Seltsame Vorfälle. Elisa Scheer

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Название Seltsame Vorfälle
Автор произведения Elisa Scheer
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783754924525



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der sie in einem der Ausstellungssäle gesehen hatte und sich ihren Namen wegen des ungewöhnlichen Akzents hatte merken können. Und jetzt würde sie früh ins Bett gehen und diesen Kriminalroman lesen, der im Wien der letzten Habsburger Jahre spielte und ausgesprochen verwickelt und spannend war!

      7

      Enkofer war wach.

      Nicht unbedingt munter und aufgeweckt, aber wach. Er hatte die Augen offen und starrte zumeist an die Decke.

      Max hatte sein bravstes Gesicht aufgesetzt und bei der Stationsleitung zehn Minuten herausgeschlagen – „aber regen Sie ihn nicht auf, junger Mann, der Patient braucht noch viel Ruhe!“

      Aufregen, pah!

      Enkofer zeigte eigentlich keine nennenswerte Reaktion.

      „Herr Enkofer? Hören Sie mich?“

      Nichts. Naja, ein kurzes Blinzeln.

      „Ich nehme an, das Blinzeln bedeutet ja?“

      Blinzeln.

      „Schön. Herr Enkofer, erinnern Sie sich an den Überfall? Äh – ich bin von der Kripo. Korka mein Name.“ Er hielt Enkofer, der wirklich gar nicht gut aussah, seinen Ausweis vor die Augen.

      Blinzeln.

      „War es ein Täter?“ Mit Tatperson würde er hier nicht anfangen, das war schließlich ein alter Herr. Herr auf jeden Fall, sogar im Krankenhaushemdchen wirkte er vornehm. Und sicher war er noch nicht allzu aufnahmefähig…

      Keine Reaktion.

      „Zwei Täter?“

      Blinzeln.

      „Hat nur einer geschossen?“

      Nichts.

      „Beide?“

      Blinzeln.

      „Haben Sie jemanden erkannt?“

      Keine Reaktion. Mist.

      „Waren die maskiert?“

      Blinzeln.

      Die Stationsleitung öffnete die Tür und zog eine grimmige Miene. Max fügte sich: „Gute Besserung, Herr Enkofer. Ich komme vielleicht morgen wieder vorbei.“

      Blinzeln.

      Na, immerhin!

      o

      Im Präsidium freuten sie sich gedämpft über diese Ergebnisse, denn die zwei Kugeln aus unterschiedlichen Waffen, die man mittlerweile aus der Wand gepult und untersucht hatte, hatten ja schon auf zwei Täter hingewiesen. Und dass Räuber, die nicht erkannt werden wollten, sich maskierten, war wohl auch keine großartige Überraschung.

      Immerhin hatte er Brezen mitgebracht.

      „Es sind noch keine Gemälde von Asmannsperger irgendwo aufgetaucht. Offenbar ist den Räubern aufgegangen, dass sie sich da einen rechten Mist geschnappt haben, denke ich“, verkündete Maggie.

      „Und dafür schießen sie und schlagen einen alten Herrn nieder“, murrte Ben. „Wenn die nichts von Kunst verstehen, warum überfallen sie dann nicht eine Tankstelle? Bargeld, Kippen, Bier? Damit kennen sich diese Nasen doch bestimmt viel besser aus!“

      „Du solltest Kurse anbieten, Überfälle richtig planen – für Einsteiger oder so.“

      Ben feixte. „Du meinst, das könnte eine Marktlücke sein?“

      „Sonst gibt es gar nichts?“ Max war hörbar nicht nach Albernheiten zumute.

      „Ein Passant hat sich gemeldet“, hatte Maggie noch zu bieten. „Er ist um die Tatzeit herum da vorbeigegangen und hat auf der Höhe der Galerie ein Auto stehen sehen. Dunkelblauer Sprinter in schlechtem Zustand. Rostig.“

      „Kennzeichen wäre wohl zu schön?“

      „Leider. Ein älterer Mann, hat sich über das runtergewirtschaftete Auto geärgert – die Reifen waren auch abgefahren, aber aufs Kennzeichen hat er nicht geschaut. „Ich wollte den ja nicht anzeigen“, hat er gesagt. Aber er glaubt, es war ein Leisenberger.“

      „Toll“, war der matte Kommentar. „Vielleicht wenigstens die Marke?“

      „Nö. Das war kein Autofreak, nur ein ordentlicher Bürger. Sprinter, dunkelblau, vermutlich LEI- Irgendwas. Sorry.“

      „Und Enkofer kommuniziert durch Blinzeln und weiß eigentlich gar nichts. Ist der eigentlich immer alleine in seiner Galerie?“

      „Ja“, wusste Ben, „der Laden läuft wohl nicht so doll. Bei dem Händchen für merkwürdige Künstler vielleicht kein Wunder. Diese sogenannte Assistentin kommt dreimal die Woche von neun bis elf und macht die Abrechnungen.“

      Max legte den Kopf schief und die anderen betrachteten ihn gespannt: Brütete er etwas aus? Eine Lösung? Einen Wutanfall?

      „War es dann wirklich ein Raubüberfall?“, fragte er schließlich und lächelte erfreut, als er die dummen Gesichter von Maggie und Ben registrierte.

      „Du meinst wirklich – nur vorgetäuscht?“, fragte Ben.

      „Dann könnte das Motiv im privaten Bereich liegen“, folgerte Maggie. „Seine Familie. Hat er überhaupt eine? Freunde?“

      „Feinde? Frühere Geschäftspartner? Hat er mal etwas angestellt und nun will sich jemand rächen?“, versuchte Ben wieder einen Punkt zu machen.

      „Genau das alles“, verfügte Max, „werdet ihr jetzt herauszufinden versuchen. An die Arbeit!“

      „Und was machst du?“

      „Ich schau erst noch mal zur KTU und höre mich dann in den anderen Galerien um, vielleicht ist dieser komische Asmannsperger ja der totale Geheimtipp. Oder irgendein Feind hat ihn dem Enkofer eingeredet…“

      „Auch eine schöne Idee“, lobte Maggie frech. Max zwinkerte ihr zu und zog seine Jacke von der Stuhllehne.

      o

      Maggie fand immerhin heraus, dass Enkofer verheiratet – äh, gewesen war. Die Frau, Ulrike Enkofer, geborene Seeberger, hatte sich vor neun Jahren scheiden lassen. Maggie suchte weiter – über die Details der Scheidung fand sie nichts, das hätte sie in puncto Datenschutz auch etwas irritiert. Ulrike Enkofer hatte jedenfalls wieder geheiratet und war jetzt in einem kleinen Ort auf Mallorca gemeldet. Das hörte sich nicht gerade an, als hätte sie Rachegelüste – aber gut, wer konnte das schon wissen…

      Hm – Kinder?

      Ach ja, Verena Enkofer, geboren 1978, gestorben 2002 unter rätselhaften Umständen: Überdosis – Selbstmord, Mord, Unfall? Ermittlungen eingestellt.

      Außerdem Susanne Enkofer, geboren 1980, Schule, Studium (Jura), heute bei der Staatsanwaltschaft tätig. Da konnte sie mal nachfragen, wenn Max einverstanden war! Sie schickte das alles an die Tafel und ordnete es dort richtig stammbaummäßig an, dann suchte sie weiter. Oh, noch ein Versuch, einen Stammhalter zu produzieren? Die frühen Achtziger ließen es an modernem Denken auch noch ganz schön fehlen, frauenfeindliches Pack… und das Ergebnis: Gabriela, geboren 1984. Hihi. Schule, Ausbildung, Heirat 2010, lebte mit Mann (und vermutlich Kinderchen, das stand hier nicht) in Kaiserslautern. Zur Not konnte man sie ja anrufen…

      Keine weiteren Kinder – und mit Kunst hatte offenbar keine viel am Hut (gehabt). Da war der Papa sicher enttäuscht! Susanne und Gabriela – Männer, Kinder?

      Susanne offenbar nicht, jedenfalls nicht amtlich, Gabriela hatte einen Mohammed Aziz geheiratet. Maggie suchte ihn auch und erfuhr, dass er bei einem Chemieunternehmen in Kaiserslautern als Laborchef arbeitete, verheiratet war (mit besagter Gabriela Enkofer) und zwei Kinder hatte – Leila und Ben. Auch diese Idylle (war es eine, nach etlichen Jahren?) sprach nicht für Mordlust,