Seltsame Vorfälle. Elisa Scheer

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Название Seltsame Vorfälle
Автор произведения Elisa Scheer
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783754924525



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ich wieder vorbei, einverstanden?“

      „Ja, natürlich! Dachten Sie, ich wollte lieber nicht wissen, was in dem Ekelpaket drin ist?“

      Die Frau war ihm über, auch wenn das Paket sie schockiert hatte. So eine freche Klappe! Eigentlich ganz witzig, musste er sich auf dem Weg ins Präsidium eingestehen.

      Aber wer schickte einer harmlosen Museumsangestellten ein Paket, aus dem es herauszubluten schien? Gut, vielleicht war das bloß Wasserfarbe – aber woher dann dieser widerliche Geruch?

      Im Präsidium schien Max, der sich hier als Chef aufspielte, zuerst geneigt, zu fragen, warum Ben sich auf ein solches Nebengleis locken ließ, aber dann horchte er doch auf: „Mutén? Hast du Mutén gesagt? Wie die Frau, die gegenüber dieser Galerie im Café gesessen hat?“

      „Ja. Stella Mutén. Groß, blond, unverschämt. Unverschämt, aber lustig.“

      „Unverschämt fand ich sie nicht, aber das ist sie. Merkwürdiger Zufall. Gut, bleib an ihr dran, vielleicht hat es ja mit dem Überfall etwas zu tun…“

      „Eben. Alles andere wäre ja vielleicht noch unwahrscheinlicher! Das Paket ist jedenfalls schon in der KTU. Mal schauen, was drin ist. Und, was war bei euch derweil los?“

      Max wies auf die Tafel, die so ziemlich genauso aussah wie beim letzten Mal, nur ein Feld war neu: Maria Luggauer, 2. Stock Ploppgeräusch 14:20.

      Ben las sich das durch und nickte. „Tatzeit, Schalldämpfer? Aber er hatte doch gar keine Schusswunde?“

      „Vielleicht steckt die Kugel in der Galerie in der Wand.“

      Ben grinste. „Das heißt also, die beiden Nasen können nicht nur Kunst nicht beurteilen, sondern auch nicht schießen.“

      „Gut für den Enkofer. Passt aber irgendwie auch zum Rest, nicht? Die Luggauer ist zwar schon über achtzig, aber noch recht fit. Gutes Gehör, auf jeden Fall. Wir haben uns was zugeflüstert und sie sofort: „Sie, des hab i fei g´hört! Früher warn die Wachtmeister net so gschert! I bin no net hundert!“

      Ben kicherte pflichtgemäß. „Aber niemand hat die Täter gesehen? Die Luggauer hat nicht vielleicht einen speziellen oberpfälzischen Zungenschlag erkannt?“

      „Werd net frech, Bürscherl!“

      Ben grinste noch mehr. „Viel haben wir also immer noch nicht. Ist der Enkofer vielleicht schon wieder besser beieinander?“

      „Unverändert. Und die KTU ist noch am Auswerten.“

      6

      Am nächsten Tag klopfte dieser nette Polizist an ihre Bürotür, als Stella gerade Materialien für eine Ausstellung sichtete und einen Katalog-Entwurf korrigierte.

      Sie lachte ihn an. „Sagen Sie bloß, sie wissen schon, was in diesem Paket war?“

      „Ich weiß es: eine halbe Schweineleber.“

      „Äh, sowas Wabbeliges, nicht wahr? Ich hasse Leber – wenn das eine Anspielung sein wollte, muss sich jemand schwer in der Adresse geirrt haben!“

      Hollerbach setzte sich. „Und wer könnte das sein?“

      Sie zuckte die Achseln. „Im Prinzip jeder, der mich nicht gut kennt und einen sehr seltsamen Sinn für Humor hat. Und rohe Leber anfassen kann, natürlich – sie war ja wohl nicht gebraten, oder?“

      „Sie haben recht. Aber sie kennen wirklich niemanden, der etwas – äh – seltsam drauf ist und vielleicht etwas gegen Sie hat?“

      „Nein. Ich komme eigentlich mit allen gut aus. Und die meisten meiner guten Bekannten sind ohnehin Vegetarier, die fassen kein Fleisch an. Schon gar keine Innereien!“

      „Und Sie haben in letzter Zeit auch keine neuen, vielleicht etwas seltsamen Leute kennengelernt?“

      „Nein… im Art Café war ich schon öfter, auf die anderen Gäste habe ich noch nie geachtet – und in die Ausstellungssäle im Erdgeschoss und im ersten Stock komme ich eher selten. Ich sitze ja doch immer hier oben. Naja, ab und zu wechselt man mit einem Besucher ein, zwei Sätze – aber die kenne ich doch gar nicht!“

      „Worüber reden Sie mit den Besuchern? Kleiner Flirt?“

      „Herr Hollerbach, ich bitte Sie! Zu den Toiletten geht´s da rechts, nein, das da ist kein Rembrandt, sowas können wir uns gar nicht leisten, hier bitte, ein Infoflyer, bitte setzen Sie sich nicht auf den rosa Stuhl, der ist Teil des Kunstwerks…“

      Hollerbach grinste.

      „Und dann sagt der Kunstkenner, das ist doch bloß Unordnung, so sieht es im Zimmer seiner Teenietochter auch aus?“

      „Mit sowas müssen wir auch ab und zu rechnen. Immerhin hat bei uns noch keine Putzkraft eine Installation abgeschrubbt und weggeräumt, denken Sie nur an Joseph Beuys!“

      Hollerbach lächelte vage – von Beuys hatte er wohl noch nie gehört? Das fand Stella jetzt nicht allzu tragisch, Beuys wurde ihrer Ansicht nach seinerzeit doch ziemlich überschätzt.

      „Und an die Leute, mit denen ich ab und zu mal ein paar Sätze gewechselt habe, kann ich mich ehrlich gesagt nicht mehr erinnern. Im Gegensatz zu uns tragen die ja auch keine Namensschildchen!“

      „Das heißt aber, wenn jemand im Museum auftauchte und sich wegen irgendwelchem Quatsch über Sie ärgern sollte, wüsste er gleich, dass Sie dort arbeiten und wie sie heißen?“

      „Das natürlich schon…“ In ihrem Kopf schlug ein winziges Glöckchen an, da war doch – nein, schon wieder weg. War wohl nur Unsinn gewesen…

      „Ja?“

      „Bitte?“

      „Sie sahen gerade aus, als sei Ihnen eine Idee gekommen?“

      Stella schüttelte ärgerlich den Kopf. „Es war bestenfalls ein Hauch eines Gedankens. Verschwunden, bevor ich ihn auch nur annähernd erfasst hatte. Tut mir leid.“

      „Wenn Ihnen wieder einfällt, was es war…“ Er reichte ihr eine Visitenkarte, die sie interessiert studierte. „Ben – Benjamin oder Benedikt?“

      „Weder noch – einfach nur Ben!“ Er lächelte abschiednehmend.

      Stella blieb an ihrem Schreibtisch sitzen: Schweineleber? Ein bisschen eklig, aber doch wohl keine Bedrohung?

      o

      Max und Liz hatten auch keinen Fortschritt zu vermelden, als er zurückkehrte und berichtete. „Ich glaube, sie weiß doch etwas – aber sie sagt, es war nur ein vager Gedanke. Vielleicht weiß sie nicht mehr, wer ihr komisch vorgekommen ist.“

      „Vielleicht trifft sie den oder die ja mal wieder und dann wird ihr einiges klar“, hoffte Katrin. „So nach dem Motto Der hat mich doch damals so merkwürdig angesehen – und genau, der heißt sowieso…“

      „Wenn der oder die gescheit ist, lässt er sich nicht mehr blicken“, unkte Max.

      „Aber gar nicht mehr?“, wandte Katrin ein. „Will so einer nicht sehen, wie sein Opfer immer nervöser wird? Sich daran aufgeilen vielleicht? Wenn ich so eine kranke Sau wäre, würde ich mich doch in der Nähe herumdrücken, versteckt natürlich, und mich freuen, wenn sie heult oder so.“

      „Theoretisch könnte er auch der sein wollen, an dessen breite Brust sie sich dann flüchten soll, weil ihr Stalker sie so unter Druck setzt“, warf Max ein.

      „Ich glaube, so ist die nicht“, wandte Ben ein. „Eher cool. Regelrecht frech sogar. Die lässt sich nichts bieten, glaube ich.“

      „Wie will sie das verhindern, wenn sie ihren Gegner gar nicht kennt?“

      Ben brummelte.