Das Erbe der Ax´lán. Hans Nordländer

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Название Das Erbe der Ax´lán
Автор произведения Hans Nordländer
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783738038279



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Sie diente aber nicht dazu, Wärme und Helligkeit zu spenden, sondern bestimmte Kräuter zu verschwelen, deren Rauch die nahe Umgebung spirituell anregen und Geister anlocken sollte, und dabei möglichst die richtigen. Schließlich diente der Rauch auch dazu, die beiden Priester in einen besonderen geistigen Zustand zu versetzen.

      Sie mussten darauf achten, zuerst in Verbindung mit starken Hilfsgeistern zu treten, die störende Wesen fernhielten oder, wie in diesem Fall den Bolg, wie sie ihn kurz nannten, vertrieben, falls sie es selbst nicht vermochten, um anschließend die Geister heranzuführen, deren Hilfe sie erbeten wollten, denn erzwingen ließ sie sich nicht. Bolge jedoch konnten sehr hartnäckig sein. Beide, Amonpa und Tarkas, wussten, dass es auch aus anderen Gründen immer wieder zu Überraschungen kam.

      Noch während sie ihre Vorbereitungen trafen, das Gemisch der Kräuter in Brand zu setzen, erscholl über ihnen der Ruf eines Käuzchens. Tarkas zuckte zusammen. Amonpa lächelte.

      „Eine Eule“, stellte er fest.

      „Ja, und erschreckend laut.“

      Natürlich hatte Tarkas keine Angst vor Käuzchen, das hielt ihn aber nicht davon ab, bei manchen Überraschungen eine gewisse Schreckhaftigkeit an den Tag, oder besser, an die Nacht zu legen.

      Tief atmeten sie den Rauch ein und bald spürten sie die berauschende Wirkung der Kräuter. Die beiden Priester knieten vor der Feuerstätte und fielen in eine zunehmende irdische Entrücktheit, um sie herum nur die tiefe Dunkelheit des Waldes und zwischen ihnen das trübe Glimmen der Kräuter in einer Steinschale. Die Monde waren noch nicht aufgegangen und das Licht der Sterne zwischen den größer werdenden Wolkenlücken reichte kaum bis zum Waldboden. Mit rauschendem Flügelschlag machte sich die Eule davon, vertrieben von dem Qualm.

      Die beiden Priester stimmten ein eintöniges Summen und Brummen an und wiegten ihre Oberkörper langsam vor und zurück. Diese Prozedur konnte lange dauern und diente der Sammlung ihrer seelischen Kräfte. Sie stellten sich dabei die verschiedenen Geister vor, die sie rufen wollten, und entzogen sich gleichzeitig den störenden Einflüssen ihrer Umgebung. Amonpa und Tarkas gerieten immer tiefer in einen Zustand, in dem sie die weltlichen Dinge um sich herum von ihrer eigenen Wahrnehmung ausschlossen.

      Als sie die Augen öffneten, hatten sich die Erscheinung und ihr Empfinden der Umgebung geändert. Alle irdischen Dinge, die vorher in die Dunkelheit eingetaucht waren, besaßen jetzt einen milden Glanz. Und alles, was Wärme ausstrahlte, schimmerte rötlich. Ihre Hände, ihre Gesichter, die Glut umso heller, hatten eine rötliche Färbung angenommen und schienen bedeckt von schimmerndem Staub. Die Stämme um sie herum, die Zweige der Baumwipfel, der dunkle Waldboden, bedeckt von vertrockneten Tannennadeln, auf allem lag dieser mystische Reif. Auf einem nahen Baum erkannten sie einen rötlichen Fleck, der sich als ein Eichhörnchen herausstellte, das sich dort oben für die Nacht zusammengerollt hatte. Es gab keinen Grund, sich über das Tier Gedanken zu machen, und ihre Aufmerksamkeit wurde auf andere Dinge gelenkt.

      Eine spürbare Spannung erfüllte den Ort. Vorher war sie ihnen kaum aufgefallen, doch jetzt, unter der Wirkung des betäubenden Rauches, überlagerte sie alle anderen Eindrücke. Obwohl sie nur die mehr oder weniger deutlichen Schemen der drei Geister sehen konnten, spürten sie, dass weitere in der Nähe und darauf aus waren, sich ihnen zu zeigen. Die beiden Priester konnten nicht sagen, welche es schließlich wirklich tun würden, denn die Erscheinung der einen verhinderte oft die Erscheinung der anderen. Es herrschte kein Wettstreit zwischen ihnen, aber sie umschwebten unsichtbar die Lichtung, bereit, jeden Augenblick ihr Vorhaben umzusetzen. Es war jedoch nicht die Zeit für die Priester, darauf zu achten.

      Was sich zuerst nur als Schatten äußerte, zeigte sich jetzt umso deutlicher. Einen oder eineinhalb Meter über der Räucherstätte schwebte nach wie vor der Bolg. Tarkas sah in seine dunklen Augen, die ihn ungerührt anstarrten. Sie waren das einzige erkennbare Merkmal seines kahlen, ballrunden Kopfes. Sein Unterleib wurde von einem gelblichen Schleier verhüllt, aber der Oberkörper, der Kopf und seine Arme waren deutlich zu erkennen. Langsam senkte er sich zu ihm herab und streckte seine Arme nach ihm aus.

      „Bolgnoir, Geist der Finsternis, wende dich ab von diesem Ort und von seinen Besuchern. Hier wirst du nicht finden, was du ersehnst. Freundliche Kräfte sind auf dem Weg hierher“, sagte Amonpa mit ruhiger, eindringlicher Stimme.

      Der Bolg hielt inne und drehte sich langsam zu ihm um. Der vorher unsichtbare Mund des Geistwesens bewegte sich, aber es kamen keine verständlichen Worte aus ihm, sondern ein Geräusch wie fernes Meeresrauschen.

      „Bolgnoir, Geist der Finsternis, wende dich ab von diesem Ort und von seinen Besuchern. Hier wirst du nicht finden, was du ersehnst. Freundliche Kräfte sind auf dem Weg hierher“, wiederholte Tarkas.

      Diese Worte waren ein Ritual, um Dämonen dieser Art zu verscheuchen. Er wandte sich erneut Tarkas zu. Amonpa streute andere Kräuter in die Glut und ein fremdartiges Aroma verbreitete sich über die Lichtung. Der Bolg antwortete mit erneutem Rauschen aus seinem Mund. Er wurde unruhiger. Der andersartige Rauch schien ihm nicht zu gefallen, oder waren es die Worte?

      „Keine Opfer sind dir an diesem Ort vergönnt“, sagte Amonpa. „Wir sind stärker als du und deinesgleichen.“

      „Keine Opfer sind dir an diesem Ort vergönnt“, wiederholte Tarkas. „Wir sind stärker als du und deinesgleichen.“

      Amonpa legte noch einige Kräuter nach und jetzt bewegte sich der Bolg langsam in die Höhe. Seinem Gesicht war immer noch keine Regung anzusehen, aber es gab keinen Zweifel, dass er sich zurückzog. Mit seiner Erscheinung schwand auch das Rauschen. Sie hatten ihn verjagt.

      Dieses Mal war es einfacher, als sie befürchteten. Sie hatten schon Dämonen dieser Art mit größerem Aufwand vertreiben müssen und es bei einigen nicht aus eigener Kraft geschafft. Bolge konnten gefährlich werden, wenn sie sich an einen Menschen hefteten. Bei gewöhnlichen Menschen bestand nur eine geringe Gefahr, aber die Gabe übersinnlicher Wahrnehmungskraft war auch stets ein Einfallstor für Besessenheit. Daher waren die Priester des Inneren Kreises des Ordens von Enkhór-mûl besonders gefährdet. Im Alltag trugen sie ihre Amulette, die sie vor Geistern schützte, aber für ihre Zeremonie hatten Amonpa und Tarkas sie abgelegt, um ungestört eine Verbindung zu den Tum´rei herstellen zu können. Der erste Schritt dahin war getan.

      Auch die Seelen der beiden Menschen sollten nicht auf der Lichtung bleiben. Sie waren verwirrt. Amonpa und Tarkas spürten ihre Furcht. Der Grund dafür war aber nicht ihre eigene Anwesenheit, sondern die des Dämons. Sie befanden sich in einer Art Bann zu seiner Gegenwart. Sie waren allein und hatten sich an ihn gehalten, in der Hoffnung auf Führung, obwohl sie auch Angst vor ihm hatten. Jetzt waren sie frei, konnten aber mit ihrer Freiheit nichts anfangen, denn sie wussten nicht, wohin sie gehen sollten. Amonpa und Tarkas entschieden, dass sie dort bleiben sollten, wo sie waren, allerdings unter der Bedingung, dass sie nichts taten und schwiegen. Die Priester wollten den abgeschiedenen Menschen helfen, sobald der Zeitpunkt dafür geeignet war, doch ihre Aufgabe war zunächst wichtiger.

      Damit waren die ersten Vorbereitungen beendet und sie konnten mit der eigentlichen Geisterbeschwörung beginnen. Doch es kam etwas dazwischen, mit dem sie nicht gerechnet hatten. Ein vollkommen unerwartetes Geistwesen tauchte in der Nähe der beiden Menschenseelen auf. Es war kein übler Dämon und genauso wenig verbreitete es eine bösartige Ausstrahlung. Tarkas und Amonpa blickten auf eine strahlende Gestalt, dessen menschenähnliches Gesicht, umrahmt von einer Aura aus Licht, Güte und Weisheit vermittelte. Es trug ein langes, lichternes Gewand.

      Solche Wesen waren den beiden Priestern nicht fremd, denn sie hatten sie bereits bei dem Tod anderer Menschen kennengelernt. Manche nannten sie auch Engel. Es waren Boten aus dem Jenseits und holten die Seelen verstorbener Menschen ab.

      Sie wechselten einige Worte, und das Lichtwesen bedankte sich dafür, dass sie den Bolgnoir aus der Nähe der Menschenseelen verbannt hatten. Tarkas und Amonpa erfuhren, warum es erst jetzt aufgetaucht war. Indem sie den Bolg verscheucht hatten, konnten sich die beiden Menschenseelen von ihm lösen und waren dadurch in einen Zustand geraten, die sie für göttliche Hilfe zugänglich machte. Somit war vorzeitig geschehen, was die beiden Priester erst später vorgehabt hatten. Das Geistwesen war gekommen, um die beiden Verstorbenen