach einer Operation zuerst.“ „Na denn, auf jeden Fall etwas Flüssiges“, seufzte er mit gespielter Resignation. „Guten Appetit!“ Stephanie konnte sich das Grinsen nicht verkneifen, bevor sie das Zimmer verließ.
Auf dem Gang begegnete sie Britta. „Sag mal, was ist denn das für ein Witzbold, der Neue auf der 23?“ „Auf der 23? Das müsste Herr Aschmann sein. Den hat gestern Christoph auf der Piste eingesammelt. An dem werden wir länger unsere Freude haben – mehrfache Frakturen.“ Britta war bei der Dienstübergabe am Morgen dabei gewesen und kannte schon die Schicksale der neuen Patienten. Mehr Zeit blieb nicht, Stephanie auch über die anderen Zugänge zu informieren, schon wieder summte eine Klingel. Britta öffnete die Tür des Zimmers, über dem die Lampe blinkte.
8
„Könnte es nicht zur Abwechslung mal schneien?“ Jana hatte halblaut vor sich hin gemurmelt, und ihre Kollegin sah sie zweifelnd an. „Naja, immer nur dieser Nieselregen und graue Wolken, das geht ja langsam auf’s Gemüt.“ Die Kollegin grinste, aber sie musste Jana Recht geben. Wenn sie selbst sich zwar auch nicht nach Schnee sehnte, so hätte sie auch nichts dagegen, wenn sich die Sonne wenigstens ab und zu mal am Hamburger Himmel blicken lassen würde. „Aber du fährst ja bald in den Schnee.“ Jana nickte gedankenverloren. Das war ein kleiner Zusatzbonus. Sie hätte ihre beste Freundin überall besucht, ob nun am Nordpol, in Afrika oder eben in Berchtesgaden. Aber dort lag auch jetzt noch Schnee – mehr als genug, wie sie aus Stephanies zahlreichen Berichten wusste. Wie gerne würde sie der Freundin jetzt eine kurze eMail schreiben. Aber Stephanie war bisher nicht elektronisch ausgerüstet. Aus Computern hatte sie sich nie etwas gemacht, und auch als Jana vor einigen Jahren auch zu Hause einen Internetanschluss bekam, hatte Stephanie nur mit dem Schultern gezuckt. „Was soll ich damit“, war ihr einziger Kommentar, als Jana sie dafür begeistern wollte. „Die gute alte Post funktioniert immer noch tadellos, und dich sehe ich sowieso fast täglich.“
Damit war es seit ein paar Monaten vorbei. Jana beschloss, Steph noch einmal zu bearbeiten, denn die „gute alte Post“ bemühten sowohl Stephanie als auch Jana nur äußerst selten. Dafür umso mehr die Telefongesellschaft. Nur gut, dass es inzwischen Flatrates gab und die Telefongespräche nicht mehr nach Zeit abgerechnet wurden. Die Freundinnen wären arm geworden dabei …
Das Klingeln des Telefons holte Jana in die Wirklichkeit zurück. Noch dieser eine Anruf, dann war Feierabend. Und dann nur noch bis zum Ende der Woche. Am Freitag würde sie direkt aus dem Büro zum Flughafen fahren, um ein paar Stunden später in Salzburg zu landen.
Auf dem Heimweg stoppte Jana an einer Pizzeria und nahm sich einen Salat mit nach Hause. Sie hatte keine Lust mehr, in der Küche zu stehen und sich etwas zu essen zu machen. In ihrem Wohnzimmer blinkte der neue Anrufbeantworter und sagte ihr, dass er drei Nachrichten für sie hatte. Das Gerät zeichnete jetzt sogar die Anrufzeit mit auf, und so erfuhr Jana, dass ihre Mutter in der Mittagspause versucht hatte, sie zu erreichen. „Warum ruft sie nicht im Büro an?“ fragte sich Jana zum hundertsten Mal. Es war ihrer Mutter nicht beizubringen, wenigstens bei wichtigen Dingen dort anzurufen. Der zweite Anrufer gehörte zu der Sorte Mensch, die immer noch Angst haben, dass technische Geräte beißen – er hatte vor einer halben Stunde aufgelegt, ohne eine Nachricht zu hinterlassen.
Knapp 30 Sekunden danach vermeldete eine ihr gut bekannte Stimme: „Mensch, wenigstens hast du wieder einen Hausdiener, der mit mir spricht! Leider konnte der mir auch nicht sagen, wann du nun in Salzburg einfliegst. Wäre schön, wenn du mich gleich mal anbimmelst.“ Tatsächlich, sie hatte Stephanie zwar sofort gesagt, an welchem Tag sie kommen würde, hatte aber glatt vergessen, die Uhrzeit nachzuliefern. Sie warf ihre Jacke über den Sessel, holte sich eine Gabel aus der Küche und machte es sich auf dem Sofa gemütlich. Während sie den Salat auspackte, drückte sie die Kurzwahltaste, auf der Stephanies Nummer gespeichert war.
* * *
Es war stockdunkel im Zimmer. Michael tastete nach dem Klingelknopf. Nur ungern rief er mitten in der Nacht die Schwester, weil deren Erscheinen sicherlich seine Mitpatienten aufwecken würde. Aber die Schmerzen in seinem Bein waren kaum noch auszuhalten. Die Tür wurde leise geöffnet und Stephanie schaltete die Nachtbeleuchtung ein. Ein kurzer Blick in Michaels Gesicht genügte, um zu wissen, was er brauchte. „Schmerzen?“ Es war mehr eine Feststellung als eine Frage. Michael nickte. „Irgendwas in meinem Bein brennt wie Feuer. Kann man das irgendwie löschen?“ Dass er selbst in einer Situation mit starken Schmerzen seinen Humor nicht verlor, beeindruckte Stephanie. „Ich will mal sehen, was die Feuerwehr sagt“, lächelte sie, „ich melde mich gleich noch mal.“
Die Krankenakte von Michael Aschmann erlaubte nach dem Zeitraum, der seit der letzten Schmerzmittelgabe vergangen war, schon wieder eine Dosis, und so zog sie eine Spritze mit dem Mittel auf und stattete Michael einen weiteren Besuch ab. Bei diesem Anblick verzog der zwar das Gesicht, meinte dann aber, dies sei wohl das kleinere Übel, und war froh über die Aussicht, in ein paar Minuten wieder schlafen zu können. „Vielen Dank. Jetzt fühle ich mich zwar wie ein Nadelkissen, aber wie ein sehr müdes.“ Stephanie musste lachen. „Gute Nacht, Herr Nadelkissen. Schlafen Sie gut für den Rest der Nacht.“ Sie grinste und schlich wieder leise zur Tür. Bevor sie die Nachtbeleuchtung wieder löschte, winkte sie spontan noch einmal in Richtung Fenster.
Zurück im Stationszimmer trug sie die Medikamentenverabreichung in die Krankenakte ein und warf dann einen Blick auf die Uhr. 2 Uhr 43. Noch gut drei Stunden, bis die Frühschicht kam. Und noch 4 Dienst-Tage bis zu ihren freien Tagen. Fröhlich vor sich hin pfeifend, erledigte sie die noch anstehenden Aufgaben im Dienstzimmer, wusch ein paar Tassen ab, die der Spätdienst vergessen hatte, stellte die Medikamente für den Frühdienst zusammen und setzte sich dann mit einem Buch in die Ecke. Zeit zum Lesen hatte man in solchen Nachtdiensten – die meisten Patienten schliefen durch, nur einige Frischoperierte benötigten manchmal die Hilfe der Schwestern. Aber eine Nachtwache war lang. Stephanie hatte schon halbe Bibliotheken in den Nächten verschlungen. Es dauerte nicht lange, und sie war ganz in ihren Roman eingetaucht.
Als jemand plötzlich gegen das Buch klopfte, erschrak Stephanie beinahe zu Tode. Vor ihr stand Britta, die Frühdienst hatte und sich fast vor Lachen kugelte. Sie hatte sich unbemerkt ins Dienstzimmer geschlichen und konnte es sich nicht verkneifen, die Freundin zu ärgern. „Britta, du Untier! Gleich kriege ich einen Herzinfarkt, dann darfst du mich hier auch noch pflegen.“ „Naa“, gab Britta in tiefstem Bayerisch zurück, „des ist die falsche Station. Es sei denn, sie operieren dir vorher das Herz raus, dann bist du auf der Chirurgie richtig.“ Stephanie schüttelte grinsend-resigniert den Kopf. Jetzt merkte sie die Müdigkeit in sich hochsteigen, und ihre Schlagfertigkeit war schon schlafen gegangen.
So nach und nach kamen auch die anderen Schwestern zum Frühdienst, und Stephanie gab in der Dienst-Übergabe einen kurzen Bericht über das, was in der Nacht vorgefallen war, bevor sie sich ihren Rucksack schnappte und nur noch ein Ziel hatte: ihr Bett zu Hause.
* * *
Nur langsam wurde Stephanie bewusst, dass sie nicht vom Radio träumte. Ihr Handy, das auf dem Nachttisch lag, dudelte eine Melodie rauf und runter – am anderen Ende hatte