BEHIND BARS. Marina Ocean

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Название BEHIND BARS
Автор произведения Marina Ocean
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783754186206



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      »Neumann?«

      Ich bleibe stehen, sehe den Wärter an, der mich gerade aufgerufen hat und warte darauf, was er von mir will.

      »Mitkommen. Termin bei der Anstaltsleitung. Ihre Schicht in der Wäscherei beginnt heute später.«

      Weshalb habe ich einen Termin? In den letzten Tagen habe ich mir nichts zu Schulden kommen lassen und mein Routinegespräch ist noch eine Woche hin. Warum also will man mich sehen?

      Es ist unnötig, den Wärter danach zu fragen, denn er ist lediglich ausführendes Organ. Wissen tut er nichts, da bin ich mir sicher.

      Dass ich jetzt zum Ausgang des Raumes eskortiert werde, bleibt aber auch den anderen nicht verborgen. Ruckartig gehen mehrere Köpfe hoch, als ich abgeführt werde.

      Vor dem Frühstücksraum bekomme ich Handschellen angelegt, umgangssprachlich unter den Insassen auch Achter genannt, damit keine Gefahr mehr von mir ausgeht. Es wäre ja möglich, dass ich jemandem an die Gurgel gehe. Wenn die wüssten, dass das rein gar nichts hilft! Ich könnte sie mit zwei, drei Bewegungen kalt machen, alle zusammen. Doch nutzen würde mir das nichts, schließlich stünde ich dann immer noch vor verschlossenen Gittertüren und käme nicht sonderlich weit.

      Argwöhnisch bewacht, laufe ich durch die Gänge. Eine Schleuse nach der anderen öffnet sich für mich, nur, um sich sofort darauf wieder zu schließen und gleich zwei Wärter folgen mir dabei auf Schritt und Tritt. Als ich endlich durch das Labyrinth an Fluren und Treppen beim besagten Büro des »Chefs« ankomme, wie wir den obersten Heini hier alle nennen, geht bereits die Tür auf. Man bedeutet mir, Platz zu nehmen und ich gehorche, allerdings nicht, ohne vorher noch einen argwöhnischen Blick auf die Beamten hinter mir zu werfen.

      »Herr Neumann, wie geht es Ihnen?« Das Gesicht vor mir ist mir unbekannt. Anscheinend haben wir einen neuen Boss und ich frage mich, wo denn der andere Chef geblieben ist. Trotzdem bilde ich mir ein, den Kerl schon einmal irgendwo gesehen zu haben. Ich kann ihn jedoch nicht zuordnen. Der Typ wirkt mir gegenüber so vertraut und ich würde gerne wissen, weshalb, denn ich kann mich beim besten Willen nicht erinnern, dass wir uns schon einmal begegnet wären. Vermutlich ist das nur seine Masche. Muss demnach wohl Einbildung sein.

      »Als ob Sie das wirklich interessieren würde«, raune ich meinem Gegenüber zu. Dabei fällt mein Blick auf das Namensschild, welches vor seiner Tastatur steht. Wehrstein lese ich in Großbuchstaben. Sollte ich mir merken!

      Tadelnd schnalzt er mit der Zunge, was mich aber nicht im Mindesten beeindruckt, schließlich bin ich kein kleines Kind mehr, bei dem diese Laute vielleicht Eindruck schinden würden.

      »Wenn es mich nicht interessieren würde, hätte ich nicht gefragt!«, entgegnet er jetzt ebenso hart wie ich. Eine kleine Machtdemonstration seinerseits, die eigentlich vollkommen unnötig ist. Sowohl er, als auch ich wissen sehr genau, dass er von uns beiden am längeren Hebel sitzt. »Aber das tut auch nichts zur Sache. Sie sind hier, weil ich Ihnen ein Angebot unterbreiten möchte.« Das kann absolut nichts Gutes bedeuten. Ich kann ihn jetzt schon nicht leiden! Daher ziehe ich argwöhnisch eine Augenbraue nach oben und mustere den Kerl vor mir nun genauer.

      »Ich verpfeife niemanden, vergessen Sie‘s!«

      Daraufhin seufzt er.

      »Warum sind Sie so negativ eingestellt?«

      »Die Frage ist vielmehr: Warum nicht?«

      »Habe ich Ihnen denn schon einen Grund gegeben, misstrauisch zu werden? Oder mein Vorgänger?«

      »Einen? Hunderte!«

      »Das führt offensichtlich zu nichts.«

      »Sehr richtig!«

      Meine letzte Antwort ignorierend, spricht er weiter, rollt dabei in seinem Chefsessel zur Seite und dreht einen Kuli in den Händen.

      »Sie kennen sicherlich Mathias Rungholt, nicht wahr?«

      »Wer kennt diesen Psycho-Softie nicht?«, entgegne ich herausfordernd, doch immer noch ignoriert er mich.

      »Herr Rungholt nimmt an einer deliktorientierten Psychotherapie teil. Dafür kommen wir ihm entgegen.«

      »Was könnten Sie mir schon anbieten, dass ich ebenfalls auf so einen Quatsch einsteige?«

      Offensichtlich hat er sich diesmal doch dazu entschieden, auf meine Frage einzugehen, denn seine Antwort ist kurz und knapp.

      »Vorzeitige Haftentlassung.«

      Kapitel 2

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       Raph

      Angepisst feuere ich eine Waschladung nach der nächsten in die Waschmaschinen und stelle sie an. Wie kommen diese Flachwichser nur darauf, dass ich so eine Scheiße mitmachen könnte? Ich lasse mir sicher nicht im Hirn rumpfuschen! Alles, was durch meinen Kopf wabert, gehört mir! Mir allein! Da werde ich auch niemandem Einblicke geben oder sie daran teilhaben lassen.

      Und ihre Medikamentencocktails können sie sich als Einlauf selbst in den Hintern schieben. Mit dieser Chemie lasse ich mich sicher nicht vollpumpen! Ich habe die anderen gesehen, die an solchen Therapien teilgenommen haben. Gestandene Männer waren sie, selbstbewusste Querulanten vor dem Herrn. Und jetzt schau sich einer diese armen Hunde an, die zu willenlosen Marionetten gemacht wurden. Nicht mit mir!

      Solange ich klar denken kann, werde ich mich ihren Machenschaften sicher nicht unterwerfen. Niemals! Wild schnaufe ich vor mich hin, weil ich mich dermaßen darüber aufrege, wie diese Bastarde es wagen können, mir einen solchen Vorschlag zu unterbreiten. Für wen halten die mich denn? Ich bin kein Ja-Sager! Das war ich noch nie. Sie dürfen mich so oft ins Büro zitieren, wie sie wollen. Eine Therapie kommt überhaupt nicht in Frage. Selbst wenn sie mir zehn Jahre mehr geben, dafür, dass ich querschieße. Da mache ich nicht mit!

      Die monotonen Drehbewegungen der Waschmaschinen um mich herum beruhigen mich auf eine merkwürdige Art und Weise. So lange ich der Wäsche dabei zusehe, wie sie sich immerzu im Kreis dreht, komme ich ein wenig runter. Immer weiter starre ich in eines der großen Bullaugen und frage mich, ob die da oben eigentlich noch ganz dicht sind. Ich möchte einen von diesen Trotteln mal hören, wenn sie sich einer solchen Behandlung unterziehen müssten. Keiner von denen würde das freiwillig machen, aber uns versuchen sie dazu zu zwingen. Da könnte ich geradezu aus der Haut fahren!

      Diese Hilflosigkeit hier drin ist zum Kotzen. Gnadenlos sind wir der Willkür dieser Angeber ausgesetzt, die uns wie niedere Lebewesen behandeln. Wie gerne würde ich jetzt gegen eine dieser Maschinen treten, doch der Wachmann am Eingang zur Wäscherei beäugt mich schon die ganze Zeit mehr als kritisch, folglich verkneife ich es mir. Mit Sicherheit hat er längst bemerkt, wie aufgebracht ich bin. Und da ich es mir schlichtweg nicht leisten kann, einen Machtkampf anzuzetteln, versuche ich mich wieder in den Griff zu bekommen. Den Kürzeren würde sowieso ich ziehen, denn selbst wenn ich ausrasten und meine Wut an dem Wachmann auslassen würde, wäre ich danach am Arsch. Innerhalb von Sekunden hätte ich sicher gut zehn Beamte um mich herum, also beiße ich mir auf meine Zunge, bis ich Blut schmecke und schlucke meinen Zorn mitsamt des eisenhaltigen Geschmacks, der sich nun in meinem Mund ausbreitet, herunter.

      Leon, ein Mithäftling, kommt auf mich zu gestapft, bringt einen weiteren Rollcontainer mit Wäsche und stellt ihn direkt neben mich.

      »Na, schlechte Laune, Raph?«

      »Kümmere dich um deinen eigenen Scheiß!«, blaffe ich ihn an, doch Leon interessiert das nicht. Hier weiß jeder, dass sie mir alle vom Leib bleiben sollen und dementsprechend sind sie meine Wutausbrüche gewohnt. Grinsend hebt er die Hände und wendet sich wieder ab, um zu seiner Bügelwäsche zurückzukehren, für die er heute eingeteilt ist. Ist auch definitiv besser so für ihn.

      Grimmig ziehe ich einzelne Kleidungsstücke aus dem neuen Container und beginne damit, die nächsten Wäscheberge nach Farben zu sortieren, um im Anschluss neue Waschladungen fertig zu machen. Dafür werde ich schließlich