Das Erbe der Ax´lán. Hans Nordländer

Читать онлайн.
Название Das Erbe der Ax´lán
Автор произведения Hans Nordländer
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783738038279



Скачать книгу

zu sein.

      Der Bote wandte sich den beiden Menschenseelen zu und nahm sie an die Hände. Gemeinsam verblassten sie und verließen den Erdkreis von Elveran.

      „Mirandnir, Zehlar und Geist der Wachsamkeit, wir rufen dich“, sagte Amonpa mit lauter, ruhiger Stimme, während Tarkas einige Kräuter in die Glut legte und die Lichtung mit einem eintönigen Klang seiner Stimme in eine bestimmte Schwingung versetzte. Dabei wiegte er nach wie vor leicht mit seinem Oberkörper vor und zurück.

      „Mirandnir, Zehlar und Geist der Wachsamkeit, wir rufen dich“, wiederholte Amonpa im gleichen Tonfall.

      Diesen Anruf und das gleichmäßige Brummen setzten sie einige Zeit fort.

      Ein herbeigewünschter Geist war nicht immer sofort zur Stelle. Manchmal musste er von weither gerufen werden und es war auch nicht sicher, ob er überhaupt kam. Die meisten Geister waren keine willenlosen Befehlsempfänger, sondern sehr selbständige Wesen, die sich durchaus entscheiden konnten, ob sie einem Ruf folgen wollten oder nicht und deshalb musste er auch als eine Bitte und weniger als ein Diktat vorgetragen werden. Schließlich hatten sie mehr zu tun, als darauf zu warten, dass ein irdisches Wesen sie zu sich bestellte. Es gehörte also viel Geduld dazu, einen Geist zu beschwören.

      Mirandnir war ein sogenannter Schutzgeist und gehörte zur Gruppe der Zehlaren. Tarkas und Amonpa hatten auch schon mit anderen Zehlaren zu tun gehabt, zu ihnen zählten Tamalik und Gerindi, aber Mirandnir hatte sich als bereitwilligster und umgänglichster Schutzgeist erwiesen. Deshalb versuchten sie es als Erstes mit ihm.

      Das Brummen von Tarkas und die damit verbundene Schwingung dienten als Barriere gegen unerwünschte Geister. Sie war so eingestimmt, dass sie Zehlaren nicht behinderte, sich zu einer astralen Erscheinung zu verdichten.

      „Wer ruft da?“, fragte plötzlich eine helle Stimme, die sich unsichtbar über der Feuerstelle befand. „Was wollt ihr von mir?“

      Tarkas und Amonpa blickten überrascht nach oben. Das war nicht der Geist, den sie erwarteten.

      „Dich haben wir nicht gerufen“, stellte Amonpa fest. „Wer bist du?“

      Einen kurzen Augenblick herrschte Schweigen und während dieser Zeit wurde ein kleines Wesen sichtbar, das in Augenhöhe vor ihnen schwebte und sich langsam im Kreis drehte. Es war entfernt menschenähnlich und glich dem Aussehen eines Kindes kurz vor seiner Geburt. Die meisten Geister waren mehr oder weniger menschenähnlich. Eine der seltenen Ausnahmen bildeten die Tum´rei.

      Dieser Geist hatte eine etwas verschrobene Kindergestalt und einen steinalten, hässlichen Kopf, von dem einige strähnige Haare herunterhingen. Seine Stimme war denkbar unpassend für seine Erscheinung.

      „Ihr müsst mich kennen. Jeder kennt mich“, behauptete das Wesen in unüberhörbarer Selbstüberschätzung und seine Worte waren plötzlich tief und hohl. „Ich heiße Cromandres. Hier lebe ich. Es ist mein Reich. Was treibt ihr hier für seltsame Spiele?“

      „Das ist kein Spiel und wir warten auf einen anderen Geist“, erklärte Amonpa. „Ziehe dich wieder zurück. Unser Gast muss gleich hier sein.“

      Cromandres lachte.

      „Niemand kommt, wenn ich es nicht will. Hier ist mein Reich und ich entscheide, was geschieht.“

      Seine Stimme schwankte zwischen kindlich hell und tief wie ein Abgrund.

      Die beiden Priester hatten schnell bemerkt, dass dieser Geist unangenehm war. Und es war Unsinn von ihm zu behaupten, dass sie sich in seinem Reich befanden. Bisher hatte er sich im Tjodhain noch nie gezeigt. Es war Tarkas und Amonpa auch gleichgültig, mit wem sie es zu tun hatten. Jetzt war nicht die Zeit, sich mit fremden Geistwesen herumzuschlagen. Sie hofften, dass Mirandnir schon unterwegs war, und mussten diesen Gnom möglichst schnell loswerden. Aber das Gleiche würden sie auch wollen, wenn Mirandnir nicht unterwegs war. Auf jeden Fall störte Cromandres.

      „Wir beschwören dich, verlasse diesen Ort“, sagte Amonpa mit befehlender Stimme.

      Cromandres rührte sich nicht von der Stelle. Amonpa holte eine Flasche mit einer Flüssigkeit hervor, in der eine hochverdünnte Substanz gelöst war. Cromandres beugte sich zu ihm nieder und beäugte, was der Priester tat. Der murmelte einige beschwörende Worte, doch er kam gerade noch dazu, die Flasche zu öffnen, es gelang ihm aber nicht mehr, den Geist mit der Flüssigkeit zu beträufeln, denn Cromandres erkannte Amonpas Absicht, wirbelte mit einer erstaunlichen Geschwindigkeit um ihn herum und setzte sich in seinen Nacken. Mit Entsetzen sah Tarkas, wie sich der Geist in eine fahle Wolke verwandelte und sich über Amonpas Oberkörper stülpte. Nur der steinalte Kopf behielt seine Gestalt und ragte aus dem dünnen Nebel hervor, als hatte er sich auf Amonpas Haupt niedergelassen.

      „Das war sehr böse“, sagte Cromandres mit weinerlicher Kinderstimme. „Vielleicht bleibe ich aber trotzdem bei euch. Ihr könntet mir nützen.“

      Die Lage wurde ernst. Jetzt hatte sich genau das ereignet, was es eigentlich zu vermeiden galt, obwohl sie bisher alle Vorsichtsmaßnahmen beachtet hatten. Sie hatten einen dämonischen Geist angezogen und sie würden ihn bestimmt nur schwer wieder loswerden. Tarkas machte sich Sorgen um Amonpa. Er saß reglos mit der Flasche in der Hand vor den glimmenden und räuchernden Kräutern und sein Kopf war umhüllt von dem Nebelkörper des Dämons. Tarkas konnte nicht feststellen, wie es seinem Ordensbruder ging. Er überlegte verzweifelt, was er tun konnte. Dann entschied er sich gegen die letzte Möglichkeit, die er hatte. Sein Amulett wollte er noch nicht einsetzen. Das hätte jetzt wahrscheinlich auch Amonpa gefährdet, auf jeden Fall die Geisterbeschwörung aber beendet.

      „Ist dir der Rauch angenehm?“, fragte er Cromandres und versuchte seiner Stimme einen schmeichelnden Klang zu geben.

      „Hast du nichts Besseres zu bieten?“

      Tarkas hoffte, die Stimme des Dämons richtig gedeutet zu haben. Wenn aus ihr Gier sprach, dann konnte er den Geist vielleicht packen, indem er versuchte, sie zu befriedigen.

      „Oh doch“, meinte er kopfnickend. „Aber dazu muss ich an den Beutel mit den Kräutern heran und der liegt neben dem Knie von Amonpa.“

      „Wer ist Amonpa?“

      Tarkas zeigte auf seinen Ordensbruder.

      Cromandres nickte.

      „Dann mach schnell. Ich hoffe, es ist auch etwas Gutes darin.“

      „Ich werde bestimmt etwas finden.“

      Langsam, aber nicht zu vorsichtig, damit der Dämon nicht argwöhnte, dass er noch etwas anderes vorhatte, beugte Tarkas sich über die Räucherstelle, gefolgt von den aufmerksamen Augen des Dämons. Dann entwandt er Amonpa blitzschnell das bereits geöffnete Fläschchen mit dem Elixier, das Geister verscheuchte, und verspritzte einige Tropfen auf Cromandres Nebelkörper. Dort, wo sie mit ihm zusammentrafen, bildeten sich Löcher, als würde er von Säure aufgelöst. Cromandres stieß einen abscheulichen, überirdischen Schrei aus und ließ von Amonpa ab. Tarkas spritzte weiter Flüssigkeit auf den Dämon, traf ihn am Hals und am Kopf, und die Unsichtbarkeit begann, sich in seinen Körper zu fressen.

      „Wir haben dich nicht gerufen und wir werden dich auch nicht rufen, also geh! Geh!“, rief Tarkas mit befehlender Stimme, während sich der Dämon immer weiter von Amonpa zurückzog. „Geh!!“

      Ohne eine weitere Äußerung löste sich der Rest von Cromandres´ Geistkörper auf. Jetzt konnten sie sicher sein, dass er sich so schnell nicht wieder blicken lassen würde. Einen Geist kostete es einige Kraft, sichtbar zu erscheinen. Und durch die Benetzung mit der Flüssigkeit hatte Cromandres zusätzlich an Kraft verloren. Also würde er sich zunächst zurückziehen und seine Wunden lecken. Tarkas hoffte, dass seine Schwäche blieb, bis sie ihre Geisterbeschwörung vollendet hatten, denn vernichten konnten sie ihn nicht.

      Amonpa regte sich und sah Tarkas an, als wäre er gerade aus einem Schlaf aufgewacht. Aber er hatte nicht vergessen, was vorher geschehen war.

      „Ist er weg?“

      Tarkas zeigte ihm die Flasche.

      „Sehr