Das Erbe der Ax´lán. Hans Nordländer

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Название Das Erbe der Ax´lán
Автор произведения Hans Nordländer
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783738038279



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wir sind noch nicht fertig.“

      Amonpa reichte Tarkas den Stopfen der Flasche, damit er sie verschließen konnte. Dann begann er von neuem, Mirandnir zu rufen.

      Wieder neue Kräuter in die Glut, wieder der einsilbige Gesang von Tarkas. Von solchen Ereignissen wie dem vorhergehenden durften sie sich bei ihrer magischen Handlung nicht beeinträchtigen lassen, wussten die beiden. So etwas konnte immer wieder geschehen und das Auftauchen von Cromandres war noch nicht einmal einer der gefürchtetsten Zwischenfälle, bei denen zuweilen sogar das Leben eines Priesters in Gefahr geriet.

      Jetzt ging alles unerwartet schnell. Amonpa hatte die Beschwörungsformel gerade das zweite Mal wiederholt, als sich Mirandnir zeigte. Er war ein großer Geist. Nicht nur, was seine Macht betraf, sondern auch seine Gestalt. Fast zwei Meter hoch und von kräftiger Statue wurde er in dem Rauch der Kräuter sichtbar und schwebte etwa einen halben Meter über dem Boden. Er war gekleidet in eine vergleichbare Robe, wie sie auch die Priester des Ordens von Enkhór-mûl trugen. Aber über seiner Brust baumelte kein Amulett. Und er war auch kein Mitglied dieses Ordens.

      „Ich grüße euch, Tarkas und Amonpa. Ihr habt mich gerufen.“

      Tarkas und Amonpa standen auf.

      „Und wir grüßen dich“, erwiderte Amonpa. „Und danken dir, das du bereit bist, uns zu erscheinen.“

      „Ich war ganz in der Nähe, aber eine unsichtbare Kraft hat mich aufgehalten. Es kam mir vor wie ein Dämon. Er ließ mich nicht durch.“

      „Kennst du einen Geist namens Cromandres?“

      „Der? Das hätte ich wissen sollen. Er ist bekannt als Störenfried. Wo immer er auftaucht, macht er Ärger. Wie seid ihr ihn wieder losgeworden?“

      Tarkas erzählte ihm die Geschichte, und obwohl sie für die Priester gar nicht sehr lustig war, zeigte Mirandnirs Gesicht einen Anflug von Heiterkeit.

      „Das wird ihm hoffentlich eine Lehre sein“, sagte er. „Nun, was ist der Grund für euren Ruf.“

      „Wir möchten dich um einen Gefallen bitte“, erklärte Tarkas.

      „Lasst mich raten, ihr braucht wieder Tum´rei.“

      Amonpa lächelte.

      „Ja, so ist es.“

      Mirandnir machte ein sorgenvolles Gesicht.

      „Ist es wirklich unumgänglich, eure weltlichen Angelegenheiten immer wieder von Wesen aus der Geisterwelt verrichten zu lassen?“

      Es war nicht das erste Mal, dass Mirandnir diese Frage stellte und zumindest Tarkas und Amonpa hatten sich auch schon diese Frage gestellt. Aber auch sie mussten Befehlen gehorchen, und wenn Alben Sur anordnete, die Hilfe von Geistern in Anspruch zu nehmen, dann mussten sie sich dem fügen.

      „Manchmal sind sie bessere Verbündete als irdische Wesen“, meinte Amonpa. „Und ich versichere dir, dass sie auch dieses Mal nicht töten sollen. Sie sollen unsere Gegner nicht einmal angreifen. Wir bitten sie nur darum, sie zu beobachten.“

      „Dann wäre es gut und segensreich für die Geister, wenn ihr eure Befehle eindeutiger gebt als die letzten Male. Was ihr von ihnen verlangt habt, hat ihnen nicht gutgetan und ihr wisst, sie können sich nicht dagegen wehren.“

      Amonpa und Tarkas verstanden, was Mirandnir meinte. Auch Geistwesen haben ihre Schicksale, und Taten, im Guten wie im Bösen, unterliegen einem Lohn oder einer Buße. Da wiegt es schwer, wenn Lebewesen, irdische und überirdische, zu Handlungen veranlasst werden, die ihrem Naturell zuwiderlaufen. Das Gleiche gilt natürlich auch für diejenigen, die diese Handlungen befehlen. Andererseits gibt es Hierarchien hüben wie drüben und manche unverständlichen Entscheidungen dienen einem Zweck, dessen Sinn sich den Ausführenden nicht immer erschließt.

      „Wir geben dir unser Wort, dass sie dieses Mal gegen keine Gesetze verstoßen werden“, versprach Amonpa.

      „Ich werde euer Wort nicht vergessen. Wartet hier, bis ich wieder zurück bin. Wie viele werden benötigt?“

      „Vier.“

      Mirandnir verblasste und ließ die beiden Priester allein auf der Lichtung zurück.

      Nun hieß es für sie, geduldig zu warten. Es konnte eine Weile dauern, bis er mit den vier Tum´rei zurückkehrte. Aber jetzt waren sie vor unerwünschten »Gästen« sicher. Mirandnir war nicht allein aufgetaucht, auch wenn seine Begleiter nicht sichtbar geworden waren. Aber Tarkas und Amonpa wussten, dass diese Geister sich noch in der Nähe befanden und über sie wachten. Die folgende Zeit verbrachten die beiden Priester wieder in geistiger Versenkung und hatten nur dafür zu sorgen, den Rauch der Kräuter auf der Lichtung nicht schwächer werden zu lassen.

      Tarkas und Amonpa bemerkten kaum, wie das Licht im Tjodhain zunahm. Es war nicht das Sonnenlicht, das den neuen Tag ankündigte, sondern die aufgehenden Monde. Aber es strahlte für die beiden Priester nicht in dem fahlen Weiß, wie es gewöhnliche Elveraner sahen, sondern in einem gelblichen Rot. Ursache dafür war weniger die berauschende Wirkung der räuchernden Kräuter, als vielmehr die besondere Schwingung, die durch die Gegenwart der Geister verursacht wurde und durch den Klang von Tarkas Stimme. Die beiden befanden sich jedoch in einem Zustand, der sie diesen bemerkenswerten Umstand kaum wahrnehmen ließ.

      Als das Licht seine größte Helligkeit erreichte, kam Mirandnir zurück. Seine Erscheinung verdichtete sich wieder im Rauch der Kräuter. In seiner Begleitung befanden sich vier Wesen, die eine gewisse Ähnlichkeit mit irdischen Quallen hatten. Sie waren etwa so groß wie die Köpfe erwachsener Elveraner und schwebten auf der Höhe seiner Schultern. Es waren die Tum´rei. Sichtbare Sinnesorgane waren in ihrer grauen Substanz nicht zu erkennen, die wie dichter Rauch zu wallen schien, ohne dabei ihre Gestalt wesentlich zu verändern.

      „Hier sind sie, wie ihr es wünscht“, sagte Mirandnir, dann blickte er die beiden Priester streng an. „Aber ich rate euch, euer Versprechen zu halten.“

      „Das werden wir“, bestätigte Amonpa. „Wir gaben dir unser Wort und werden es halten.“

      Die Tum´rei entfernten sich ein Stück von Mirandnir und blieben in etwa einem Meter Höhe in der Luft stehen. Tarkas und Amonpa trieben sie behutsam auseinander, zwei nach links und zwei nach rechts.

      „Ihr beiden werdet die Gestalt von Pferden annehmen“, befahl Amonpa.

      Und sofort begann sich, ihre Form zu verändern. Er öffnete seinen Geist, damit die Tum´rei aus seiner Erinnerung eine Vorstellung von Pferden bekamen. Amonpa brauchte keine Angst zu haben, dass sie mehr erfuhren, denn er ließ sie nur das Bild dieser Tiere sehen. Außerdem waren Tum´rei keine besonders intelligenten Geister und kaum fähig dazu, aus eigenem Antrieb den geistigen Inhalt anderer Wesen auszuspionieren. Tum´rei waren eine sehr einfache Art von Geistern aus den untersten Hierarchien und deshalb leicht zu überwachen. Andererseits musste ihnen alles gesagt werden, was sie tun sollten. Es war kaum möglich, sie vollkommen allein eine Aufgabe ausführen zu lassen.

      Es dauerte nicht lange, und sie hatten die Körper von kleinen Pferden angenommen. Aber das betraf nur ihre Form und ihre Bewegungen. Sie fraßen nicht, sie verdauten nicht und sie blieben stumm. Auch einem, der von Pferden nichts verstand, wäre sofort aufgefallen, dass mit den Tieren etwas nicht stimmte. Die Augen, obwohl sie klar waren, blickten teilnahmslos und starr nach vorne. Aber sie sollten sich auch nicht in der Nähe von Menschen aufhalten, außer denen, zu deren Beobachtung sie in der irdischen Welt ausgeschickt werden würden. Diese Tiere waren blind, was ihre Sinnesorgane betraf. Und trotzdem konnten sie sich sicher in der irdischen Welt bewegen.

      Dann ließen die Priester aus den anderen beiden Quallen die Reiter entstehen. Hier dienten sie selbst als Muster, obwohl die Reiter kleiner blieben und auch ihre unvollkommenen Gesichter zeigten die gleiche Teilnahmslosigkeit wie die Pferde. Diese Tum´rei waren nur zu einer bruchstückhaften, zischelnden Sprache fähig.

      Tarkas holte die Kleidung aus ihren Taschen und die beiden Schwerter.

      Mirandnir hatte alles schweigsam mitangesehen, als wachte er über seine vier Schützlinge und in einem