Das Erbe der Ax´lán. Hans Nordländer

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Название Das Erbe der Ax´lán
Автор произведения Hans Nordländer
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783738038279



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Meneas und seinen Freunden hinausgehen sollte. Aber auch Elveran und Gründel konnten die Ereignisse nicht voraussehen, die sich zu diesem Zeitpunkt nur vage ankündigten.

      Was das Befinden der Oson in ihren elveranischen Körpern betraf, so begann sich bei ihnen unbewusst eine Entfremdung zu ihrem Gastplaneten mit seinen einfachen Lebensbedingungen einzustellen, die in dem Maße, wie ihre Mission fortschritt, zunahm, oft aber durch ihre unmittelbaren Erlebnisse überlagert wurde.

      „Na, was habe ich gesagt“, meinte Erest. „Um die Mittagszeit herum hört es auf zu regnen.“

      „Und keiner von uns hat daran gezweifelt“, sagte Solvyn.

      Es hatte nicht nur aufgehört zu regen. Die Wolkendecke wurde lichter und bald darauf war die fahle Scheibe von Nephys zu erkennen. Sie mussten nicht mehr lange warten, bis die ersten Sonnenstrahlen den Erdboden erreichten. Und aus der warmen Luft wurde eine stechende Hitze. Am frühen Nachmittag zogen die ersten Nebelfetzen über das Land.

      „Uff, das ist jetzt aber auch nicht nötig“, stöhnte Erest und wischte sich den Schweiß von der Stirn. „So wird meine Kleidung ja gleich wieder nass.“

      „Hart ist das Leben eines Wandersmannes, `mal hat er´s leicht, mal geht´s ihm anders“, reimte Freno wenig kunstvoll.

      „Lasst uns bloß schnell aus der Sonne herausgehen, ehe es noch schlimmer wird“, meinte Erest.

      Die anderen lachten. Aber die Hitze nahm nicht nur zu, jetzt erwachten auch die Mücken. Da blieb ihnen nichts anderes übrig, als noch schneller zu reiten.

      Nach zwei Tagen erreichten sie die Grenze zwischen Tetker und Girgen. Nach langer Zeit betraten Valea und Solvyn wieder ihr Heimatland. Während Solvyn keine Erinnerung mehr an ihre Kindheit hatte, erwachten in Valea wieder die Bilder des Bürgerkrieges, der sie vor vielen Jahren aus dem Land getrieben hatte. Solvyn wusste davon nichts mehr, weil ihr Verstand sich weigerte, die verschütteten Erinnerungen wieder hervorzurufen. Außerdem war sie gerade noch rechtzeitig von ihrem Verwandten, dem Fürsten Yrinard, nach Australis geholt worden, bevor sie Schlimmeres erleiden konnte. Aber schon der Umstand, dass sie ihrem Elternhaus und ihrem Leben entrissen wurde, hatte tiefe Wunden gerissen, deren Vorhandensein sie glücklicherweise nicht mehr spürte.

      Später kam sie zu Tjerulf, der ein Vertrauter des Feudalherrn über das Fürstentum Leyhaf-Nod war. Dass sie ihn Onkel nannte, hatte nichts mit ihrem tatsächlichen Verwandtschaftsverhältnis zu tun, sondern eher damit, dass sie ihn als väterlichen Freund betrachtete und ihm vertraute. Da ihre Familie, soweit sie wussten, in den Wirren des Bürgerkrieges umgekommen war, konnte Solvyn später nicht mehr zurück nach Girgen und so war sie bei Tjerulf geblieben.

      Dass Tjerulf Jahre später mit Meneas zusammentreffen und so die Oson Gnee mit dem Oson Taligh und dem Rest ihrer Gruppe zusammenführen würde, war eine der unvorhersehbaren Entwicklungen bei ihrem Auftrag. Aber solange sie ihre Erinnerung nicht zurückerhielten, wusste sie nichts von ihrer Zugehörigkeit. Für ihre Aufgabe war das aber nicht von Bedeutung.

      Das Wetter war sehr warm und sie wandten sich einer kleinen Baumgruppe zu, um ihre Mittagsrast zu halten. Sie befanden sich in einem sehr flachen Teil Girgens und Tetkers, und die Landschaft bestand überwiegend aus Steppe. Nur hier und dort zogen einpaar wilde Tiere durch das Land. Es gab weit und breit keine Menschen. Und wieder einmal konnte nur jemand die Grenze erkennen, der sich dort auskannte und wusste, auf welche Landmarken er achten musste. Tjerulf, Durhad, Anuim und Freno konnten das.

      „Eine ziemlich einsame Gegend“, fand Erest. „Wie weit ist es bis zum nächsten Ort?“

      „Heute werden wir es nicht mehr schaffen“, antwortete Tjerulf. „Das Land hier im Süden Girgens ist nicht sehr fruchtbar. Erst Morgen werden wir wieder auf Dörfer treffen.“

      „Du warst schon einmal hier?“

      „Mehrmals.“

      „Gibt es noch andere Straßen zu den Eisbergen, oder müssen wir durch Seestadt?“

      „Es gibt noch eine Straße, eigentlich ist es eher ein Weg, und er wurde zumindest früher nicht oft benutzt. Ich glaube kaum, dass sich das geändert hat. Er zweigt etwa eine Tagesreise vor Seestadt nach Nordosten ab und verbindet diese Straße mit der zwischen Seestadt und Endelin in Gilgalen. Wir könnten ihn einschlagen. Warum?“

      „Wozu sollen wir dann nach Seestadt reiten? Wir sind gut ausgestattet und es erscheint mir ein Umweg, wenn ich die Karten richtig gelesen habe.“

      „Dann wirst du nicht wissen, dass es nur dort eine Brücke über den Fluss Gil gibt.“

      „Aber in dieser Jahreszeit führt er wenig Wasser“, sagte Anuim, der die Umgehungsstraße schon benutzt hatte. „Ich habe ihn schon in früherer Zeit im Herbst durchquert. Ich kenne eine Furt, die auch von den Bauern benutzt wird.“

      „Wenn das so ist, sehe ich keine Schwierigkeit. Und was ist mit euch?“

      Damit meinte Tjerulf alle anderen.

      Am Ende kam heraus, dass keiner von ihnen eine Notwendigkeit sah, nach Seestadt zu reiten. Sie hatte zwar einen besseren Ruf als Drossen, aber vielleicht spielte bei ihrer Entscheidung noch die merkwürdige Stimmung, die sie dort empfunden hatten, eine Rolle. Wie auch immer, es gab tatsächlich keinen Grund für einen Abstecher in die Hafenstadt, und es war ein Umweg. Also beschlossen sie, sie zu umgehen.

      Am Abend dieses Tages erreichten sie einen kleinen See, an dem sie ihr Lager aufschlugen.

      „Die Enten sind gebraten!“, rief Solvyn den anderen zu.

      Sie hatten sich unter einigen Bäumen verteilt und dösten in der Abendsonne. Kurz darauf versammelten sie sich am Lagerfeuer.

      „Allein deswegen hat sich die Unterbrechung an diesem Ort gelohnt“, sagte Erest kauend. „Unter diesen Umständen fühle ich mich in der Wildnis richtig wohl.“

      Valea lachte.

      „Wenn wir so weitermachen, werden wir noch zu Stadtmuffeln.“

      „Nicht, wenn es um Everbrück geht“, meinte Meneas. „Diese Stadt ist lebenswert.“

      „Aber es wird wohl noch einige Zeit dauern, bis wir wieder dorthin zurückkehren“, meinte sie.

      „Das steht zu befürchten. Aber falls unsere Reise weiterhin so verläuft wie in den letzten Tagen, ist daran nichts auszusetzen.“

      „Du glaubst aber nicht daran, höre ich aus deinen Worten“, sagte Tjerulf.

      „Du etwa? An jedem Tag ohne Zwischenfall werde ich misstrauischer. Ich weiß, ich weiß, ich sollte es nicht beschreien. Trotzdem kann ich mich dieses Gefühles nicht erwehren.“

      „Wenn wir schon ungebetenen Besuch bekommen, dann hoffe ich, dass es die Sinaraner sind“, fand Valea. „Sie haben sich in letzter Zeit ziemlich rar gemacht. Man könnte meinen, sie interessieren sich gar nicht mehr für uns.“

      Bei dem Namen Sinaraner fiel Tjerulf auf, dass er selbst immer öfter vergaß, in wessen Auftrag Meneas und seine Freunde unterwegs waren. Tatsächlich war das Verhalten der Auftraggeber merkwürdig, denn das letzte Mal, als sie sich sehen ließen, war nach dem Angriff der Walgeister in Ogmatuum. Und das war lange her. Eigentlich war ihr Auftauchen überfällig. Aber dass sie es noch nicht wieder getan hatten, verhieß nichts Gutes. Dann hatten sie ihre Schwierigkeiten, von denen Tjerulf zwischenzeitig erfahren hatte, noch nicht bewältigt.

      Sicher, sie benötigten die Hilfe der Sinaraner nicht, zumindest nicht in dieser Zeit, aber ein wenig Anteilnahme hätte die Begeisterung für ihren Auftrag vielleicht vergrößert.

      „Das lässt sich nun einmal nicht ändern“, meinte Meneas. „Aber ich bin sicher, sie werden schon wieder auftauchen.“

      Die Nacht versprach sehr mild zu werden und sie verzichteten darauf, ihre Zelte aufzustellen. In ihre Decken gehüllt und am Lagerfeuer war es gut auszuhalten. Und nach Regen sah der sternenklare Himmel nicht aus.

      Nach langer Zeit entschlossen sie sich wieder dazu,