Das Erbe der Ax´lán. Hans Nordländer

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Название Das Erbe der Ax´lán
Автор произведения Hans Nordländer
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783738038279



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hoffe darauf, dass sie sich im Tjodhain auch wieder zeigen“, meinte Tarkas.

      „Das ist aber nicht notwendig.“

      „Sicher nicht, aber es vertieft die nächtliche Stimmung.“

      „Wenn du meinst.“

      Nach wenigen Stunden Rast brachen sie noch vor Sonnenaufgang wieder auf. So ruhig, wie ihre Reise begonnen hatte, setzte sie sich die nächsten Tage fort. Über weite Strecken waren sie allein auf den Straßen und Wegen. Nur selten begegneten ihnen andere Reisende. Das änderte sich vorübergehend in der Nähe der wenigen Ortschaften entlang ihres Weges. Der Südosten Girgens war nur dünn besiedelt und Städte gab es dort nicht.

      Die einzige Abwechslung brachte ihnen die Veränderung der Landschaft und das Wetter. Da sie immer weiter nach Süden kamen, näherten sie sich auch dem Äquator, wenn sie ihn auch nicht erreichen würden. Damit wurde es wärmer, aber dafür nahmen die Niederschläge zu. Sie wurden zwar kürzer, als es an der Küste der Fall war, waren aber umso heftiger. Und auch die Vegetation änderte sich.

      Bald stießen sie auf die ersten malvenartigen Gewächse mit ihren üppig gedeihenden roten Blüten. Sie waren bezeichnend für diese Gegend und nur wenig später säumten sie Teile ihres Weges wie Alleen. Zu diesen Blüten zog es die herrlichsten Schmetterlinge.

      Tarkas und Amonpa wussten die Schönheit ihrer Umgebung durchaus zu schätzen und erfreuten sich auch an dem Heer der bunten und äußerst geräuschvollen Vögel. Besonders in den Nächten, wenn die Tagtiere sich zur Ruhe zurückgezogen hatten und die Nachttiere ihre unheimlichen Laute ausstießen, fühlten sie sich an die Zeiten erinnert, in denen sie noch mit ihren Handelskarawanen durch die Länder zogen. Auch durch die Gegenden, die sie jetzt durchwanderten, waren sie damals gekommen. Ihre Aufgaben im Orden von Enkhór-mûl ließen ihnen aber kaum noch die Zeit, solche Augenblicke zu genießen.

      Drei Tage später erreichten sie die Grenze nach Kongsdal. Wer sich in der Gegend nicht auskannte, dem fiel nur auf, dass der Feldweg, auf dem er sich befand, an einem Querweg endete. Dieser Querweg bildete die Grenze. Er verlief dort, wo Tarkas und Amonpa auf ihn stießen, fast in Nordsüdrichtung und die Fahrspuren, die sich deutlich auf ihm abzeichneten, bewiesen, dass er oft von Fuhrwerken benutzt wurde. Bei den Einheimischen hieß er »Buurnshöllenerdamm« und führte um das ganze Gebiet herum. Es gab nur zwei Wege, die durch die Buurnshölle hindurchführten, aber beide lagen weit entfernt von der Kreuzung, auf der die beiden Priester jetzt standen.

      Vor ihnen breitete sich eine weite Heidefläche aus, die hier und dort von niedrigen Büschen unterbrochen wurde. Zu ihrer linken Seite sahen sie eine helle Sandfläche, auf der sich keine Pflanzen ansiedeln wollten, und rechts lag ein kleiner See, an dem eine ziemlich heruntergekommene Hütte stand. Von Zeit zu Zeit hielten sich Jäger darin auf. Es war jedoch niemand zu sehen und so konnte es gut sein, dass sie in diesen Tagen leerstand. Die ersten Tannenhaine waren in weiter Ferne und auch nur undeutlich als dunkle Schatten zu erkennen, denn der Tag war trübe und die Wolken hingen tief.

      Tarkas atmete tief durch und wischte sich den warmen Regen aus dem Gesicht. Amonpa blickte ihn fragend an.

      „Spürst du wieder die Furcht?“, fragte er.

      Tarkas nickte.

      „Ja. Ich hatte gehofft, dass ich dieses Mal mit weniger Bangen nach Kongsdal hineingehen würde. Die ganze Zeit war ich gelassen, doch jetzt, mit diesem Anblick vor Augen, kommt das Unbehagen zurück.“

      „Nur Mut, wir werden es schaffen. Es ist nicht das erste Mal.“

      „Vielleicht wäre ich dann unbefangener.“

      „Außerdem sind wir zu zweit.“

      „Ja. Gehen wir.“

      Sie gingen geradeaus weiter und suchten sich querfeldein ihren Weg durch das Heidegestrüpp.

      Auf einem Baum, nicht weit von ihnen entfernt, saß ein Eichhörnchen und nagte an einer Haselnuss. Mit einem fast intelligenten Gesichtsausdruck blickte es hinter den beiden Wanderern her. Kaum waren sie hinter der nächsten Biegung verschwunden, ließ es die Nuss fallen, sprang herab und folgte ihnen.

      Tarkas hatte guten Grund, ihrem Vorhaben mit einem gewissen Unbehagen entgegenzublicken. Eine Geisterbeschwörung war keine ungefährliche Sache und er hatte dabei schlimme Erfahrungen machen müssen.

      Es war zu Beginn seiner Mitgliedschaft im Inneren Kreis des Ordens von Enkhór-mûl. Nur dort wurden Handlungen dieser Art durchgeführt und nur ein Priester, der übersinnliche Fähigkeiten besaß, hatte eine Aussicht darauf, in diesem Kreis aufgenommen zu werden. Bis dahin musste er schon lange Mitglied im Orden sein und die Hierarchie weit erklommen haben.

      Eine gelegentliche Aufgabe der Priester des Inneren Kreises war die Aufnahme der Verbindung mit der Geisterwelt Elverans. Dort tummelten sich nicht nur die Geister von Menschen, sondern auch allerlei gutartige und bösartige Dämonen und körperlose, nichtelveranische Wesen, die nur wenig oder gar nichts mit dem Planeten zu tun hatten. Nur die Eingeweihten wussten, wie viel Leben jenseits ihres irdischen Daseins herrschte.

      Aber die Herstellung einer Verbindung mit dieser jenseitigen Welt war stets ein Wagnis und der Ausgang ungewiss. Die Kunst der Priester war zu erkennen, dass sie auch das oder die richtigen Wesen erreichten und keine, die ihnen Ärger bereiteten oder sich fortan nicht mehr von ihnen trennen wollten und ihnen so das Leben schwer machten.

      Natürlich gehörten derartige Geschäfte nicht zu den ständigen Aufgaben eines Priesters des Ordens von Enkhór-mûl. Sie waren sogar eher selten und nur bei bestimmten Anlässen notwendig, aber jedes Mitglied des Inneren Kreises musste sie beherrschen und was noch bedeutsamer war, jeder dieser Priester musste um die Schutzmaßnahmen wissen, die notwendig waren, um sich vor unerwünschter Besessenheit zu schützen. Unerwünscht deshalb, weil es Umstände gab, unter denen ein Priester vorübergehend seinen Körper einem Geist, und zwar dem richtigen, zur Verfügung stellen musste. Dieser Fall war noch seltener, aber dann unvermeidlich. Auch Tjerulf hatte in solchen Dingen einige Erfahrungen gemacht, gute wie schlechte, daher sein Eingeständnis, manche Geister zu fürchten.

      Im Verlauf all ihrer Geisterbeschwörungen war es den Priestern jedoch niemals gelungen, mit dem Geistwesen Elveran in Verbindung zu treten, und so hatten sie noch nicht einmal eine Ahnung davon, dass es ihn überhaupt gab. Umgekehrt war es schon der Fall, doch Elveran hielt den Orden für zu bedeutungslos, als dass er dazu bereit gewesen wäre, sich ihm zu offenbaren.

      Bei einer solchen Gelegenheit jedenfalls gelangte ein »unbefugter« Dämon in den Körper von Tarkas. Es geschah aus Leichtsinn, Unachtsamkeit und, zu wenig Erfahrung. Er selbst hatte sich dabei einem Selbstversuch unterzogen, ohne einen Priester in seiner Nähe zu haben, der ihm helfen konnte.

      Es dauerte einpaar Tage, bis es überhaupt auffiel, dass Tarkas nicht Tarkas war, denn der Dämon stellte sich allzu geschickt an. Erst als er begann, Unfug zu treiben, wurden die anderen Priester aufmerksam und Alben Sur verhinderte schließlich das Schlimmste. Während dieser Zeit ging Tarkas Geist buchstäblich durch die Hölle, denn er wusste nicht nur, was der Dämon im Schilde führte, ohne dem entgegenwirken zu können, er wurde auch selbst Opfer seiner Gemeinheiten. Und die Austreibung des Dämons setzte den seelischen Schmerzen die Krone auf, denn im Gegensatz zu Freno, der sich in einer wohltuenden Bewusstlosigkeit befand, erlebte Tarkas den Ablauf bei wachen Sinnen. Die Erinnerungen daran verursachten bei ihm immer noch mehr als ein bloßes Schaudern.

      Wider Erwarten wurde Tarkas für seinen Leichtsinn und Ungehorsam nicht aus dem Orden entlassen, wie er befürchtet hatte, im Gegenteil. Sein Fall wurde zu einem mahnenden Beispiel dafür, was geschehen konnte, wenn bei einer Geisterbeschwörung die notwendigen Vorsichtsmaßnahmen außer Acht gelassen wurden. Und er bestätigte die erste Regel, solch ein Vorhaben niemals allein durchzuführen.

      Das war lange her und Tarkas hatte seit dem schon wieder an einigen Geisterbeschwörungen teilgenommen, ohne dass etwas Bedrohliches geschehen war. Seine Angst davor hatte sich in ein auch jetzt noch deutliches Unbehagen gewandelt, und das würde er sein irdisches Leben lang nicht mehr verlieren, stand für ihn zu befürchten.

      Der Grund für