Название | Neues Leben für Stephanie |
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Автор произведения | Lisa Holtzheimer |
Жанр | Языкознание |
Серия | |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783847666820 |
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Jana versuchte, den Wecker auszuschalten, aber das penetrante Geräusch, das sie aus dem Schlaf gerissen hatte, ließ sich nicht abstellen. Genervt öffnete sie schließlich die Augen. Das Klingeln kam aus dem Wohnzimmer vom Telefon. Sie warf einen Blick auf den Wecker. 9 Uhr 13. Und das am Samstagmorgen. Wer um alles in der Welt war diese Nervensäge? Das Klingeln hörte einfach nicht auf, und so warf Jana die Bettdecke zur Seite und machte sich auf den Weg ins Wohnzimmer. „Hallo?“ bellte sie in den Hörer – der Anrufer sollte ruhig merken, dass er störte. Doch am anderen Ende meldete sich niemand mehr. Jetzt war sie so richtig geladen. „Wenn dieser Unmensch schon so dreist ist, mich zu dieser nachtschlafenden Zeit aus dem Bett zu holen, soll er wenigstens den Mut haben, so lange zu warten, bis ich aufgestanden bin!“ schimpfte sie halblaut vor sich hin, während sie in der Küche die Kaffeemaschine anstellte. Kaum hatte sie das Wasser eingefüllt und das Kaffeepulver in die Filtertüte geschüttet, klingelte der Apparat wieder. Schnell drückte sie den „Ein“–Schalter der Maschine, dann nahm sie das schnurlose Telefon von der Halterung.
„Schlafstudio Berghüser!“ Jana war immer noch sauer, dass ihr jemand das Ausschlafen vermasselt hatte, und konnte sich diese Anspielung nicht verkneifen. „Und dies ist der telefonische Weckdienst. Sie wollten geweckt werden!“ hörte sie eine vergnügte Stimme am anderen Ende der Leitung. „Mensch, Frau Harmsen! Aber nicht mitten in der Nacht! Seit wann gehörst du zu den Frühaufstehern?“ „Es ist halb zehn in Deutschland – Zeit fürs Frühstück“, grinste Stephanie hörbar. Sie kannte Janas Schlafrhythmus recht gut. Aber sie wollte endlich ihre Neuigkeiten loswerden, außerdem hatte sie Spätdienst und musste um 12 Uhr auf Station sein. „Wenn man dich auch nie erreicht! Wo treibst du dich denn immer rum abends?“ „Musst du alles wissen?“ Jana hatte ihre gute Laune mit einer Tasse schwarzem Kaffee geweckt. Bei aller Störung – ihrer besten Freundin konnte sie nicht wirklich böse sein. „Aber was ist so wichtig? Hast du einen Mann kennen gelernt?“ „Du denkst auch wohl an nichts anderes! Nein, ich habe auch keinen Bedarf. Der Letzte reicht mir fürs Erste.“ Jana kannte Carsten und natürlich die ganze Geschichte bis in alle Einzelheiten. „Obwohl“, hörte sie Stephanie dann nachdenklich sagen, „der hat sich vor ein paar Tagen auf meinem AB verewigt. Ich hab’ aber nicht zurück gerufen. Ich will das einfach nicht mehr.“ „Gratuliere!“
Jana wusste, wie es einem nach einer solchen Trennung ging. Auch sie kannte das Gefühl in diesem Zustand. „Nee, Jana, Männer – nein danke. Jedenfalls im Moment. Aber weißt du, wo ich am Mittwochabend war?“ „Nee, woher? Etwa Ski laufen?“ „Klar, am Abend bei Vollmond! Du lebst zu lange in der Großstadt! In – und vor allem auf – den Bergen ist es abends wirklich dunkel“, klärte sie Jana scherzhaft auf. „Ich war bei einem Hauskreis.“ „Bei einem – was?“ „Hauskreis. Das sind ‘ne Menge Leute in unserem Alter, zu irgendwelchen Freikirchen gehören.“ So ganz genau hatte Stephanie gar nicht verstanden, was genau das war – aber es klang einfach zu gut, um Jana zu irritieren, denn selbstverständlich konnte Stephanie sich die Reaktion ihrer Freundin an fünf Fingern abzählen. Diese kam dann auch prompt: „Freikirche? Seit wann gehst du zur Kirche? Und was ist eine Freikirche?“ „Das kann ich dir auch nicht so genau erklären, hab’ ich selber noch nicht so richtig verstanden. Auf jeden Fall war es ganz anders als die Kirche bei uns. Und soll ich dir was sagen: Das war richtig gut!“ „Willst du jetzt etwa fromm werden?“ Jana war überhaupt nicht begeistert. „In der Kirche verbieten sie dir doch nur alles, was Spaß macht.“ „Also, hier hat mir niemand irgendetwas verboten. Außerdem war ich ja überhaupt nicht in der Kirche. Nur bei diesem Hauskreis.“
„Und was habt ihr da gemacht?“ „Tee getrunken, Lieder gesungen und über irgendwas aus der Bibel diskutiert.“ „Bibel. Du??“ Jana prustete vor Lachen. „Sorry, aber die Vorstellung ist zu witzig! Dieses alte Märchenbuch!?“ „Du kannst lachen, Jana, aber die Leute dort scheinen das wirklich ernst zu nehmen, was darin steht.“ „Aber du hoffentlich nicht!“ Jana bekam langsam Angst, dass Stephanie es ernst meinen könnte. Bisher waren beide sich immer einig gewesen, dass Kirche und alles, was damit zu tun hat, total verstaubt war und in der heutigen Zeit nichts mehr verloren hatte. „Ich weiß nicht, Jana, eigentlich nicht. Aber andererseits machen die allesamt nicht den Eindruck, als würden sie spinnen. Eine von ihnen ist meine Kollegin. Britta, von der ich dir schon erzählt habe. Sie ist wirklich nett, gar nicht weltfremd, und spinnen tut sie ganz bestimmt nicht.“ „Ist das nicht die, die nicht mit ihrem Freund zusammen in einem Zimmer schläft?“ erinnerte Jana sich an ein früheres Gespräch.
Brittas Freund Oliver war Assistenzarzt in Innsbruck, lebte aber seit kurzem in den USA, wo er einen Teil seiner Facharztausbildung absolvierte. Britta hatte kurz nach Stephanies Arbeitsbeginn auf Station von ihrem Besuch über Weihnachten bei Oliver erzählt und dabei erwähnt, dass sie im Gästezimmer übernachtet habe. Dieses für Stephanie ungewöhnliche Detail hatte sie seinerzeit Jana erzählt. „Genau die“, antwortete Stephanie jetzt, „aber die ist echt schwer in Ordnung.“ „Naja, aber meinst du nicht, dass genau das das Ergebnis dieser Kirche ist?“ „Kann sein, aber auf der anderen Seite ist es schließlich ihre eigene Entscheidung. Ich würde das sicher anders entscheiden, aber das muss sie doch selber wissen.“ „Stimmt schon“, gab Jana zu, „trotzdem: lass dich bloß nicht einwickeln.“ „Keine Sorge, ich weiß, was ich will. Aber die Leute waren wirklich nett, und ich will endlich Kontakt. Was ist dabei, wenn Leute zur Kirche gehen?“ „Nichts, so lange sie dich nicht mitschleppen wollen.“ „Davon hat jedenfalls keiner was gesagt. Und wenn – wer weiß, vielleicht würde ich es mir sogar mal anschauen.“ „Anschauen! Steph, du redest schon bayerisch! Die sind doch alle katholisch da und glauben an Maria oder so ähnlich – und noch ein paar Heilige.“ „Also, katholisch sind sie jedenfalls nicht. So viel habe ich verstanden. Und von Maria hat auch keiner was gesagt. Eher von Jesus.“ „Der war doch der Sohn von Maria.“ So viel wusste Jana noch aus dem Konfirmandenunterricht. Sie konnte sich absolut nicht vorstellen, jemals wieder freiwillig eine Kirche zu betreten. Nicht mal zum Ansehen. Hoffentlich würde Stephanie sich nicht doch einwickeln lassen. Diese Britta mochte ja nett sein – in Janas Augen war sie aber doch ein bisschen weltfremd. „Keine Angst, Jana“, unterbrach Stephanie ihre düsteren Vorahnungen, „ich habe absolut nicht vor, Nonne zu werden oder irgendwelche komischen Ansichten anzunehmen. Aber ich möchte anderen auch ihre Meinungen lassen und vielleicht auch wissen, warum sie diese Meinung haben. Immerhin müssen sie sehr überzeugt sein, wenn sie sonntags in die Kirche gehen anstatt auszuschlafen.“ „Ja, das müssen sie wirklich sein.“ Jana war ebenso überzeugt, dass ihr eine solche Peinlichkeit niemals passieren würde. Sie würde auf ewig den Spott ihres gesamten Freundeskreises auf sich ziehen. „Willst du denn wieder zu diesem – wie hieß der Kreis noch mal?“ „Hauskreis.“ „Gut, also willst du wieder dahin gehen?“ „Weiß ich noch nicht. Vielleicht. Es war echt ganz nett – und wenn ich mich entscheide, da nicht wieder hinzugehen, will ich wenigstens wissen, warum ich mich dagegen entscheide.“
Jana war verwirrt. Was war mit ihrer Freundin los? Stephanie hatte immer genau gewusst, warum sie von Kirche nichts wissen wollte. Zu verstaubt, zu viele Verbote, zu langweilig, zu unwissenschaftlich – sie als Medizinerin glaubte nur, was die Wissenschaft beweisen konnte. Die Märchen aus der Bibel gehörten nicht dazu. Und jetzt? Das, was Stephanie am Telefon erzählt hatte, klang anders. Noch nicht direkt befürwortend, aber sie hatte diese Frommen doch tatsächlich verteidigt! Jana konnte es nicht fassen. Bayern schien der Freundin nicht gut zu bekommen – oder war es die Einsamkeit? Jana beschloss, so bald wie möglich mindestens eine Woche Urlaub zu nehmen und nach Berchtesgaden zu fahren. Stephanie musste auf andere Gedanken kommen und wieder normal werden.
6
Michael steckte sein Handy in die Hülle zurück. Er hätte es nicht zu hoffen gewagt, aber sein Chef hatte ihm tatsächlich eine weitere Woche Urlaub genehmigt.