Neues Leben für Stephanie. Lisa Holtzheimer

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Название Neues Leben für Stephanie
Автор произведения Lisa Holtzheimer
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783847666820



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und holte das Telefon aus der Diele. Drei Minuten später wussten beide, dass Florian tatsächlich im Keller seines Freundes ein Schlagzeug bearbeitete.

      * * *

      Florian und Birgit deckten den Abendbrot-Tisch ab, als es an die Küchentür klopfte. Auf Peters Aufforderung hin steckte Michael seinen Kopf zur Tür herein. „Grüß dich, Michael, meine Frau hat sich schon ernsthafte Sorgen um dich gemacht“, begrüßte ihn Peter. „Komm doch herein.“ „Nein, lieber nicht, ich bin der leibhaftige Schneemann. Aber nach einer heißen Dusche sehr gerne. Wollte mich nur zurück melden.“ „Schön, dass du heil wieder da bist“, rief Christine aus dem Wohnzimmer. „Hast du noch die Seilbahn bekommen?“ „Ja, die allerletzte Gondel! Das war wirklich knapp.“ Vom Königssee war er zu Fuß durch den inzwischen aufgekommenen Schneesturm bis zur Pension gelaufen, nun sehnte er sich nach einer heißen Dusche und etwas zu essen. Das würde er nachher von Christine bekommen, das wusste er.

      7

      Michael fuhr mit einem Schwung an den Rand der Skipiste und zog sein Handy aus der Hosentasche. Es gab Freunde, die ihn belächelten, dass er das Telefon sogar mit auf die Piste nahm – aber er fand, er habe es schließlich, um erreichbar zu sein oder um in Notfällen ein Telefon zur Hand zu haben. Und Notfälle kamen eben gerade auf Skipisten öfter vor. „Michael Aschmann, hallo?“ Er zog überrascht die Augenbrauen hoch. Am anderen Ende meldete sich sein jüngerer Bruder. Wenn sich die beiden auch recht gut verstanden, so war es wirklich nicht an der Tagesordnung, dass sie miteinander telefonierten, schon gar nicht während seines Urlaubs. Wenn Stefan anrief, hatte das einen tieferen Grund. „Ich will dich nicht unnötig beunruhigen“, hörte Michael seinen Bruder sagen, „aber vielleicht solltest du wissen, dass Vater ins Krankenhaus gekommen ist.“ „Schon geschafft“, antwortete Michael. „Was ist passiert?“ Nichts Schlimmes, wie ihm Stefan versicherte. Ein harmloses Magengeschwür, das aber entfernt werden sollte. Der Bruder konnte ihn schließlich davon abhalten, den Urlaub Hals über Kopf abzubrechen, der in 3 Tagen sowieso zu Ende war. Michael blieb noch eine Weile am Rand der Piste stehen und sah gedankenverloren den anderen Sportlern zu, die wie er das wunderschöne klare Wetter zu einer ausgiebigen Skitour genutzt hatten. Lange würde es nicht mehr dauern, dann war es für diese Saison mit dem Wintersport vorbei. Nein, Michael wollte die letzten Tage wirklich noch genießen, bevor der Alltagsstress ihn wieder voll mit Beschlag belegte. Sein Vater war gut versorgt, und er selbst würde vermutlich mit seinem Sohn schimpfen, wenn dieser wegen einer harmlosen Geschichte den Urlaub abbrechen würde.

      Alltag – in diesem Alltag würde auch Katrin wieder auftauchen. Er hatte es in diesen drei Wochen tatsächlich geschafft, nicht pausenlos an sie zu denken. Zu schön war die Umgebung, zu freundlich und liebevoll der Familienanschluss an die Familie Mooser – Ablenkung gab es hier tatsächlich genug. Doch mit einem Schlag stand Katrin ihm wieder vor Augen. Wie würde das werden? Sie würden sich zwangsläufig begegnen, sie gingen in dieselbe Gemeinde, hatten teilweise einen gemeinsamen Freundeskreis, und dazu wohnten sie auch nur drei Straßen voneinander entfernt. Was am Anfang ein glücklicher Zufall zu sein schien, wurde nun zum Alptraum. Er wusste nicht, wie er reagieren würde, wenn er Katrin auch noch mit Thomas sehen würde. Daran durfte er gar nicht denken. Ob der Schmerz, den er jetzt wieder verspürte, jemals nachlassen würde? Er konnte es sich nicht vorstellen. Liebe ließ sich eben nicht abstellen wie ein Radio. Bei diesen Gedanken schien sein Herz sich immer fester zuzuschnüren, und nichts würde es schaffen, den Knoten wieder zu lösen.

      Langsam ließ er sich wieder auf die Piste gleiten. Er hatte Katrin das Skifahren beibringen wollen, und er war sich sicher, dass sie es sehr schnell gelernt hätte. Sportlich genug war sie. In Gedanken malte er sich aus, wie viel Spaß sie gehabt hätten. Plötzlich spürte er einen heftigen Stoß, hörte Menschen erschreckt aufschreien und verspürte einen brennenden Schmerz im Bein.

      Das Nächste, an das er sich erinnern konnte, waren viele Menschen um ihn herum, einer davon drückte ständig auf seinem schmerzenden Bein herum und stellte ihm Fragen. Kurz darauf hoben zwei weitere Männer ihn auf eine Trage, mit der sie ihn zu einem in der Nähe gelandeten Hubschrauber brachten.

      * * *

      Stephanie schlüpfte durch die Drehtür der Klinik ins Freie. Feierabend. Sie war müde, gestern Spätdienst, heute Frühdienst – das war anstrengend, aber das strahlende Wetter lud dazu ein, noch etwas zu unternehmen. In den letzten Wochen war es oft genug trübe gewesen – heute schien die Sonne aus vollster Kraft und ließ die schneebedeckten Berge im Hintergrund in einem ganz besonderen Licht erstrahlen. „Ich glaube, ich fahre mal an den Königssee“, überlegte Stephanie halblaut. Ihre Gedanken wurden unterbrochen von einem immer lauter werdenden Geräusch über ihr. Sie sah nach oben. „Christoph. Wieder ein Skifahrer.“ Das war eine glatte Feststellung. In der kurzen Zeit, in der sie in den Bergen lebte und arbeitete, hatte sie schnell gelernt, dass ein Großteil der Hubschraubereinsätze verunglückte Skifahrer bergen musste, jedenfalls jetzt im Winter. Den Sommer hatte sie hier noch nicht erlebt, wusste aber aus Unterhaltungen mit Kollegen, dass auch dann sehr oft Touristen Opfer des Wetters oder ihrer eigenen Selbstüberschätzung wurden. Obwohl ihr solche Einsätze ja auch aus Hamburg nicht fremd waren, lief ihr doch jedes Mal wieder ein Schauer über den Rücken. Jemand, der mit dem Hubschrauber gerettet werden musste – sei es nun aus den Bergen oder von der Straße – den hatte es meistens schlimm erwischt. Sie selber wünschte es sich nicht, jemals auf diese Art und Weise ins Krankenhaus eingeliefert werden zu müssen.

      Egal, sie hatte Feierabend, und in ihrem langjährigen Berufsleben hatte sie auch gelernt, nach Dienstschluss nicht nur das Krankenhaus, sondern auch die Schicksale der Patienten hinter sich zu lassen. Ohne diese Abgrenzung war dieser Beruf nicht durchzuhalten. Sie machte sich zu Fuß auf den kurzen Weg nach Hause. Nur schnell umziehen, dann mit dem Mountainbike die knapp fünf Kilometer zum See. Bei dem schönen Wetter eine herrliche Tour. Seit zwei Tagen hatte es nicht mehr geschneit, die Wege würden frei und gut befahrbar sein.

      Als sie das Wohnzimmer betrat, wurde sie vom Klingeln des Telefons empfangen. Britta, die heute dienstfrei hatte, wollte den schönen Tag nutzen, um etwas zu unternehmen. „Das trifft sich gut, ich wollte gerade mit dem Rad an den See fahren. Hast du Lust, mitzukommen?“ Britta hatte. „Hol mich einfach ab, du kommst ja eh fast bei mir vorbei“, schlug sie vor. Eine halbe Stunde später radelten die beiden jungen Frauen entlang der Königsseer Ache zum See.

      Bei diesem Wetter war es dort so voll wie im Sommer, selbst die Eiscafés hatten geöffnet. Sie stellten ihre Räder ab und gingen zu Fuß durch das kleine Einkaufsdorf am Seeufer. Stephanie wäre gerne auf den zugefrorenen See gegangen, aber Britta empfahl ihr, die Warnschilder sehr ernst zu nehmen. „Hier ist schon mehr als einer nicht zurückgekommen“. „Schade“, meinte Stephanie, „Anfang März auf dem See noch Schlittschuh laufen, wäre schon toll. In Hamburg kommen bestimmt schon die Krokusse aus der Erde.“ Britta grinste. „Irgendwann komme ich mir den hohen Norden mal anschauen. Langsam machst du mich neugierig. Aber jetzt wäre doch ein Cappuccino genau richtig, oder?“ Stephanie war ganz ihrer Meinung. Sie betraten ein vollbesetztes Café, fanden mit Mühe einen Platz und bestellten zu dem heißen Getränk ein Stück Kuchen – zur Feier des Tages, wie Britta sagte. Stephanie musste lachen. Feiern – das würde sie in ein paar Tagen tun. „Habe ich dir erzählt, dass Jana kommt?“ „Klar, schon mindestens zehnmal!“ Britta übertrieb absichtlich ein wenig, und Stephanie grinste. „Ich freue mich einfach so wahnsinnig! Weißt du, wie lange ich Jana nicht mehr gesehen habe?“ „Ja, genau seit ...“ „Schon gut“, unterbrach Stephanie die Kollegin lachend „ich hab’ verstanden.“ Es fiel ihr schwer, an irgendetwas anderes zu denken als an den bevorstehenden Besuch. Wenn sie doch nur an der Zeituhr drehen könnte!

      „Ich soll dich übrigens herzlich grüßen“, unterbrach Britta ihre Gedanken. Stephanie sah sie erstaunt an. Ihr fiel im Moment niemand ein, den sie gemeinsam kannten. „Na, von Max und Heidi und dem Rest der Truppe.“ Max – ach ja, das war der Typ, bei dem letzte Woche dieser Hauskreis stattgefunden hatte. „Danke.“ Den Hauskreis hatte sie schon fast wieder vergessen. „Grüß’ zurück das nächste Mal.“ „Na, ich hoffe doch, dass du das demnächst mal wieder selber tun kannst.“